Nächste Bundesregierung: SPD-Mitglieder stimmen über Koalitionsvertrag ab
Rund 360.000 Sozialdemokrat*innen entscheiden über den Koalitionsvertrag mit der Union. Die Parteispitze wirbt eindringlich um Zustimmung.

Für die Annahme des 144 Seiten starken Koalitionsvertrags mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ ist nicht nur eine Mehrheit der Stimmen erforderlich, sondern auch eine Teilnahme von mindestens 20 Prozent der Mitglieder an der rein digitalen Abstimmung. Die Mitglieder haben per Post ein Passwort zugeschickt bekommen, mit dem sie – in Kombination mit ihrer Mitgliedsnummer – online ihre Stimme verschlüsselt abgeben können. Wer keinen Internetzugang hat, kann in einer SPD-Geschäftsstelle wählen.
Mit dem vage anvisierten Mindestlohn von 15 Euro und der Steuersenkung für geringe und mittlere Einkommen hat die SPD einige ihrer Wahlkampfversprechen im Koalitionsvertrag verankert. Umstritten sind allerdings die geplanten Verschärfungen der Migrations- und Sozialpolitik. Die Führung der Jusos lehnt das Vertragswerk deswegen ab und fordert Nachverhandlungen.
Co-Parteichef Lars Klingbeil entgegnete den kritischen Stimmen aus der Nachwuchsorganisation am Montagabend bei einer Dialogkonferenz in Hannover, dass es keine Nachverhandlungen geben werde. Wenn Schwarz-Rot nicht zustande komme, werde es Neuwahlen geben oder vielleicht eine Minderheitsregierung, warnte er. Es bestehe die Gefahr, dass die Kräfte in der Union gestärkt werden, die für eine Normalisierung des Verhältnisses zur AfD sind. „Wenn wir scheitern, dann werden die lauter.“
CSU hat bereits zugestimmt
Co-Parteichefin Saskia Esken warb in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur um Zustimmung zu dem 144 Seiten starken Vertragswerk. Auch sie sehe darin zwar „Licht und Schatten“. Die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungszwecke, das Sondervermögen für Investitionen und die Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft hob Esken aber als gute Grundlage für eine Zusammenarbeit zwischen Union und SPD hervor. „Ich gehe davon aus und hoffe, dass wir eine gute Zustimmung bekommen.“
Die ehemalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ist zuversichtlich, dass die SPD dem Koalitionsvertrag mit der Union zustimmt. Sie sei positiv gestimmt nach Gesprächen an der Parteibasis, sagte Bas dem Nachrichtenportal The Pioneer. „Denn die Alternative wäre entweder eine Neuwahl oder dass die CDU/CSU vielleicht doch zusammen mit der AfD regiert“, betonte Bas. Das könne keiner in der SPD wollen, deshalb werbe sie für den Koalitionsvertrag.
Bisher hat nur die CSU den Koalitionsvertrag per Vorstandsbeschluss angenommen. Auch die Zustimmung der CDU fehlt noch. Die Partei des designierten Kanzlers Friedrich Merz entscheidet am 28. April auf einem kleinen Parteitag. Falls alles glattläuft, soll der CDU-Chef am 6. Mai im Bundestag zum Kanzler gewählt werden.
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