Jobmarkt und Ausbildung: Jung, gesund, ausbeutbar

Eine OECD-Studie fordert bessere Förderung von Geringqualifizierten. Zugewanderte und Geflüchtete haben dabei besondere Problemlagen.

Koch steht im Dampf über einem Herd

Geringqualifizierte arbeiten oft in der Gastronomie, da sie dort ohne Ausbildung einen Job finden Foto: Sergio Nievas/imago

BERLIN taz | Der junge Ägypter arbeitete in einem Edelrestaurant in Berlin und bereitete dort die Speisen zu. Das Kochen hatte er im Heimatland gelernt, seine Deutschkenntnisse waren nicht besonders gut. Mit seinem Verdienst unterstützte er die Familie in Ägypten. Dann kam ein Streit mit seinem Arbeitgeber und die Entlassung.

Der Mann, der über eine Arbeitserlaubnis verfügte, landete als „Geringqualifizierter“ bei der Berliner Beratung MobiJob für Geflüchtete und Zugewanderte. „Wir mussten ihn überzeugen, doch noch eine Ausbildung als Koch zu machen“, erzählt Gustav Schneider, „das ist finanziell erst mal unattraktiv, weil das Ausbildungsentgelt deutlich niedriger ist als der Verdienst im Restaurant“.

Schneider ist mobiler Berater bei MobiJob. Fälle wie sein ägyptischer Klient gibt es häufig: Geflüchtete, die sofort in Helferjobs Geld verdienen wollen, auch weil sie Geld an die Familie ins Herkunftsland schicken müssen. Zudem hält der hohe Aufwand beim Spracherwerb viele Zugewanderte mit geringen Deutschkenntnissen davon ab, eine Lehre zu beginnen.

Parallel zur praktischen Ausbildung in der Lehre muss die Berufsschule besucht, müssen Fachbücher gelesen und am Ende eine mündliche und schriftliche Prüfung bestanden werden. Dafür muss man Deutsch nicht nur sprechen, sondern auch schreiben können.

Jobs in Gastronomie und Lagerwirtschaft

„Neben der finanziellen Frage ist die Sprachbarriere das zweite große Problem“, sagt Schneider. Nach seiner Erfahrung brauchen Geflüchtete im Mittel etwa zwei bis vier Jahre Aufenthalt in Deutschland, um ein Sprachniveau zu erreichen, mit dem sie auch den theoretischen Teil einer Lehre bewältigen können.

Viele der Zugewanderten halten sich vornehmlich unter Landsleuten auf – deswegen bieten sich Jobs in der Gastronomie auch an, weil dort in den Küchen dann zum Beispiel andere arabisch sprechende Menschen arbeiten. Die Klientel bei MobiJob arbeitet oft in der Gastronomie und in der Lagerwirtschaft.

Für die etwa 14 Prozent Geringqualifizierten, die es in der Bevölkerung im Erwerbsalter in Deutschland gibt, fordert eine neue Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bessere Aus- und Weiterbildungschancen. „Geringqualifizierte haben oft komplexe Barrieren zu überwinden und brauchen individualisierte Angebote,“ sagte Studienmitautorin Karolin Killmeier am Donnerstag.

Die Studie definiert als „geringqualifiziert“ Menschen ohne einen anerkannten Berufs- oder Studienabschluss und ohne Abitur, unbesehen der Tätigkeiten, die sie in ihrem Leben schon gemacht haben. Ein relativ großer Anteil hat einen Migrations- oder Fluchthintergrund.

Geringe Verhandlungsmacht

Laut der OECD-Studie nehmen Menschen ohne Berufsabschluss seltener an Bildungsmaßnahmen teil als solche, die bereits qualifiziert sind, sie werden tendenziell also vom Bildungsgeschehen abgekoppelt.

Nicht selten haben die Arbeitgeber auch kein Interesse an einer Weiterqualifikation der Beschäftigten, haben die Interviews in der Studie ergeben. „Geringqualifizierte haben wenig Verhandlungsmacht“, sagt Killmeier.

Unter der Ampelregierung gibt es für Arbeitgeber jetzt hohe Zuschüsse zu Lehrgangskosten und eine Förderung, wenn geringqualifizierte Beschäftigte einen Berufsabschluss nachholen. Für Geflüchtete ist es allerdings nach wie vor schwierig, etwa durch eine Einstiegsqualifizierung eine Duldung zu bekommen.

Der junge Mann aus Ägypten hat eine Lehre als Koch angefangen. „Das Argument, er könne dann später ein eigenes Restaurant eröffnen, hat ihn überzeugt“, sagt Gustav Schneider.

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