Nationale Weiterbildungsstrategie: Update für Beschäftigte
Geringqualifizierte Menschen nehmen seltener an Weiterbildungen teil. Eine Nationale Bildungsplattform soll das nun ändern.
Damit das klappt, muss beim Einsatz digitaler Lerntools noch zugelegt werden. So offenbarte der Bericht, dass die „Entwicklung eines zentralen Online-Einstiegsportals für die berufliche Weiterbildung“ erst jetzt „auf seine Machbarkeit hin überprüft“ wird. Während die digitale Transformation in vollem Gange ist, steckt die Nutzung online-gestützter Lernprogramme in der Berufsbildung und der sie fortsetzenden Weiterbildung in den Anfängen.
Mit einem Anflug von Selbstkritik konstatiert der Bericht, dass „spätestens mit der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Herausforderungen die Digitalisierung der Weiterbildung als Handlungsfeld in den Fokus gerückt“ sei. Zeit wird es.
Bereits im April hatte die OECD – die Organisation der Industriestaaten für wirtschaftliche Zusammenarbeit – in einem Deutschland-Report eine bessere Übersichtlichkeit der vielfältigen Weiterbildungsangebote gefordert. Diese soll nun mit digitalen Plattformen in Angriff genommen werden. Ziel ist es, wie es im Bericht heißt, „Bildungsangebote leichter auffindbar und für den konkreten Kontext und individuellen Bedarf passfähig bereitzustellen“.
Individuelles Lernen mittels Digitalisierung
Lebenslanges Lernen Weiterbildung umfasst drei Arten von Bildungsangeboten: die allgemeine und politische Weiterbildung, die berufliche Weiterbildung und die Weiterbildung an Hochschulen. Zur allgemeinen Weiterbildung zählen unter anderem Sprachkurse. Hier sind die öffentlich finanzierten Volkshochschulen ein starker Player.
Zukunftsentscheidend Die berufliche Weiterbildung wird überwiegend von der Wirtschaft getragen. Hier wächst der Handlungsdruck, weil Expertenberechnungen zufolge in den kommenden Jahren in Deutschland 10 bis 15 Prozent der heutigen Arbeitsplätze durch den Einsatz neuer Technologien wegfallen werden.
Weiterbildungsoffensive Deswegen wurde im Juni 2019 die „Nationale Weiterbildungsstrategie“ gestartet. An ihr sind neben den Bundesministerien für Bildung, Arbeit und Wirtschaft sowie den Bundesländern auch die Bundesagentur für Arbeit, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände beteiligt. Mit den Maßnahmen sollen in den nächsten 10 Jahren 2 Millionen Menschen erreicht und ihnen neue Berufswege eröffnet werden. (mr)
Bei der Vorstellung des NWS-Umsetzungsberichts hob Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hervor, dass die Weiterbildung mittels Digitalisierung auch individueller gestaltet werden könne. „Moderne digitale Weiterbildungsangebote holen die Menschen da ab, wo sie mit ihrem Kenntnisstand und ihrer gegenwärtigen Berufsbiografie stehen“, sagte die CDU-Politikerin.
Gemeinsam mit Bundeskanzlerin Merkel habe sie deswegen die „Initiative Digitale Bildung“ gestartet, in deren Mittelpunkt der Aufbau der „Nationalen Bildungsplattform“ stehe. „Das ist ein gigantisches Vernetzungsprojekt, mit dem wir unsere Bildung in allen Bereichen modernisieren werden“, verkündete Karliczek. Es solle auch der Weiterbildung dienen. Insgesamt wende ihr Haus dafür 900 Millionen Euro auf.
Nach Angaben von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wurden drei Viertel der von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen in der Weiterbildung inzwischen „auf den Weg gebracht“, darunter der neue Rechtsanspruch auf Wiederholung von Bildungsabschlüssen. Man befinde sich, so Heil, auf dem Weg zur „Weiterbildungsrepublik Deutschland“.
Rainer Dulger, Präsident des Bundesverbandes der Arbeitgeber, verwies darauf, dass die deutschen Unternehmen im Jahre 2019 rund 41 Milliarden Euro in die Weiterbildung investiert hätten, und damit acht Milliarden Euro mehr als drei Jahre zuvor. Dabei handelt es sich überwiegend um Präsenz-Lehrveranstaltungen, für die Bildungsurlaub gewährt wird.
Weiterbildung für gering Qualifizierte besonders relevant
Nach der OECD-Studie nehmen in Deutschland 54 Prozent der Erwachsenen im Alter vom 18 bis 64 Jahren jährlich an einer Weiterbildungsmaßnahme teil. Dies liegt zwar über dem Durchschnitt der Industrieländer, aber das Problem besteht in der sehr unterschiedlichen Nutzung durch die Beschäftigtengruppen. Gerade geringer Qualifizierte, deren Arbeitsplätze in erhöhtem Maße bedroht sind, nutzen nur unterdurchschnittlich die Weiterbildung – obwohl sie für diese Gruppe besonders relevant sind.
Zwar habe Deutschland „in jüngster Zeit viel dafür getan, seine Weiterbildungslandschaft zu modernisieren und die Koordination der vielen Weiterbildungsakteure zu verbessern – nicht zuletzt im Rahmen seiner Nationalen Weiterbildungsstrategie“, räumte der ehemalige OECD-Generalsekretär Angel Gurría ein. Dieser Weg müsse aber fortgeführt und erweitert werden, insbesondere durch einen „stärkeren Fokus auf jene Gruppen, deren berufliche Zukunft am meisten von Weiterbildung abhängt.“
Eine zentrale Empfehlung der OECD ist, die komplexen Strukturen der deutschen Weiterbildungslandschaft mit ihren rund 18.000 Anbietern zu vereinfachen. „Es wäre sinnvoll, über ein nationales Weiterbildungsgesetz einen Rahmen zu etablieren, der Zuständigkeiten, Organisation, Anerkennung und Finanzierung regelt“, schlägt die OECD vor.
Der Anspruch auf Bildungszeiten und Bildungsurlaub solle regionen- und branchenübergreifend vereinheitlicht und die finanzielle Förderung für Weiterbildung nutzerfreundlicher gestaltet werden. „Zeitmangel und fehlendes Wissen über die eigenen rechtlichen Ansprüche halten viele Menschen von der Teilnahme an Weiterbildungsangeboten ab“, stellt die Studie fest. Für Lehranbieter sollten Mindestqualitätsstandards eingeführt werden.
Weiter empfiehlt die Studie, Konzepte und Kampagnen zu entwickeln, die gezielt Menschen mit geringen Grundkompetenzen ansprechen. Bund und Länder sollten in einer gemeinsamen Initiative „kostenlosen oder kostengünstigen Zugang zu Lernangeboten im gesamten Bundesgebiet schaffen“. Andere OECD-Länder, darunter Großbritannien mit seinem „UnionLearn-Programm“, hätten auf diese Weise die Teilnahme bildungsferner Schichten deutlich steigern können.
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