Nachwahlen in Schottland: SNP sieht rot
Labour holt den ersten Sieg seit 2015 gegen die Schottische Nationalpartei. Die Nachwahl lässt SNP bangen und Labour hoffen.
Für Labour aber nur ein kleiner Schritt zurück. Bis 2015 war sie die traditionell dominierende Partei. Dann verlor sie, ein Jahr nach dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum, 40 ihrer ehemals 41 schottischen Sitze an die Schottische Nationalpartei (SNP). Daran konnte sie bei den Nationalwahlen 2019 nichts ändern.
Trotzdem sind die 58,6 Prozent für Labour ein Grund zur Freude. Das letzte Mal, dass die Partei im Wahlkreis Rutherglen and West Hamilton ein solches Ergebnis verbuchen konnte, liegt inzwischen 13 Jahre zurück. 2010 entschieden sich 60,8 Prozent der Wähler:innen für Labour.
Laut dem Labour-Vorsitzenden in Schottland, Anas Sarwar, verändert der Wahlerfolg seismisch und fundamental die schottische Politik. Er führt das auf jahrelange Arbeit der schottischen Labour-Partei zurück. Auch Labourchef Keir Starmer sprach von harter Arbeit und darüber hinaus von der Demut der vergangenen dreieinhalb Jahre. Es sei eindeutig: Die Menschen in Rutherglen and Hamilton West glaubten, dass die veränderte Arbeiterpartei, die von ihnen erhoffte Veränderung herbeiführen könne. Sie könne Distanz zur Spaltung, zum Chaos und zu den Machtkämpfen der SNP-Regierung in Schottland und der konservativen Regierung in Westminster liefern, sagte Starmer.
SNP leidet unter einer Krise
Das Ergebnis der Nachwahl ist zudem das Urteil schottischer Wähler:innen zu zahlreichen Problemen innerhalb der SNP. Dabei geht es auch um die generelle Unzufriedenheit mit der SNP-Regierung, welche die Verantwortung oft auf Westminster schob. Auch nicht, dass es zur Nachwahl in Rutherglen und Hamilton West überhaupt nur wegen schwerer Covid-Regel-Verstößen der vorherigen SNP-Abgeordneten kam.
Vor allem ging es zuletzt um die polizeiliche Untersuchung zu verschollenem Geld der Partei. Inzwischen wurde dazu die zurückgetretene Regierungschefin Schottlands und Parteichefin der SNP Nicola Sturgeon und ihr Ehemann Peter Murell befragt.
Zudem entbrannte ein Kampf um die Nachfolge von Sturgeon, mit regelrecht bösen und persönlichen Zügen. Außerdem schadete der Streit über eine versuchte Gesetzesänderung, die Notwendigkeit ärztlicher Gutachten zum Geschlechtswechsel abzuschaffen, der Partei.
So erntete Katy Loudon, eine Grundschullehrerin, die bisher Bezirksabgeordnete in der Regionalvertretung war, nur 8.399 Stimmen, 27,6 Prozent. Das sind 16,6 Prozentpunkte weniger als bei der Nationalwahl 2019. Eine Enttäuschung für die Partei, die aktuell unter Humza Yousafs Führung steht.
Keith Brown, der stellvertretende Vorsitzende der SNP, gab an, seine Partei werde daran arbeiten, das Vertrauen der Wähler:innen wiederzuerlangen. Er erklärte, das Ergebnis sei unter Beihilfe der konservativen Tory-Wähler:innen zustande gekommen.
SNP-Parteiführer Yousaf bezeichnete das Ergebnis der schottischen Konservativen sogar als Kollaps. 2019 stimmten noch 15 Prozent der Wähler:innen für die Tories, nun kamen sie auf 3,9 Prozent. Trotzdem zeigte sich der konservative Kandidat Thomas Kerr zuversichtlich: Er könne die Stimmen zurückgewinnen. Das Resultat sei als Botschaft an die SNP zu verstehen, betonte er wiederum.
Die britischen Nationalwahlen im nächsten Jahr kann Labour aber nur gewinnen, wenn die Partei noch mehr Wahlkreise in Schottland für sich entscheidet. Den Linken bleibt also zu hoffen, dass sie das Wahlergebnis von Rutherglen and Hamilton West anderorts wiederholen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Frauenfeindlichkeit
Vor dem Familiengericht sind nicht alle gleich