piwik no script img

Nach Rede von Frankreichs PräsidentEine afrikanische Geschichtslektion für Macron

Der französische Präsident Macron wirft afrikanischen Staaten, aus denen Frankreichs Militär abzieht, „Undankbarkeit“ vor. Die Reaktionen sind scharf.

Emmanuel Macron bei seiner Rede vor französischen Diplomaten, 6. Januar Foto: Aurelien Morissard via reuters Pool

Dakar taz | Frankreichs Soldaten sollen raus. Nach Mali, Burkina Faso und Niger haben auch Tschad, Senegal und die Elfenbeinküste nachgezogen. Letztere übermittelten den Beschluss per Neujahrsgruß. Weder Frankreichs Unterstützung noch Einfluss sind mehr gewünscht.

Ein Thema, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei der jährlichen Botschafterkonferenz im Élysée-Palast am 6. Januar sichtlich wurmte. Es war ihm in seiner Rede sehr daran gelegen, klarzustellen, dass es sich in Bezug auf Frankreichs Afrikapolitik nicht um einen „Rauswurf“ handle, sondern um eine „Neuorganisation“. Der Abzug sei das Ergebnis von Vereinbarungen mit den afrikanischen Führern. „Da wir sehr höflich sind, haben wir ihnen den Vorrang bei der Ankündigung überlassen“, so Macron weiter.

Nach Jahren des militärischen Engagements gegen den Terrorismus hätten Afrikas Machthaber wohl schlicht „vergessen, sich zu bedanken“, schlug der Präsident sarkastische Töne an und setzte noch hinterher: „Kein afrikanisches Land wäre heute souverän, wenn Frankreich sich nicht eingesetzt hätte.“

„Völlig falsch“, sagt Senegals Premierminister Sonko

Die Reaktionen kamen postwendend. In einer Rede forderte Tschads Minister Aziz Mahamat Saleh Respekt vor den „Entscheidungen und der souveränen Politik des tschadischen Volkes“.

Als „völlig falsch“ bezeichnete Senegals Premierminister Ousmane Sonko die Aussagen Macrons zum „höflichen Vortritt“. „Es gab bislang keinerlei Gespräche oder Verhandlungen, und die Entscheidung Senegals beruht allein auf seinem Willen als freies, unabhängiges und souveränes Land“, sagte er.

Frankreich, so Sonko, habe weder die Fähigkeit noch die Legitimität, Afrikas Sicherheit und Souveränität zu gewährleisten. „Im Gegenteil, es hat oft dazu beigetragen, bestimmte afrikanische Länder wie Libyen zu destabilisieren, mit verheerenden Folgen für die Stabilität und Sicherheit der Sahelzone“, schoss der Senegalese weiter.

Und weiter: „Es ist an dieser Stelle an der Zeit, Präsident Macron daran zu erinnern, dass Frankreich heute vielleicht immer noch deutsch wäre, wenn die afrikanischen Soldaten, die manchmal zwangsmobilisiert, misshandelt und schließlich verraten wurden, im Zweiten Weltkrieg nicht zur Verteidigung Frankreichs eingesetzt worden wären.“

Das ist Salz in offene Wunden. Am 1. Dezember noch hatte Senegal in einem großen Staatsakt an die tragische Geschichte der „Tirailleurs“ erinnert: Senegalesische Soldaten, die während des Zweiten Weltkriegs unter französischer Flagge gekämpft hatten. 1944 tötete Frankreich Dutzende dieser kolonialen Kriegsveteranen, als sie ihren ausstehenden Sold einforderten.

Macron hatte in einer Erklärung zur Gedenkfeier noch Punkte gesammelt, als er erstmalig in der Geschichte Frankreichs die brutale Ermordung senegalesischer Soldaten als Massaker anerkannte. Punkte, die spätestens jetzt wieder verspielt sein dürften.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Frankreich hat den Fehler gemacht, nach der Entkolonialisierung keinen harten Schnitt zu machen.



    Sie hätten sich komplett zurückziehen müssen und die Länder sich selbst überlassen. Gleichzeitig hätte Frankreich natürlich alle Personen aus diesen Ländern zurückschicken müssen und erst recht keine mehr bevorzugt reinlassen dürfen.



    Frankreich würde es heute weitaus besser gehen.



    Welche Auswirkungen eine konsequente Trennung auf die ehemaligen Kolonien gehabt hätte weiß ich nicht, aber das wäre dann auch nicht mehr Frankreichs Problem gewesen.

  • Tja, die "Macher"-Ausprägung bei Macron ist seine Achillesferse: zu ungeduldig-attackierend, zu wenig wertschätzend und zu geschichtsfern. Erwähnte Punkte muss jemand in Frankreich eigentlich alles wissen und einbauen.

    Frankreich musste zur Dekolonisierung getragen werden, und auch danach installierte es Währung und folgsame Regimes. Den Ball besser flach halten - auch wenn sich die jetzigen Staaten den Beelzebub Wagner ins Haus holten, der ärger wüten dürfte.

  • Schon seit Revolutionszeiten reden die Franzosen sich ihre Politik schön. Die „Grande Nation“ pflegt in Wahrheit einen ziemlich kleinkarierten Nationalismus.

  • Viele afrikanische Länder wären heute nicht souverän, wenn Frankreich sich durchgesetzt hätte. Jahrzehntelang haben Frankreich und andere Mächte, wirtschaftliche Abhängigkeiten, Bestechung und Militär eingesetzt, um in ehemaligen Kolonien eigene Interessen durchzusetzen. Überseegebiete haben Frankreich und andere frühere Kolonialmächte heute noch.

    Tatsächlich verdanken viele afrikanische Länder ihre Unabhängigkeit dem kalten Krieg. Die Sowjetunion forderte deren Unabhängigkeit und 'der Westen' musste die AfrikanerInnen in die 'Freiheit' entlassen, um sich in der noch jungen UN nicht selber zu entlarven.

    Dass die Sowjetunion zaristische und eigene Kolonien zu halten wusste, ist dann wieder so eine (Un-)Logik der Geschichte bzw. das Spiegelbild westlicher 'Scheinheiligkeit'.

  • „Kein afrikanisches Land wäre heute souverän, wenn Frankreich sich nicht eingesetzt hätte.“

    Sagt die ehemalige Kolonialmacht. Geht es dümmer?

  • So wie die Militärdiktaturen und ihre russischen Söldner da wüten und wie sich der IS da ausbreitet, gibt es diese Staaten in ein paar Jahren nicht mehr.

    • @Machiavelli:

      Das ist eine äußerst dumme Aussage. Sie haben kein Schimmer davon was Frankreich in seinen ehemaligen Kolonien so treibt. Frankreich ist abhängig von seinen ehemaligen Kolonien, hat nie aufgehört diese auszubeuten und ist die Ursache der von ihnen genannten Probleme. Frankreich kassiert Jährlich 440 Milliarden Euro an Steuern von seinen ehemaligen Kolonien, welche zu den ärmsten Ländern der Welt gehören. Alles auf Basis von Verträgen die ihnen für ihre Unabhängigkeit aufgezwungen wurden. Informieren sie sich auch mal über deren Währung dem CFA-Franc, der an den Euro gekoppelt ist und durch den Frankreich große Kontrolle über deren Wirtschaft hat.

    • @Machiavelli:

      Die Afrikaner müssen ihre Probleme selbst lösen. Und so wie sie es für richtig halten. Durchaus möglich, dass dabei die eine oder andere, von den Kolonialmächten künstlich gezogene Grenze wegfällt.

  • "weder die Fähigkeit noch die Legitimität, Afrikas Sicherheit und Souveränität zu gewährleisten"

    Das ist doch der Punkt, Frankreich ist schwach, und als Demokratie nicht vor allüren von Tyrannenmord gefeimt, (wie auch bemerkt in Lybien zu sehen).

    Das der Neue König, pardon Diktator im Tschad, die Franzosen jetzt rauswirft, obwohl diese seinem Vater dreimal sprichwörtlich den Hintern gerettet haben, indem sie den Rebellen den Hintern wegbombten (es sei die Sprache bitte verziehen), lässt Macrons Vorwurf der Undankbarkeit verständlich erscheinen.

    Jedenfalls so lange bis mann versteht dass der Vater des jetzigen Herrschers wohl nur deshalb im Kampf gefallen ist weil Frankreich ihn nicht mit Bodentruppen unterstützte.

    Da macht Russland aus Königssicht einfach ein besseres Angebot. Inklusive Altersruhesitz in Moskau wenn s doch nicht läuft.

    • @Berglandraupe:

      Auch Tschads Ex-Diktator und Massenmörder Hissène Habré, wurde von Frankreich gestützt. Die Diktatoren und Machthaber in allen ehemaligen Kolonien Frankreichs wurden von Frankreich unterstützt, egal wie sehr sie ihr Volk drangsalierten, solange sie französischen Interessen dienten. Russland ist, was Afrika angeht, ein Waisenknabe im Vergleich zu Frankreich. Für was sollten die Afrikaner dankbar gegenüber Frankreich sein?

    • @Berglandraupe:

      Ich habe keine Ahnung von der Geschichte des Tschad. Aber das Muster der halbgaren Unterstützung Verbündeter durchzieht die moderne westliche Geschichte wie ein roter Faden. Der "Westen" aka NATO+ verspielt seinen Einfluss in aller Welt. Am Ende werden nicht nur Ukrainer und Russen, Taiwanesen und Chinesen, sondern alle Konfliktparteien in aller Welt den am meisten hassen, der Konflikte von außen entfacht und unnötig lang am köcheln hält anstatt sich bei Zeiten eindeutig zu positionieren.