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Nach dem Massaker in Las VegasDas Geschäft nach dem Morden

Nach dem Massaker von Las Vegas werden die Waffenverkäufe in den USA steigen. Schuld daran sind weit verbreitete Mythen über Selbstschutz.

Massaker sind Boomzeiten für den Waffenhandel in den USA Foto: dpa

Berlin taz | Es ist immer dasselbe. Nach dem Amoklauf an der Columbine 1999, nach dem Angriff auf eine Grundschule in Sandy Hook 2012, nach dem Angriff auf eine Gay-Bar in Orlando im vergangenen Jahr: Zuverlässig steigen nach Massakern in den USA die Waffenverkäufe. Eine Grafik von Bloomberg zeigt, wie die Verkaufszahlen nach jedem Ereignis in die Höhe schießen.

Am Sonntagabend hatte ein 64-Jähriger aus einem Hotelzimmer ein Konzert mit 22.000 Zuschauern in Las Vegas beschossen. Dabei tötete er 59 Menschen und verletzte weit mehr als 500. Kurz darauf kamen die nachgelagerten Skandalmeldungen: Die Aktienkurse der Waffenhersteller steigen nach dem Ereignis. Die Anleger rechneten offenbar damit, dass die Menschen in den USA nun noch mehr Waffen kaufen.

Das mag kontraintuitiv klingen, aber es stimmt. Erst im Mai stellten Forscher eine Studie vor, in der sie die Waffenverkäufe nach solchen Massakern in Kalifornien untersuchten. Der US-Staat ist ein besonders dankbarer Ort für eine solche Studie, weil Waffenverkäufe dort besonders gut dokumentiert werden. Zugleich liefert die Studie deshalb auch einen konservativen Blick auf das Phänomen, denn dort sind die Hürden für Waffenkäufer besonders hoch.

Und dennoch: Die Studie fand heraus, dass nach dem Massaker in Sandy Hook die Waffenverkäufe um 53 Prozent stiegen. Nach dem Massaker 2015 in San Bernardino stiegen sie um 41 Prozent. Offenbar hatte auch die Nähe zum Ereignis eine Auswirkung: In San Bernardino stiegen die Käufe um 85 Prozent. Der Anstieg war vor allem bei Weißen und Hispanics beobachtbar, und bei Frauen und Menschen, die noch keine Waffe besaßen. Die Studien-Autoren gehen deshalb davon aus, dass Selbstschutz eine wichtige Motivation für die Käufe ist.

Auch das ist nicht überraschend, denn zuverlässig nach solchen Ereignissen behauptet die mächtige Waffenbesitzerlobby NRA, dass nur „ein Good Guy“ mit einer Waffe die bewaffneten Bösewichte aufhalten könne. „Die Forschung besagt das Gegenteil,“ sagte Garen Wintemute, Leiter der Gewaltpräventions-Abteilung an der UC Davis, der Los Angeles Times. Höhere Waffenbesitzquoten führten zu höheren Suizidrisiken und höheren Todesrisiken bei häuslicher Gewalt. Dem gegenüber steht, dass 60 Prozent aller US-Amerikaner glauben, Waffen machten eine Wohnung sicherer.

Waffenhändler lagern absichtlich mehr Waffen

Eine zweite mögliche Motivation ist, dass nach Massakern Waffenbesitzer Angst vor schärferen Waffengesetzen haben. So zeigt die Bloomberg-Analyse auch, dass Waffenkäufe nach Gesetzesverschärfungen steigen und dass während der Amtszeit von Barack Obama, einem Befürworter von Waffenkontrollen, mehr Schusswaffen verkauft wurden und die Verkäufe mit dem Beginn der Amtszeit von Donald Trump wieder sanken.

Der Waffenlobby ist – wie auch den Aktienhändlern – das Phänomen bekannt und wird von ihnen immer wieder als „lukrativ“ bezeichnet, wie The Intercept berichtet. Bei einer Investorenkonferenz gab der Chef eines Waffenhändlers sogar damit an, dass seine Firma 2012 „absichtlich“ mehr auf Lager gehabt habe, in der Hoffnung, dass Barack Obamas Wiederwahl zu höheren Verkäufen führen werde. Als dann nach der Wahl das Massaker in Sandy Hook passierte, „gingen die Geschäfte steil … ich meine, sie waren einfach verrückt“.

Weil es in den USA so viele verschiedene Gesetze und Zuständigkeiten gibt, gibt es keine sicheren Erkenntnisse darüber, wieviele Menschen dort wie viele Waffen haben. Umfragen zufolge leben etwa 34 Prozent aller US-Bürger in einem Haushalt mit Waffen und landesweit gibt es rund 300 Millionen Waffen in Privatbesitz. Rund 10.000 Menschen werden jährlich durch Waffen getötet, weit mehr als in allen anderen wohlhabenden europäischen oder nordamerikanischen Ländern.

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6 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wenn da der Staat zusammenbricht, ist Endzeit angesagt. Jeder gegen Jeden.

  • 8G
    82278 (Profil gelöscht)

    Wenn laxe Waffengesetze zu mehr Gewalttaten mit Waffen führen, warum gibt es dann keinen Unterschied in diesem Punkt zwischen Österreich oder der Schweiz (rel. freier Waffenbesitz) und Deutschland (streng regulierter Waffenbesitz)?

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @82278 (Profil gelöscht):

      Werden in der Schweiz und in Österreich Maschinengewehre frei verkauft?

       

      Wenn sich meine sächsischen Nazi-Nachbarn alle bis an die Zähne bewaffnen, wer beschützt mich dann, wenn sie ihre Drohungen wahr machen, was nur eine Frage der Zeit ist. Der Innenminister gibt ihnen da ja immer mehr Mittel in die Hand für ihre "Endlösung".

       

      Letztes Jahr im Januar sind mehr als 215 proto-SA-Kämpfer durch die Leipziger Straße gezogen, die der kleiner Nebenstraße am nächsten ist, in der ich wohne. Direkt um die Ecke haben sie die Läden und Kneipen angegriffen, in denen auch Leute waren zu dem Zeitpunkt und sie haben alle Menschen angegriffen, die nicht schnell genug sich in Sicherheit gebracht haben.

       

      Erst vor ein paar Wochen hatte ich wieder Angst, vor die Tür zu gehen, weil Nazis durch's Viertel gefahren sind und selbstgebaute Sprengkörper rumgeworfen haben. Die hat die Polizei noch nicht mal als Beweismittel gesichert.

       

      Jede Waffe, die hier in Sachsen im Umlauf ist, ist eine zuviel!

      Sachsen entwaffnen!

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Hört sich an, als wäre Ihnen (allen Ernstes) dringend anzuraten sich ins Exil zu begeben.

        Also ich würde nirgendwo wohnen bleiben, wo ich mich nicht auch sicher fühlen könnte. Sowas macht doch auf Dauer krank, ist unzumutbar!

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Was Sie meinen sind keine Maschinengewehre, sondern Sturmgewehre. Der Verkauf von vollautomatischen Waffen ist auch in den USA stark reguliert. Teilweise kann man semiautomatische Waffen zu quasi vollautomatischen Umbauen. Dafür gibt es fertige Sets. Einen solchen Umbau hat wohl auch der Schütze in Vegas an zumindest einer Waffe vorgenommen.

         

        Ich kann zwar Ihre skeptische Haltung zum Thema gut nachvollziehen, allerdings wären Ihre Gedanken dazu sicher etwas anders, wenn Waffen relativ frei verfügbar wären. Wenn es die Möglichkeit zum Waffenkauf gibt dann stellt man sich natürlich nach solchen Ereignissen der Frage ob man nicht selber auch eine Waffe haben sollte. So kann es dann leicht zu einer Art "Wettrüsten" kommen.

         

        Dennoch sehe ich auch den Punkt Ihres Vorredners. In der Schweiz, Tschechien, Österreich und anderen Ländern in denen es eine lange Tradition des Waffenbesitzes gibt zeigen sich in der Zahl der Toten durch Schusswaffen keine nennenswerten Unterschiede zu z.B. Deutschland.

        Auf der anderen Seite gibt es in Ländern, wie z.B. Brasilien sehr viele Tote durch Schusswaffen, trotz strikter Regulierungen. Die Formel keine legalen Waffen = keine Waffengewalt ist also viel zu einfach gedacht.

         

        Selbst wenn es in den USA striktere Waffengesetze geben würde dann würde es Jahrzehnte dauern bis diese wirklich greifen, denn es kommt wohl bald auf jeden Einwohner der USA eine Schusswaffe. Die aus dem Verkehr zu ziehen wird dauern. Dazu kommt das es in den USA natürlich deutlich mehr Probleme mit organisierter Kriminalität gibt als in anderen Ländern.

        Das man so lange durchhält wage ich zu bezweifeln. Die meisten Menschen regen sich ja schon nach wenigen Monaten darüber auf das Sparprogramme noch keine Wirkung zeigen, obwohl glasklar ist das diese erst nach einigen Jahren die erwünschte Wirkung zeigen. Versuchen Sie das gleich mal, mit einer Laufzeit von mehreren Jahrzehnten,... viel Spaß!

  • Gerade diese Art von Morden - von unvorhersehbaren Standorten aus in eine anonyme Menschenmenge - sind es doch, die die Leute ängstigen. In ihren verborgenen hintersten Winkeln dürften sie wissen, dass man dem nicht mit eigenen Waffen begegnen kann. Und das wiederum steigert die Ängste, die dann in den Kauf einer Waffe münden.Und sie ignorieren damit, dass sie nicht ihre Angst verkleinern sondern das Risiko für sich und die anderen incl. Unbewaffneter wie Senioren, Behinderte und Kinder, vergrößern. Es wäre besser sie lernten mit dem Risiko zu leben und verkleinerten es durch Waffenverzicht...

     

    Aber dieser naive Glaube an den Schutz durch Waffenbesitz scheint unausrottbar, zumal er das trügerische Gefühl von Stärke zu vermitteln vermag.