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Nach Treffen mit Ryan-Air-ChefBrüssel schützt Billigflieger, nicht Kunden

Spanien hat Fluglinien Extra-Gebühren beim Handgepäck verboten. Die EU-Kommission leitet deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren ein.

Madrid, 11. Februar: Ryanair-Chef Michael O'Leary gibt eine Pressekonferenz um über die aktuelle Lage zum Handgepäck zu sprechen Foto: Eduardo Parra/Europa Press/imago

Madrid taz | „Unternehmerische Freiheit“ ist der EU-Kommission bei der Preisgestaltung wichtiger als Verbraucherschutz. Deshalb stört sie das spanische Luftfahrtgesetz, das es Billigfliegern untersagt, einen Aufpreis für Handgepäck zu erheben.

„Es behindert die Preisfreiheit der Fluggesellschaften und schränkt sie ein, zwischen einem Service mit Anspruch auf mehr Handgepäck und einem Service ohne diese Option zu unterscheiden“, heißt es in einer Erklärung der Brüsseler Behörde. Am Mittwoch leitete sie deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Madrid vor. Wie um den Druck auf die spanische Regierung zu erhöhen, kündigte Ryanair am selben Tag an, Flüge mit etwa 1,2 Millionen Reisenden nach Spanien zu streichen.

Das Verfahren stellt einen schweren Rückschlag für den spanischen Minister für soziale Rechte, Konsum und Agenda 2030, Pablo Bustinduy, dar. Sein Ministerium hatte im November 2024 eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 179 Millionen Euro gegen fünf Fluggesellschaften verhängt, weil diese trotz der spanischen Gesetzeslage Gebühren für Handgepäck erhoben hatten. Betroffen waren Ryanair, Vueling, Easyjet, Norwegian sowie Volotea.

Allein Ryanair musste 107,7 Millionen Euro zahlen. Die Billigfluggesellschaft machte daraufhin Druck auf Brüssel. Ryanair-Chef Michael O'Leary traf sich mit dem EU-Kommissar für nachhaltigen Transport und Tourismus, Apostolos Tzitzikostas noch bevor er sich mit Bustinduy zusammensetzte.

Erfolgreiche Lobbyarbeit?

Nach einer Videokonferenz mit dem griechischen Konservativen zeigte sich der linksalternative spanische Politiker überrascht über „gewisse Ähnlichkeiten zwischen den Argumenten des Kommissars und der allgemeinen Linie von Ryanair“.

Brüssel setzt Bustinduy eine zweimonatige Frist, um die nationale spanische Luftfahrtgesetzgebung und „die Freiheit der Preisgestaltung“ der Fluggesellschaften in Einklang zu bringen. Sollte der Minister sich weigern, kann Brüssel den Fall vor den Gerichtshof der Europäischen Union bringen.

Bustinduy reagierte verärgert: Es sei „bedauerlich“, dass die Europäische Kommission beschlossen habe, sich „offen als Verteidigerin“ multinationaler Unternehmen zu positionieren, sagte der Verbraucherminister. Kommissar Tzitzikostas habe nicht nur ihn selbst erst spät befragt, sondern auch die europäischen Verbraucherschutzorganisationen ignoriert. „Mit ihnen hat er sich nicht einmal getroffen“, erklärt Bustinduy.

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10 Kommentare

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  • Also man kann Ryanair ja viel vorwerfen - aber Intransparenz ?



    Beim Buchen werden einem 27 Optionen angeboten - kleines Gepäck, großes Gepäck, Prio Boarding, Sitzplatzwahl, Frühstück und was noch alles. Man muss das aktiv weg klicken, sonst kommt man nicht weiter. Ja, kostet alles extra und auch für Selbstverständlichkeiten, wie nebeneinander zu sitzen, muss man bezahlen. Da jetzt aber von Täuschung oder gar Betrug zu sprechen geht zu weit.



    Weiterhin gibt es keine Pflicht zu Fliegen, auch nicht mit Ryanair.

  • Die eigentliche Pointe: fürs Billigfliegen ist der Kommissar für nachhaltigen Transport zuständig.

  • Nebenbei: Fliegen ist kein Grundrecht und viel zu bezuschusst angesichts seiner externen Kosten.

    Wir brauchen natürlich auch keine nationale Regierung, die den Wettbewerb dämpft. Aber sicher keine weitere Einschränkung des Politischen für Konzerninteressen. Sonst öffnen wir Populisten die Tore.

  • Sind Reisende eigentlich nicht in der Lage, zu lesen? Wer Online bucht, bekommt mitgeteilt, ob und wie viel Handgepäck im Tarif enthalten ist. Wer einen Koffer hat, zahlt extra. Da braucht es doch keine gesetzlichen Regelungen!



    Wieder ein Schritt weiter in den Nanny-Staat.



    PS. Billigfliegen ist kein Grundrecht....

    • @Sandra Becker:

      Nein, nicht Nanny Staat und auch wenn Billigfliegen kein Grundrecht ist, aber der Staat muss !!! gegen Abzocke, extrem unfaires Handeln energisch vorgehen. Darum geht es. Und es ist eben NICHT so, dass der Passagier alle solch versteckten Kosten im Voraus erfahren kann - darin besteht die Betrugsmasche der "Billig"flieger die dann erpresserisch am Check-In Schalter ausgenutzt wird. So ist das. Ich habe mein Berufsleben lang an genau dieser Stelle gearbeitet und weiß wovon ich rede.

  • Weiterer Grund der spanischen Klage gegen Billigflieger war: Kinder und ihre Eltern, Behinderte und ihre Helfer usw. müssen ohne Aufpreis zahlen zu müssen, nebeneinander im Flieger sitzen können. Auch das ist gesetzlich vorgeschrieben.

  • Wenn ein Flugticket München-London für 59 Euro verkauft und dann für die Tasche beim Checkin 70 Euro verlangt werden (wie vor ca. 10 Jahren passiert) empfinde ich das als irreführend. Zumindest. Und ja, man hätte das vorher eroieren können. Macht halt kaum jemand, weil man mit einer derartigen Diskrepanz nicht rechnet.

  • Ich verstehe nicht, wo da Interessen multinationalen Konzerne gegen die von Verbrauchern geschützt werden sollten. Erstens ist Billigfliegen kein Grundbedürfnis wie Wohnen, Bildung oder Essen. Das ist ein Luxus, bei man entscheiden kann, ob man den kaufen will oder nicht. Wenn ich die Leistung buchen möchte ohne Gepäck, warum sollte ich das als Kunde nicht tun dürfen? Wichtig ist Transparenz, jederzeit muss ersichtlich sein, was ich für welchen Preis bekomme oder nicht. Wenn die gewährleistet ist und ich nicht mit Lockangeboten zu einem Kauf überredet werde, der sich hinterher als viel teurer herausstellt, dann ist der günstige Flug mit kleine Gepäck sogar ein Mehrwert für mich als Kunden. Bei der Bahn bezahle ich ohne Sitzplatzgarantie und in Zügen zu festen, unattraktiven Zeiten auch viel weniger als den komfortablen Flexipreis mit Platzkarte.

    • @fleischsalat:

      Was jederzeit ersichtlich ist und was nicht, darüber gehen die Ansichten bei Anbietern und Nachfragern regelmäßig auseinander. Die Frage ist dann eben doch, wessen Interesse man höher gewichtet.



      Nicht, als lägen mir die Interessen der Kunden von Billigfluglinien besonders am Herzen - aber wenn sich der Anspruch an Transparenz als ewiges Katz-und-Maus-Spiel herausstellt, kann es durchaus im Interesse der Verbraucher sein, dem auf allgemeiner Ebene einen Riegel vorzuschieben.

    • @fleischsalat:

      einfach , weil gepäck zur grundausstattung von reisenden gehört.



      nach ihrer logik kann ryanair auch die flüge an menschen verkaufen, die nur in unterwäsche reisen. für alle, die kleidung tragen, kostet es eben extra.