Nachruf auf Sängerin Jane Birkin: Halb gestöhnt, ganz geliebt
Frankreich und nicht nur Frankreich trauert. Die britische Schauspielerin und Chanteuse Jane Birkin, ist 76-jährig gestorben. Ein Nachruf.
Es hieß, sie sei doch recht zufrieden, inzwischen, ließe sich anfügen, mit dem künstlerischen Debüt, das sie buchstäblich über Nacht zu einer Berühmheit nicht nur in Frankreich machte.
Es war das Lied, besser: das Couplet „Je t’aime … moi non plus“, das ihr damaliger Freund, der Musikproduzent und Liederkomponist Serge Gainsbourg eigentlich als Duett mit seiner Verflossenen, der Jet-Set-Prominenten und Schauspielerin Brigitte Bardot, eingesungen hatte – allerdings war die Bardot derweil mit dem St. Tropez-Milliardär und Motorradfahrer Gunter Sachs verheiratet und bat Gainsbourg darum, die Aufnahme nicht zu veröffentlichen.
Woran der als heterosexueller Charmanz-Unhold bekannte Gainsbourg sich auch hielt – und dafür die noch eher unbekannte Britin Ms Birkin engagierte. Heraus kam 1969 ein Stück Popgeschichte, das schaffte, worauf sonst teuer bezahlte Marketingagenturen hinwirken: Ein Chanson ist ein Skandal ist ein Chanson!
Im Orgasmus münden
Denn was zu hören war, auch in deutschen Räumen, in denen Klassenfeten gefeiert wurden, waren mehrere Minuten lang Sex zweier Menschen, der in einem Orgasmus mündet. Die Birkin hatte somit ihren Platz in der Hall of Fame der popularen Künste sicher – aber so wollten sie es, Tochter bestsituierter Eltern aus der britischen Künstler- und Militärbohème, die im Frankreich der Bardots, Jeanne Moreaus und Françoise Hardys, der Romy Schneiders und Alain Delons mitmischen wollte, gern an der Côte d’Azur und in welcher Disziplin auch immer, Musik (fast immer: Gainsbourg) oder Film („Tod auf dem Nil“), egal.
Nach dem von Gainsbourg gefertigten Popklassiker folgten für sie weitere Hits, Schallplattenaufnahme, Filmengagements: Jane Birkin, die mit ihrem Serge die später ebenso berühmte Tochter Charlotte zur Welt brachte, war eine gefeierte Engländerin in Frankreich, für ihren untilgbaren britischen Akzent geliebt, wie Paris' Bürgermeisterin Anne Hidalgo in einem Tweet betonte („die Pariserischste“ überhaupt) für ihre elegante, aber über Jahrzehnte in Form gehaltenen Ton der Frische unsterblich geworden.
Mit den achtziger Jahren begann sie sich auf Musiken und Filme zu verlegen, die eher im Kulturmilieu ankommen sollte, mehr Arthouse in jeder Hinsicht. In Deutschland trat sie immer wieder in Konzerten auf, in der Berliner Philharmonie oder in der Elbphilharmonie zu Hamburg – Locations, die auf Anteilnahme literarisch oder musikästhetisch interessierter Kreise setzte, nicht so sehr auf Pop.
Also mehr Tom Waits-, Neil Young- oder Kate Bush-Adaptionen als solche ihres allerersten Ehemannes John Barry, Komponist etlicher James-Bond-Soundtracks.
Die Ikone des Stils
Sie war, das als Pointe ihres Umzugs aus elterlichen Umgebungen ins glamourösere Frankreich jener Zeit, die populärste Engländerin in ihrer zweiten Heimat, eine Legende zu Lebzeiten, an deren Leukämieerkrankung vor Jahren die halbe Nation mitlitt. Jane Birkin war zu allen Zeiten immer auch Stilikone, geschmackvoll gekleidet, verhalten fröhlich in der beabsichtigten Ausstrahlung – und immer bereit, sich neue Kompositionen zu erarbeiten und sie auch auf (internationalen Bühnen) vorzustellen.
Die Künstlerin, deren größtes Kunstprojekt sie selbst womöglich war, und das ja mit Erfolg, wusste um ihre Fragilität, gesundheitlich vor allem. Sonntag wurde sie im Alter von 76 Jahren von Angehörigen in ihrer Pariser Wohnung leblos aufgefunden. Frankreich, und nicht es allein trauert.
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