Nancy Pelosi in Taiwan: Das Schweigen des Präsidenten

Der Besuch der dritthöchsten Amtsträgerin der USA in Taiwan löst in den USA heftige Debatten aus. Nur Präsident Joe Biden sagt nichts.

Nancy Pelosi umgeben von mehreren Männern

In Taiwan gefeiert: Pelosi bei ihrem Besuch im Parlament in Taipeh Foto: Ann Wang/reuters

NEW YORK taz | Mit angehaltenem Atem haben die politisch Verantwortlichen in der US-Hauptstadt sowie die Makler an der New Yorker Börse den Taiwan-Trip von Nancy Pelosi verfolgt. „Ich tue es für die Demokratie“, begründete die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses in einem Meinungsbeitrag, der gleichzeitig mit ihrer Landung in Taipeh in der Washington Post erschien.

Ebenfalls am Dienstag bestellte die chinesische Regierung den US-Botschafter in Peking zum Gespräch ein und kündigte See-Manöver mit scharfer Munition an sechs Punkten rund um Taiwan an, um gegen den Besuch zu protestieren. Zwei zentrale Akteure allerdings, die auf unterschiedliche Art von Pelosis Reise betroffen sind, hielten sich mit Kommentaren zurück: US-Präsident Joe Biden und die Präsidentin von Taiwan, Tsai Ing-wen. Die Webseite von letzterer war kurz vor Pelosis Ankunft Opfer einer Cyberattacke geworden.

„Wer mit dem Feuer spielt, wird verbrannt“, soll der chinesische Präsident Xi Jinping in der vergangenen Woche bei einem seit längerem geplanten Telefonat zu dem US-Präsidenten gesagt haben. Es war das fünfte Gespräch der beiden, seit Biden ins Weiße Haus eingezogen ist. Abgesehen von Pelosis Reiseabsicht hatten sie alle möglichen anderen Themen, die von dem Ukraine-Krieg bis zu Handels- und Militärischen Fragen im Südchinesischen Meer reichten.

Biden hatte vor dem Telefonat zu Journalisten gesagt, dass das US-Militär die Reise von Pelosi zum jetzigen Zeitpunkt für unklug halte. Aber seine eigene Meinung nannte er nicht. Er griff auch nicht zum Telefon, um persönlich mit Pelosi zu sprechen. Die Warnungen und Versuche, Pelosi von der Reise abzuhalten, überließ Biden seinen Sicherheitsberatern, dem Pentagon und den Geheimdiensten. Mehrere Dutzend ehemalige CIA- und Militär-Mitarbeiter appellierten öffentlich an Pelosi, nicht nach Taiwan zu fahren. Doch sie schafften es nicht, Pelosi umzustimmen.

Washington bemüht sich um Schadensbegrenzung

Warum der US-Präsident und die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die beide Demokraten sind und aus demselben zentristischen Flügel ihrer Partei kommen, ihre China-Politik nicht miteinander koordinieren, ist ein Rätsel. Die 82jährige Pelosi ist qua Amt die dritte Person in der politischen Hierarchie der USA. Sollte dem Präsidenten und der Vizepräsidentin etwas zustoßen, würde sie automatisch an die Spitze nachrücken. Auch deswegen interpretiert Peking ihren Besuch als eine Aktion der gesamten Spitze der US-Politik.

Direkt nachdem Pelosi in Taipeh gelandet war und für ein erstes Foto posiert hatte, bemühten sich in Washington Bidens Berater um Schadensbegrenzung und um Erklärungen, die Peking die Verantwortung für jede weitere Eskalation geben sollten. „Wenn China daraus eine Krise macht“, sagte Sicherheitsberater Jake Sullivan, „ist das Chinas Schuld“. Für Washington habe sich nichts verändert. Es halte weiterhin an seiner Ein-China-Politik fest und es übe sich in „Zurückhaltung“. Doch nicht nur Peking schickte Militärflugzeuge und -schiffe in die Gewässer rund um Taiwan. Auch die USA waren mit ihrem Flugzeugträger Ronald Reagan vor Ort.

John Kirby, der Sprecher des nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus, präzisierte am Dienstag, dass China genau das tue, was Washington erwartet habe. Und fügte hinzu, dass er nach Pelosis Abreise mit weiteren militärischen und wirtschaftlichen Reaktionen aus Peking rechne, wobei unklar sei, ob die sich vor allem gegen Taiwan oder die USA richten werden. Ebenfalls am Dienstag stiegen an der Wallstreet die Aktienwerte großer US-amerikanischer Rüstungskonzerne wie Lockheed Martin, Northrop Grumman und Raytheon um mehr als zwei Prozent.

Ganz so weit von Pelosi entfernt, wie das Schweigen von der Spitze des Weißen Hauses vermuten lässt, ist Biden in Sachen China-Politik nicht. Er hat immer wieder versprochen, „hart“ gegenüber China zu sein. Bei seinem Amtsantritt lud er als erster US-Präsident den ständigen Vertreter von Taiwan zu seiner Zeremonie ein.

Verkehrte Welt in Washington

Zu dem Eindruck von verkehrter Welt in Washington trägt bei, dass Politiker der Republikanischen Partei der Demokratin Pelosi am Dienstag zu ihrer Reise applaudierten. Auf dem rechten TV-Sender Fox erklärte ein ehemaliger CIA-Mann, wie gut es sei, „dass Pelosi sich nicht von einer Diktatur einschüchtern lässt“.

Die liberale Tageszeitung New York Times hingegen schalt das Pelosi-Unternehmen als „völlig rücksichtslos“. Anstatt China zu provozieren, Xi Jinping einen Vorwand zu liefern und während des Ukraine Kriegs einen möglichen zweiten militärischen Konflikt in Asien auszulösen, wäre es im Interesse der USA, wertzuschätzen, dass China einer der wichtigsten Handelspartner der USA ist und dass es bislang im Ukraine-Krieg keine Waffen an Putin geschickt habe, schrieb die New York Times.

Bei den zahlreichen asiatischen Amerikanern in Pelosis Wahlkreis in San Francisco, darunter zahlreiche Taiwanesen, stößt die Reise auf Interesse. Aber ob sie jenseits des Symbolischen auch einen praktischen Nutzen für die 23 Millionen Einwohner von Taiwan hat, die nur 120 Kilometer vom chinesischen Festland entfernt leben und vor deren Küsten jetzt chinesische Militärschiffe kreuzen, ist ein Rätsel. Offen ist zugleich die Frage, warum die politische Führung in Taiwan die Sprecherin des Repräsentantenhauses nicht davon abgehalten hat, zu kommen.

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