Nach dem Anschlag in Berlin: Die Sicherheitsdebatte wird schärfer
Niemand sollte versuchen, die Tat für eigene politische Zwecke zu instrumentalisieren, sagt der Justizminister. Und was geschieht?
Nach der Tat am Breitscheidplatz konnten die Ermittler nicht auf Überwachungsaufnahmen zurückgreifen, um den Täter zu identifizieren und nach ihm zu fahnden. Öffentliche Videokameras sind am Tatort nicht installiert. Dies entspricht der Berliner Linie: Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Bayern setzt die Hauptstadt auf öffentlichen Plätzen in der Regel keine fest installierten Kameras ein. Im Koalitionsvertrag des neuen rot-rot-grünen Senats ist nicht vorgesehen, die Videoüberwachung auszuweiten. Auch nach der Tat vom Montag haben die Koalitionsspitzen ihre Haltung nicht geändert.
Eine Entscheidung des Bundeskabinetts vom Mittwoch wirkt sich ebenfalls nicht direkt aus: Die Regierung einigte sich am Vormittag darauf, einen schon länger geplanten Gesetzentwurf zur Videoüberwachung in den Bundestag einzubringen. Allerdings geht es dabei nicht um von der Polizei installierte Kameras auf großen Plätzen, sondern um private Kameras in öffentlich zugänglichen Räumen wie Einkaufszentren, Sportstadien oder U-Bahnhöfen.
Will der Betreiber in solchen Räumen Videoüberwachung einsetzen, muss er seine Pläne erst von der Datenschutzbehörde des jeweiligen Bundeslands prüfen lassen. Bislang haben diese Behörden immer wieder restriktiv entschieden. In Zukunft sind sie durch das neue Gesetz dazu gezwungen, bei ihren Abwägungen den „Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit“ stärker zu berücksichtigen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte diese Neuerung im Sommer – infolge von Attentaten, Anschlagsversuchen und Amokläufen – initiiert. Sie ist Teil eines größeren Pakets, das das Kabinett am Mittwoch abnickte. Vorgesehen ist darin, auch den Einsatz anderer Techniken zu erleichtern – darunter Verkehrskameras mit automatischer Kennzeichenerkennung und Körperkameras als Teil von Polizeiuniformen.
CDU und CSU fordern Gesetzesverschärfungen
Politikern aus CDU und CSU reicht dieses Paket aber schon jetzt nicht mehr aus, sie fordern weitere Gesetzesverschärfungen. Schon kurz nach dem Berliner Anschlag hatte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) eine Neujustierung der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik gefordert. Dies sei man den Opfern schuldig. Laut wird in der CSU auch die Forderung nach einem verstärkten Einsatz der Bundeswehr im Innern.
Auch der CDU-Mann Klaus Bouillon, Innenminister im Saarland und Vorsitzender der Innenministerkonferenz, forderte bereits vor der Identifizierung des Täters neue Maßnahmen: Flüchtlinge sollten künftig ihren Asylanspruch verlieren, wenn sie nicht an der Feststellung ihrer Identität mitwirkten. Es gebe immer noch zu viele Flüchtlinge, deren Personalien unklar seien. Bei Ermittlungen sollten zudem Hürden für die Telefon- und Internetüberwachung fallen.
Irene Mihalic, Grüne Innenexpertin
Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke sprach dagegen von „unsinnigen Scharfmacherfordungen“. Flüchtlinge „unter Generalverdacht“ zu stellen, sei „pietätlos und brandgefährlich“. Man dürfe Ermittlungsergebnisse nicht vorwegnehmen.
Auch die SPD gab sich zunächst zurückhaltend. Ihr Innenexperte Burkhard Lischka unterstützte nur den Vorstoß, Großveranstaltungen besser zu schützen, etwa mit Betonblöcken. Für weitere Maßnahmen müsse man warten, bis das Täterprofil klar sei. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mahnte Besonnenheit an. Niemand sollte versuchen, den Anschlag für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. „Wer es dennoch tut, entlarvt sich selbst als verantwortungslos.“
Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic sprach von „reißerischen Forderungen“. „Eine Militarisierung der Innenpolitik lehnen wir aufs Schärfste ab.“ Auch die Debatte um mehr Videoüberwachung sei „ein symbolpolitischer Ladenhüter“. So habe es am Kölner Hauptbahnhof in der letzten Silvesternacht mehr als 100 Kameras gegeben: Die dortigen Taten habe dies weder verhindert noch aufgeklärt.
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