Nach gewaltvollen Unruhen: Feuer frei in Kasachstan

Präsident Tokajew erteilt Sicherheitskräften und Armee einen Schießbefehl – ohne Vorwarnung. Angeblich sei die Lage wieder unter Kontrolle.

Ein Videostill zeigt ein Militärflugzeug mit einem Panzer, der von Soldaten hineingewinkt wird.

Auf friedlicher Mission: Russische Truppen in Iwanowo vor dem Abflug nach Kasachstan Foto: Russian Defence Ministry/efe/epa

BERLIN taz | In Kasachstan war der Freitag der Tag der knallharten Ansagen. Präsident Kassym-Schomart Tokajew erteilte Sicherheitskräften und Armee den Befehl ohne Vorwarnung zu schießen. „Was sollte man schon mit Verbrechern und Banditen zu besprechen haben? Sie müssen vernichtet werden, und das wird in nächster Zeit geschehen“, sagte er in einer Fernsehansprache.

Am Morgen hatte er vor Vertretern des Stabes für den Antiterrorkampf vollmundig erklärt, dass die verfassungsmäßige Ordnung in allen Regionen des Landes weitestgehend wieder hergestellt sei. Terroristen würden jedoch weiter zu den Waffen greifen und das Eigentum von Bürgern zerstören. Deshalb müssten Antiterroraktionen bis zur vollständigen Vernichtung der militanten Demonstranten fortgesetzt werden.

Die zentralasiatische Republik erlebt dieser Tage die schwersten Unruhen seit Jahren. Auslöser waren Proteste gegen massive Preiserhöhungen für Flüssiggas in der westkasachischen Ölförderstadt Schanaozen, die sich jedoch schnell im ganzen Land ausbreiteten. Die Staatsführung versuchte, die Situation zu entspannen, doch auch die Rücknahme der Preiserhöhung sowie die Entlassung der Regierung konnten die Demonstranten nicht beruhigen.

Zu den schwersten Zusammenstößen kam es in der Wirtschaftsmetropole und größten Stadt des Landes Almaty. Dort stürmten Protestierende Regierungsgebäude, setzen sie in Brand und plünderten Geschäfte. Angaben von Journalisten zufolge eröffneten Sicherheitskräfte am Donnerstag auf dem Republikplatz das Feuer auf Demonstranten.

Laut Angaben des kasachischen Innenministeriums vom Freitag seien bei den offiziell als „Säuberungen“ bezeichneten Einsätzen 26 „bewaffnete Kriminelle“ getötet worden, die Zahl der Verletzen belaufe sich auf 18. Mehr als 3.000 Personen seien festgenommen worden.

2.500 Soldaten vor Ort

Am Donnerstag trafen erste Truppenverbände der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS) in Kasachstan ein. Zuvor hatte Tokajew ein entsprechendes Hilfeersuchen an seine Verbündeten gerichtet. Dem Bündnis gehören neben Russland und Kasachstan auch Armenien, Belarus, Tadschikistan und Kirgistan an. Der OVKS-Generalsekretär Stanislav Zas bezifferte die Anzahl der Soldaten auf rund 2.500. Diese könnten bei Bedarf noch aufgestockt werden. Er erwarte einen kurzen Einsatz, einige Tage oder Wochen, sagte Zas.

Der russische Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inozemzew sagte gegenüber dem Onlinenachrichtenportal Nastojaschee Vremja, die Entscheidung, OVKS-Truppen nach Kasachstan zu entsenden, sei rein politisch. Von einer äußeren Bedrohung könne keine Rede sein, die Probleme seien rein innenpolitischer Natur. Zum derzeitigen Zeitpunkt sei eine solche Entscheidung unsinnig. Sollte Tokajew die Macht verlieren, könnten auch die Kräfte der OVKS dies nicht verhindern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.