Nachfolge für Spitze der Grünen Jugend: Gefunden: Junge Leute mit Hoffnung
Nach dem Austritt der alten Spitze wollen Jette Nietzard und Jakob Blasel die Grüne Jugend führen. Auch sie sind links – aber noch nicht abgefressen.
Einen fundamentalen Richtungswechsel gäbe es unter dem Duo wohl nicht: Blasel und Nietzard verorten sich links und kritisieren den Kurs der Grünen in der Ampel. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen haben sie aber noch Hoffnung, die Partei durch die Arbeit im Jugendverband verändern zu können.
Blasels inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf der Klimapolitik. Der Student aus Lüneburg ist seit Jahren in der Klimabewegung aktiv und war Mitorganisator der ersten Demos von Fridays for Future in Deutschland. In seinem Bewerbungsschreiben an die Mitglieder der Parteijugend heißt es, man dürfe sich nicht „beim ersten Gegenwind zum Klimaschutz wegducken – sondern muss Lösungen finden, die sozial absichern und die Reichen zur Kasse bitten.“ Der Mitte-Kurs der Grünen befeuere am Ende nur den Rechtsruck.
Nietzard arbeitet aktuell für das Deutsche Kinderhilfswerk in Berlin. Eigenen Angaben zufolge ist sie 2019 zu den Grünen gekommen, weil sie „Kinderarmut beenden wollte“. Auf ihrem TikTok-Kanal veröffentlicht sie Videos auch zu Themen wie Feminismus und Flüchtlingsrechten. In ihrem Bewerbungsschreiben heißt es, strategisch sei es ihr wichtiger, „wir können mit Menschen auf der Straße über Gerechtigkeit sprechen als kapitalistische Wirkmechanismen auf wissenschaftlichem Niveau wiedergeben“.
Klassenkampf und Dönerpreise
Das kann man als Seitenhieb auf diejenigen lesen, die die Grüne Jugend verlassen. Beim scheidenden Vorstand und der ehemaligen Bundessprecherin Sahra-Lee Heinrich, die zusammen einen neuen Jugendverband gründen wollen, ist oft von Klassenstandpunkten die Rede. Allerdings tauchten in der Vergangenheit in ihren Kampagnen auch lebensnahe Themen auf, im Europawahlkampf ging es zum Beispiel um gestiegene Dönerpreise.
Zu den Zukunftsplänen der Aussteiger*innen ist bislang wenig bekannt. Bis zum Bundeskongress und der Übergabe an den neuen Vorstand wollen sie sich mit Querschüssen zurückhalten. Unklar ist auch, wie viele Mitglieder mit ihnen den Verband verlassen werden. Offiziellen Angaben zufolge ist an der Basis der Grünen Jugend bisher keine Austrittswelle zu verzeichnen.
Angeschlossen haben sich allerdings Vorstandsmitglieder aus mehreren Landesverbänden. Schon über längere Zeit hatte sich die Funktionärsebene der Jugend von der eigenen Partei entfremdet. Inhaltlich haderten GJ-Vorstände mit vielen Kompromissen der Grünen in der Regierung. Auf Parteitagen mobilisierten sie zwar häufig Unterstützung für Protest-Anträge. Mehrheiten erreichten sie trotzdem so gut wie nie. In der Folge hatten sie sich zuletzt schon weitestgehend aus Auseinandersetzungen in der Partei zurückgezogen.
Diejenigen, die bleiben, hoffen nun auf einen neuen Schwung. Timon Dzienus war bis 2023 selbst Bundessprecher der Grünen Jugend, will nächstes Jahr für den Bundestag kandidieren, mischt im Hintergrund aber auch im Jugendverband weiter mit. Der taz sagte er, er unterstütze die beiden neuen Kandidat*innen.
„Wieder zum Machtfaktor machen“
„Mit Jette Nietzard gewinnt die Grüne Jugend eine unglaublich begeisterte Kämpferin für soziale Gerechtigkeit. Jakob Blasel steht wie kein anderer für konsequenten und sozialen Klimaschutz“, sagte Dzienus.
„Die beiden werden die Auseinandersetzung in und mit der Grünen Partei sicherlich wieder mehr suchen. Ich traue den beiden dabei sehr viel zu“, so Dzienus. Gerade jetzt sei eine starke Grüne Jugend dringend notwendig. Er rechne fest damit, dass „beide die Grüne Jugend wieder zu einem wichtigen Machtfaktor in der Grünen Partei machen werden“. Das sei der Jugendverband schon in den letzten Jahren immer wieder gewesen, beispielsweise in der Auseinandersetzung um die Abbaggerung des Dorfs Lützerath im rheinischen Kohlerevier.
Der Kandidat Blasel sagt in seinem Bewerbungsschreiben, er teile ausdrücklich „die Kritik an der Ampel und an den Grünen von denen, die gehen“. Auch Nietzard schreibt von „Frustmomenten“ in den letzten Jahren, gibt sich für die Zukunft aber zuversichtlich: „Gemeinsam werden wir Bündnis 90/Die Grünen von Kreisverband bis Bundesebene an ihre Grundwerte erinnern und nach links schieben.“ Offen bleibt, was genau sie anders machen wollen als ihre Vorgänger*innen, um parteiintern mehr zu erreichen. Für Nachfragen waren sie am Sonntag nicht zu sprechen.
Nachdem der alte Vorstand seinen Rücktritt angekündigt hatte, gab es bei einigen Grünen allerdings auch ganz andere Ambitionen: Manche Realos hatten die Hoffnung, dass ihr Flügel künftig wieder Einfluss im stark links geprägten Jugendverband erhalten wird. Zumindest in der möglichen Doppelspitze spiegelt sich das jetzt nicht wider. Zu besetzen sind auch noch weitere Vorstandsposten. Aussichtsreiche realo-nahe Kandidaturen gab es bis Sonntagmittag aber auch dafür nicht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?