Naturschützer über Insektensterben: „Agrarpolitik muss reformiert werden“

Eine neue Studie belegt, dass die Zahl der Insekten massiv sinkt. Bauern müssten dringend anders arbeiten, fordert Naturschützer Schade.

Ein Pfauenauge sammelt am 18.10.2017 bei Immenstadt (Bayern) auf einer Astern-Blüte neben anderen Insekten Blütenstaub.

Schöne Insekten: Pfauenauge sammelt Blütenstaub Foto: dpa

taz: Herr Schade, es gibt neue Belege für das Insektensterben. Was muss jetzt passieren?

Till-David Schade: Die wichtigste politische Konsequenz wäre, die EU-Agrarsubventionen grundlegend zu reformieren. Subventionen sollten nur noch an Landwirte fließen, wenn diese auch naturverträgliche Maßnahmen umsetzen. Es geht zum Beispiel um das Brachliegenlassen bestimmter Flächen, die Anlage von Blühstreifen und Feldgehölzen und natürlich auch um die Minimierung des Pestizideinsatzes.

Aber in der neuen Studie steht klar, dass man nicht weiß, warum die Biomasse der Insekten abgenommen hat. Warum fordern Sie dann Änderungen in der Landwirtschaft?

Dafür konnte man aber statistisch nachweisen, dass Veränderungen des Klimas und von Biotopmerkmalen keinen Einfluss auf den Rückgang haben. Dann gibt es nicht mehr so viele Möglichkeiten, außer dass die Landwirtschaft maßgeblich dafür verantwortlich ist. Vor allem vor dem Hintergrund, dass über 90 Prozent der untersuchten Standorte umgeben sind von intensiver landwirtschaftlicher Nutzung. Da ist anzunehmen, dass die Landwirtschaft auf diese Schutzgebiete wirkt. Beispielsweise dadurch, dass Pestizide abdriften oder Nährstoffe durch massiven Einsatz von Dünger eingetragen werden. Außerdem fliegen Insekten von den Schutzgebieten auf die landwirtschaftlichen Flächen und werden dort geschädigt.

Der Bauernverband sagt immer wieder: Es ist nicht erwiesen, dass wir der größte Artenkiller sind. Wie sehen Sie das?

Die Landwirtschaft ist nicht der alleinige Treiber des Artenverlustes in Deutschland, sondern es gibt eine breite Palette von Faktoren. Infrastrukturmaßnahmen, Zersiedlung, Klimawandel, invasive Arten, Landschaftsfragmentierung und so weiter spielen auf jeden Fall auch eine Rolle. Aber allein wegen der Tatsache, dass über 50 Prozent der Fläche in Deutschland landwirtschaftlich genutzt wird, ist es nicht ganz abwegig, dass man die Landwirtschaft als maßgeblichen Treiber des Artenverlustes ausfindig macht. Vor allem weil man inzwischen auch weiß, welche landwirtschaftlichen Praktiken Schaden anrichten, etwa in der Vogelwelt. Die roten Listen beispielsweise geben Aufschluss darüber, dass insbesondere Arten, die im Agrarraum vorkommen, maßgeblich gefährdet sind. Deshalb muss sich die Landwirtschaftslobby eingestehen, dass da erheblicher Verbesserungsbedarf besteht.

Der 32-Jährige ist Referent für Biologische Vielfalt beim Naturschutzbund (Nabu), dem größten Umwelt­verband Deutschlands.

Warum sind Insekten überhaupt so wichtig?

Insekten sind unerlässlich, damit Ökosysteme funktionieren: So sind über 80 Prozent der Wildpflanzen und über 70 Prozent unserer Kulturpflanzen von der Insektenbestäubung abhängig, damit wird auch deren Wichtigkeit für die Ernährungssicherung der Menschen ersichtlich. Daneben bilden Insekten eine wichtige Nahrungsgrundlage vieler Vogelarten, Säugetiere und Reptilien. Und nicht zuletzt: Allein ihre Schönheit und ihre faszinierende Lebensweise sollten uns Menschen Anlass genug sein, die Welt der Insekten zu schützen und zu fördern.

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