Eskalation im Südkaukasus: Alijews Appetit kommt beim Essen
Die neueste Eskalation im Südkaukasus kommt nicht überraschend. Denn Aserbaidschans autokratischer Präsident will mehr.
W er geglaubt hatte, dass es keine neuen Kämpfen im Südkaukasus mehr geben würde, sieht sich jetzt eines Besseren belehrt. Die neue Eskalation war absehbar und die Waffen werden solange nicht schweigen, wie es zu keinem wirklichen Friedensvertrag zwischen Armenien und Aserbaidschan kommt.
Mit russischer Vermittlung wurde der 44-tägige Krieg um Bergkarabach am 10. November vergangenen Jahres zwar beendet. Doch das Abkommen zeichnet nur eine Vision, wie die Region nach dem Krieg aussehen könnte. Die mangelnde Klarheit musste dazu führen, dass beide Seiten die Einigung nach eigenen Gutdünken interpretieren.
Das gilt besonders für Aserbaidschans autokratischen Staatspräsidenten Ilham Alijew. Wie heißt es: Der Appetit kommt beim Essen. Und Alijews Hunger ist noch lange nicht gestillt. Ihm reichen die sieben Gebiete um Bergkarabach und Teile dieser von Armenier*innen bewohnten Region nicht. Er will mehr. Das war bereits im Mai zu beobachten, als aserbaidschanische Truppen im Süden auf armenisches Territorium vordrangen.
Dabei geht es nicht nur darum, den Feind weiter zu demütigen. Vielmehr ist jeder Erfolg Alijews an der Front dazu geeignet, von innenpolitischen Problemen abzulenken – in einem Land, in dem schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Kritiker*innen des Regimes an der Tagesordnung sind.
Geostrategischer Machtpoker
Der erneute Ausbruch militärischer Kampfhandlungen hat darüber hinaus einen regionalen Aspekt. Die Türkei, die Aserbaidschan im Krieg 2020 militärisch unterstützt hatte, ist dabei, sich als wichtiger Player im Südkaukasus zu etablieren. Das erklärt auch die relative Zurückhaltung Russlands, vorgeblich die Schutzmacht Armeniens. Eine Konfrontation mit Ankara kann Moskau jetzt nicht gebrauchen – Syrien lässt grüßen.
Angesichts des geostrategischen Machtpokers gerät aus dem Blick, dass diese Woche wieder Menschen gestorben sind. Vor allem Zivilisten im Süden Armeniens leiden und fürchten um ihr Leben. Das ist die eigentliche Tragödie.
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