Nach den Vorwahlen in Argentinien: Javier Milei ist Überraschungssieger
Der rechtskonservative Neuling Javier Milei wurde der beliebteste Präsidentschaftskandidat bei der Vorwahl in Argentinien. Im Oktober steht die Wahl an.
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Der 52-Jährige stand Anfang der 1990er Jahre als Musiker einer Band auf der Bühne, die Rolling-Stones-Titel coverte. Jetzt rockt Milei das Publikum mit seinen politischen Auftritten – und bekommt mehr Zuspruch als früher mit der Gitarre. Statt Buchhalter zu werden, wie es sein Vater wollte, studierte er Wirtschaftswissenschaft. Als Ökonom tingelte er durch TV-Talkshows, die ihn einluden – und das waren viele. Seine stets aggressiven bis cholerischen Auftritte versprachen beim trockenen Thema Wirtschaft beste Unterhaltung und Quote.
Milei ist ein ausgezeichneter Kenner seines Faches, argumentativ äußerst schlagfertig und in seinen Abrechnungen gnadenlos und oft beleidigend. Dabei ist er weder ein klassischer Liberaler noch ein neoliberaler Wirtschaftswissenschaftler. Er ist ein Libertärer – eine Unterscheidung, die oft nicht wahrgenommen oder verstanden wird. Milei beruft sich auf die österreichische Schule der Nationalökonomie. Doch sein Idol ist der US-Amerikaner Murray Rothbard, der Mitte des vorigen Jahrhunderts den Begriff des Anarchokapitalismus prägte. Rothbard vertrat einen freien Marktkapitalismus, in dem das Recht auf Privateigentum ein Naturrecht ist und der staatliche Regulierungen als legalisierte Form von Diebstahl versteht.
Beliebtester Kandidat in 16 der 23 Provinzen im Land
Im Juli 2021 gründete Milei La Libertad Avanza, ein Bündnis aus libertären und rechtskonservativen Gruppierungen, das vier Monate später in Buenos Aires drittstärkste Kraft wurde. Der Erfolg beschränkte sich damals noch auf die Hauptstadt. Dass er jetzt in 16 der 23 Provinzen die meisten Stimmen bekommen hat, unterstreicht seine guten Chancen, in eine Stichwahl einzuziehen. Der Wahlausgang der Vorwahl lässt den Schluss zu, dass keine*r der Kandidat*innen im Herbst im ersten Wahlgang die notwendige Mehrheit auf sich vereinen wird.
Danach gefragt, was Milei in den ersten 100 Tagen einer möglichen Amtszeit als Präsident machen würde, nannte er als Erstes die Abschaffung der Zentralbank. Deren Politik des Gelddruckens sei die Ursache der hohen Inflationsrate, die 2023 voraussichtlich über der 120-Prozent-Marke liegen wird.
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