Nach dem G7-Gipfel: Zusammenrücken für die Ukraine
Angesichts des russischen Angriffskrieg bemüht sich der Westen um Einigkeit – und versucht, wichtige Schwellenländer mit ins Boot zu holen.

Es war sein Auftritt auf der Weltbühne. Er stand immer in der Mitte, meist mit dem US-amerikanischen Präsidenten zur Linken und dem französischen zur Rechten, er durfte stets als Erster sprechen, er war der Hausherr. Am letzten Tag des G7-Gipfels im bayerischen Elmau hatte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz diese Bühne noch einmal für sich. Elmau sei gut gewesen für die G7, so Scholz, das Schloss im Rücken, in dem er und die Staatschefs der USA, Kanada, Frankreichs, Italiens, Großbritanniens und Japans samt Entourage genächtigt und diskutiert hatten. „Es ist großes Vertrauen untereinander entstanden“, sagte Scholz und sah dabei wie der erschöpfte Leiter eines Jugendcamps aus.
Dem Bundeskanzler war im Hinblick auf den Ukrainekrieg oft eine zu abwartende Politik vorgeworfen worden. Da Deutschland turnusmäßig die Präsidentschaft der G7 innehat, hatte Scholz also nun drei Tage lang Gelegenheit, sich als führungsstark zu präsentieren.„Es gibt kein Zurück in die Zeit vor dem russischen Überfall“, sagte Scholz zum Abschluss des Treffens in Bezug auf den Krieg. „Vor uns liegt eine Zeit der Unsicherheit.“ Umso wichtiger seien Geschlossenheit und Entschlossenheit.
Und tatsächlich sind die G7 seit dem 24. Februar zusammengerückt; Elmau hat dieses Teambuilding befördert. In der Abschlusserklärung der G7 heißt es unter anderem: „Wir sind bereit, uns gemeinsam mit interessierten Ländern und Institutionen sowie der Ukraine auf langfristige Sicherheitszusagen zu verständigen.“ Auf die Frage, ob er verraten könnte, welche Sicherheitszusagen gemeint seien, antwortet Scholz lediglich mit einem verschmitzten „Ja, könnte ich.“ Wollte er aber nicht. Trotzdem kann man es als Hinweis deuten, dass die G7 bereit sind, eine Art Schutzmacht für die Ukraine zu werden.
Am Sonntag hatten alle sieben Länder der Ukraine zugesagt, ihr finanziell, humanitär, militärisch und diplomatisch zur Seite zu stehen, so lange es nötig ist. Also auch mit weiteren Waffenlieferungen. Auch die Sanktionen bleiben in Kraft, und zwar so lange, bis „Putin akzeptiert, dass sein Vorhaben nicht gelingt“, so Scholz zum Abschluss des Gipfels. Wie zur Bestätigung grollte von den Bergen der Donner.
Neue Länder zu Gast
Wobei es da noch Redebedarf unter den G7 gibt. Der US-amerikanische Präsident Joe Biden hat vorgeschlagen, Preisobergrenzen für Gas und Öl einzuführen, damit die Sanktionen auch wirken. Denn obwohl Russland weniger Öl verkauft, nimmt es wegen der gestiegenen Weltmarktpreise mehr ein. Ziel sei es, so der Pressesprecher des Weißen Hauses, Putins Haupteinnahmequelle zum Versiegen zu bringen. Scholz dämpfte die Erwartungen: Obergrenzen seien ein sehr ambitioniertes Vorhaben, deren Umsetzung noch viel Arbeit erfordere.
Deutschland hatte gezielt fünf weitere Länder eingeladen: Indien, bevölkerungsreichstes demokratisch verfasstes Land in Asien, Indonesien, das in diesem Jahr den G20-Gipfel ausrichtet, Senegal, welches den Vorsitz der afrikanischen Union inne hat, sowie Südafrika und Argentinien. Nicht alle Länder tragen die Sanktionen gegen Russland mit. Dennoch betonte Scholz zum Abschluss: „Es ist gut, dass wir nicht unter uns geblieben sind.“
Bundeskanzler Olaf Scholz
Dass es gelingen würde, die Schwellenländer auf Elmau zu einem schärferen Kurs gegenüber Russland zu bewegen, war Wunschdenken. Im Globalen Süden ist man der Ansicht: Das ist das Problem des Westens. Die Nachfolgestaaten des ehemaligen britischen Empire, darunter Indien und Südafrika, trafen sich in der Woche zuvor zum Gipfel in Ruanda, in ihrer Abschlusserklärung tauchte das Wort Ukraine an gerade mal zwei Stellen auf – im Zusammenhang mit Ernährungssicherheit und internationalem Recht. Russland wurde gar nicht erwähnt.
Statt mit moralischen Appellen, versucht der Westen es nun mit ökonomischen Offerten. Der US-amerikanische Präsident Joe Biden hatte ein 600 Milliarden schweres Projekt mit nach Elmau gebracht, mit dem Infrastrukturmaßnahmen in Schwellen- und Entwicklungsländern über fünf Jahre privat und öffentlich finanziert werden sollen. Eine Kopie der chinesischen Seidenstraße nur in „gut“. Man wolle Länder nicht in die Verschuldung treiben, so Biden.
Halbherzige Bekenntnisse zum Klima
Wobei die G7 den Wünschen der Schwellenländer auch auf maßgebliches Betreiben Deutschlands in einem weiteren Punkt entgegengekommen sind: Sie wollen ihnen beim Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch bei der Erschließung neuer Gasvorkommen finanziell behilflich sein. Damit brechen sie mit ihrer erst im Mai erneuerten Selbstverpflichtung, sich nicht mehr an der Erschließung neuer Gasvorkommen im Ausland zu beteiligen. Scholz beteuerte zwar: Man sei sich einig, wo die Zukunft liege. „Nämlich nicht beim Gas.“
Doch das erscheint angesichts des Beschlusses nur ein halbherziges Bekenntnis zu sein. Auf den Klimaclub, den der Kanzler anregte, haben sich die G7 zwar geeinigt. Er soll bis Ende des Jahres gegründet werden. Der Club verpflichtet alle Mitglieder auf harte Ziele für den Klimaschutz und soll ihnen im Gegenzug Wettbewerbsvorteile gewähren. Eine schöne Idee, ob sie funktioniert, bleibt offen.
Als Weltenlenkerin und Klimakanzlerin, als die sich Vorgängerin Angela Merkel vor sieben Jahren in Elmau präsentierte, wird man Olaf Scholz nach dem Revival vielleicht nicht in Erinnerung behalten. Aber immerhin als jemanden, der in diesen unruhigen Zeiten den Laden zusammenhalten kann.
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