Nato beschließt Kampf gegen Flüchtlinge: Die Zurückschlepperbande
Nato-Kriegsschiffe überwachen künftig in der Ägäis Überfahrten von Flüchtlingen. Schiffbrüchige werden in die Türkei zurückgebracht.
Im Seegebiet zwischen der Türkei und Griechenland sollen die unter deutschem Befehl stehenden Kriegsschiffe „Aufklärungs- und Überwachungsaufgaben übernehmen, um bei der Bewältigung der größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu helfen“, verkündete Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Die Schiffe sollen Informationen über Flüchtlings- und Schlepperboote in der Ägäis an die türkischen und griechischen Küstenwachen sowie an die bereits in griechischen Hoheitsgewässern mit Kriegs-und Polizeischiffen operierende europäische Grenzschutzagentur Frontex liefern, die die Boote aufbringen und stoppen sollen. Der Nato-Verband selbst darf nicht gegen die Boote vorgehen.
Nach Angaben von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen habe sich die Türkei auch zur Wiederaufnahme der Bootsinsassen verpflichtet, die die Nato aus Seenot rettet. Das von den 28 Nato-Ministern beschlossene Einsatzmandat enthält allerdings keinen Auftrag an den Marineverband zur Seenotrettung.
Die Initiative für den Einsatz gegen Flüchtlinge hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu bei ihrem Treffen am Montag in Ankara ergriffen. Griechenland schloss sich an. Die drei Regierungen brachten die Nato ins Spiel, weil die Frontex im türkischen Teil der Ägäis keine exekutiven Befugnisse hat.
Jürgen Trittin (Grüne)
Ein Mandat des Bundestages für den Einsatz deutscher Kriegsschiffe hält von der Leyen „im Augenblick nicht für nötig“, denn es gehe „lediglich um Seeraumüberwachung auf Nato-Gebiet“. Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin kritisierte den Nato-Beschluss als „schädliche Symbolpolitik“. Dazu verbreite Ministerin von der Leyen „einmal mehr das Märchen, Schlepper könnten zur See bekämpft werden“. Zudem gehe es bei der Nato-Mission tatsächlich „gar nicht um Schlepperabwehr, sondern in Wirklichkeit um Flüchtlingsabwehr“.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte die geplante Rückführung aufgegriffener Flüchtlinge in die Türkei. Denn dort gebe es kein staatliches Schutzsystem nach der Genfer Flüchtlingskonvention, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die Nato werde mit ihrer Mission „Beihilfe zur Aushebelung von Flüchtlingsrechten“ leisten. Burkhardt sprach von einer „Militarisierung der Flüchtlingsabwehr“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“