Nach der jüngsten Eskalation im Kaukasus: Zweifelhafter Hilferuf an Moskau

Armeniens Ministerpräsident Paschinjan bittet Russland, die Grenze zu Aserbaidschan zu sichern. Dort kam es zuletzt wieder zu Scharmützeln.

Zerstörtes Denkmal für sowjetische Soldaten in Aserbaidschan

Zerstörtes Denkmal für sowjetische Soldaten in Aserbaidschan Foto: Gavriil Grigorov/imago

BERLIN taz | Russisches Militär soll sich entlang der Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan stationieren. Das fordert der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan nach der jüngsten Eskalation im Grenzgebiet.

Seit Ende Juli gibt es neue Schusswechsel zwischen den ehemaligen Sowjetrepubliken. So habe es in der Nacht zum 28. Juli massiven Beschuss von aserbaidschanischer Seite gegeben, dabei seien drei Soldaten getötet und zwei verletzt worden, teilte das armenische Verteidigungsministerium in Jerewan mit. Das Ministerium in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku warf der armenischen Seite Provokationen vor. Zwei aserbaidschanische Soldaten seien verletzt worden.

Seit Mai kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen auf armenischem Territorium, seit Armenien und Aserbaidschan ihren jüngsten Krieg um die Region Bergkarabach am 10. November vergangenen Jahres für beendet erklärt haben. Jerewan behauptet, dass Aserbaidschans Truppen die Staatsgrenze zu Armenien in den Provinzen Sjunik und Gegharkunik überschritten hätten.

Der aser­bai­dschan­ische Staats­präsident İlham Alijew erhebt historischbegründete Gebietsansprüche im armenischen Kernland und erklärt die beiden Gebiete sowie Jerewan zu „historischen aserbaidschanischen Gebiete“ und verspricht seiner Bevölkerung, in ihre „Heimatländern zurückkehren“ zu können.

„Angesichts der aktuellen Lage halte ich es für sinnvoll, über die Stationierung von russischen Grenzschutzpunkten entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze nachzudenken“, sagte Paschinjan bei einer Regierungssitzung letzte Woche. Moskau reagierte nur vage: „Wir sind im Gespräch mit Jerewan“, so Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Hilfe der OSZE gefordert

Moskau hat rund 2.000 Soldaten nach Bergkarabach entsandt, um das unter seiner Vermittlung geschlossene Waffenstillstandsabkommen vom November zu überwachen. Bereits 5.000 russischen Soldaten sind in der armenischen Stadt Gjumri stationiert, wo von der einzigen russischen Militärbasis in der Region aus die westliche Grenze Armeniens zur Türkei überwacht wird. Während des Kriegs um Bergkarabach 2020 griff Russland nicht zugunsten Armeniens ein.

Karte von Aserbaidschan und Armenien

Karte von Aserbaidschan und Armenien Foto: taz

Doch das wäre jetzt möglich, weil die Grenzen der Repu­blik Armenien verletzt wurden. Der Politologe Stepan Grigorjan ist aber gegen eine Verstärkung von russischen Truppen auf dem Territorium Armeniens. Er leitet das Zentrum für Globalisierung und regionale Zusammenarbeit in Jerewan und gilt als Kremlkritiker. Er ist überzeugt, dass Moskau versuche, seine Präsenz in der Region sicherzustellen.

„Russland macht Zugeständnisse an Aserbaidschan, da ein Beitritt Bakus zur Eurasischen Wirtschaftsunion möglich ist und Moskau damit die Kontrolle über beide Länder, sowohl Armenien als auch Aserbaidschan, erlangen will“, so Grigorjan zur taz. Seit 2015 ist Armenien Mitglied in der russisch dominierten Wirtschaftsunion. Dazu gehören noch Belarus, Kasachstan und Kirgisistan.

Er sei skeptisch, ob Russland wirklich Armenien gegen die türkisch-aserbaidschanischen Aggression schützen wolle. Zusammen mit acht anderen Organisationen wendete sich das Zentrum für Globalisierung von Grigorjan an die OSZE, damit diese „eine unbewaffnete, zivile Sonderbeobachtermission nach Armenien entsendet, um eine langfristige, unparteiische und objektive Überwachung der Lage in den Grenzgebieten durchzuführen“.

Grigorjan fügt hinzu: „Wir haben für unsere Zukunft auf Russland gesetzt und jetzt sehen wir, dass Sicherheitssysteme mit Russland in keiner Weise funktionieren.“

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