Nach Sturz des Assad-Regimes: Brüssel will nicht handeln
Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien finden die EU-Mitgliedsstaaten keine gemeinsame außenpolitische Linie. Im EU-Parlament führt dies zu Unmut.
Es werde nun ein „geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm nach Syrien ausgearbeitet“, erklärte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer. „Zudem werden bereits gewährte Bleiberechte überprüft.“ Österreich prescht mit dieser Entscheidung auf EU-Ebene vor. Die schwarz-grüne Übergangsregierung in Wien hat ihr Vorgehen offenbar nicht mit anderen Mitgliedsländern abgestimmt.
Deutschland, Schweden, Norwegen und Dänemark hatten am vergangenen Montag lediglich angekündigt, ihre Entscheidungen zu Asylanträgen und Abschiebungen vorerst auszusetzen. Frankreich wollte nachziehen. In Deutschland leben im EU-Vergleich mit fast einer Million Menschen die meisten syrischen Flüchtlinge. Auf Platz zwei liegt Schweden. Die meisten Syrer waren 2015 und 2016 in die EU geflüchtet.
Ähnlich wie damals, während der ersten großen Flüchtlingskrise, tut sich Brüssel auch diesmal wieder schwer. Der neue EU-Innenkommissar Magnus Brunner nannte die Aussetzung von Asylentscheidungen „durchaus akzeptabel“. Dies sei „eine normale Vorgehensweise“, erklärte der konservative Österreicher. Allerdings legte er keinen Vorschlag für ein EU-weit koordiniertes Vorgehen vor.
Aktive Außenpolitik bleibt aus
Auch die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hat keinen Plan. Bei einer Anhörung im Europaparlament zur Lage in Syrien erklärte sie lediglich, dass die EU auf einen friedlichen Übergang hoffe. Während des Umsturzes hatte sie tagelang geschwiegen. Danach hatte sie den Sturz des Assad-Regimes begrüßt. Er sei ein Zeichen der Schwäche Russlands und Irans. Wie es weitergeht, sagte sie nicht.
Im Europaparlament führt dies zu Unmut. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei der Nominierung ihres neuen Teams eine aktivere und kohärentere Außenpolitik angekündigt. Auch in der Migrationspolitik hatte die CDU-Politikerin mehr Engagement versprochen. Doch bei der ersten großen außenpolitischen Krise ist davon nichts zu sehen – im Gegenteil: Die EU wirkt wie gelähmt.
Die wichtigsten EU-Kommissar*innen
„Sollte man nicht schneller sein?“, fragte die liberale Belgierin Hilde Vautmans bei der Parlamentsdebatte. „Sollten Sie nicht nach Damaskus reisen, einen Dialog starten“, fragte sie Kallas. Doch die neue Außenvertreterin aus Estland, die sich vor allem für die Ukraine und Russland interessiert, wiegelte ab. Die EU könne „zusammen mit unseren Regionalpartnern“ mehr erreichen, als wenn sie in hektischen Aktionismus verfalle.
Auch beim Treffen der Innenminister sind keine Taten zu erwarten. Die Lage in Syrien wird nur beim Mittagessen besprochen, Beschlüsse sind nicht geplant. Bundesinnenministerin Nancy Faeser und ihre Amtskollegen wollen sich vor allem mit dem neuen EU-Migrationspakt und der Lage im Schengenraum befassen.
EU-Kommission will Asylregeln lockern
Allerdings zeichnen sich auch dort keine Fortschritte ab. Faeser will die deutschen Grenzkontrollen verlängern – trotz Protesten aus Luxemburg und anderen Anrainerstaaten.
Derweil kündigte die EU-Kommission an, dass die strengen Asylregeln für Polen, Finnland und andere osteuropäische EU-Länder gelockert werden sollen. Sie dürfen künftig das Asylrecht einschränken, wenn Russland oder Belarus Migranten als „Waffe“ einsetzt. Polens liberalkonservativer Premier Donald Tusk hatte bereits im Oktober angekündigt, das Asylrecht in Polen aufheben zu wollen.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) werfen Polen vor, Menschen gewaltsam über die Grenze nach Belarus zurückzudrängen. Diese illegalen „Pushbacks“ könnten nun mit gelockerten Regelungen erleichtert werden.
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