Nach Milei-Wahl in Argentinien: Inflation ohne Ende
Argentiniens Wahlsieger Javier Milei hatte eine Stabilisierung der Wirtschaft versprochen. Nach der Wahl sieht es aber schlechter aus als davor.
Am Montag habe sie vor der verschlossenen Ladentür gestanden, erzählt Rentnerin Felini. Gut, es sei ein Feiertag gewesen, aber ihr Supermarkt hätte eigentlich auch an solchen Tagen geöffnet. „Die haben den Feiertag genutzt, um die Preisschilder auszutauschen“, schimpft sie.
Am 19. November fand in Argentinien die Stichwahl um die Präsidentschaft statt. Der marktradikale Javier Milei gewann mit einem überraschend deutlichen Vorsprung vor dem Regierungskandidaten und Wirtschaftsminister Sergio Massa.
Der Großhandel nutzte die Wahl Mileis sowie das gleichzeitige Auslaufen der mit der Regierung vereinbarten Preisregulierungen bei Basisprodukten und schickte den Supermarktketten neue Preislisten mit Aufschlägen bis zu 40 Prozent bei Lebens- und Reinigungsmitteln.
„Die Preise werden künstlich gedrückt, und das fordert früher oder später seinen Tribut“, gab sich Wahlsieger Milei wenig verwundert. Außerdem kritisiert er, dass die Kraftstoffpreise an den Tankstellen niedrig gehalten werden, ebenso wie die staatlich subventionierten Tarife für Strom, Gas und Wasser sowie die Fahrpreise im öffentlichen Verkehr.
Inflation wird noch bis mindestens Ende 2025 anhalten
Das Absurde daran ist, dass die Argentinier*innen dennoch seit Jahren unter einer hohen Inflation leiden. In den letzten Monaten hat sich die Preissteigerungsrate sogar beschleunigt und war im Oktober im Vorjahresvergleich auf 140 Prozent angestiegen.
Trotz seines Wahlkampfversprechens, die Inflation zu senken, machte Milei wenig Hoffnung auf eine baldige Besserung. „Wir werden noch lange mit der hohen Inflation leben müssen“, erklärte er am Mittwoch in einem Fernsehinterview. Schuld daran ist vor allem die exzessive Ausweitung der Geldmenge durch die Notenpresse, mit der die derzeitige Regierung seit Jahren das Haushaltsdefizit finanziert.
Er werde nach seinem Amtsantritt am 10. Dezember zwar Maßnahmen ergreifen, sagte der libertäre Ökonom, aber: „Selbst wenn wir heute die Geldemissionen reduzieren, wird die Inflation noch 18 bis 24 Monate anhalten“. Gleichzeitig kündigte er eine drastische Sparpolitik an. „2024 wird es einen ausgeglichenen Haushalt geben“, so der künftige Präsident. Er werde jeden Minister entlassen, der mehr ausgibt, als er zugewiesen bekommt.
„Wenn wir den Staatshaushalt nicht anpassen, werden wir in eine Hyperinflation abrutschen. Dann werden wir 95 Prozent arme Menschen haben, von denen 70 bis 80 Prozent ins finanzielle Elend abrutschen werden“, so sein Szenario. Mehr als 40 Prozent der 46 Millionen Argentinier*innen leben bereits unterhalb der Armutsgrenze.
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Zunächst sollen alle öffentlichen Investitions- und Bauprojekte gestrichen werden. Diese würden an den privaten Sektor übergeben, der sie dann fertigstellen könnte. „Wir werden uns für ein System der Privatinitiative nach dem chilenischen Vorbild entscheiden“, sagte Milei.
Keine guten Aussichten. Das neoliberale Modell im Nachbarland basiert darauf, dass alles eine Ware ist, für die gezahlt werden muss. Auch Bildung und Gesundheit sind Waren und keine Grundrechte, für die in erster Linie der Staat zuständig ist. Bei der konkreten Umsetzung in Argentinien ist allerdings noch vieles offen. Sollte es jedoch Widerstand oder gar soziale Unruhen geben, werde „die volle Kraft des Gesetzes“ angewandt, sagte Milei.
Schon in den 90ern gab es viele Privatisierungen
„Wir werden nicht akzeptieren, von denen erpresst zu werden, die Gewalt anwenden, um ihre Privilegien zu erhalten“, so seine klare Ansage an die Gewerkschaften der Lehrkräfte und des Gesundheitswesens, aber auch an jene Unternehmer, die mit lukrativen Staatsaufträgen von der herrschenden Amigowirtschaft profitieren.
Und die im Wahlkampf vollmundig angekündigte Einführung des Dollars und Abschaffung des Pesos? Das Vorhaben sei nicht aufgegeben, habe aber gegenwärtig keine Priorität, so Mileis offizielle Erklärung. Kritiker hatten stets gefragt, mit welchen Dollars er dieses Vorhaben umsetzen wolle. Die Zentralbank hat Schulden statt Reserven, und die Staatsverschuldung in der US-Währung liegt im dreistelligen Milliardenbereich.
Javier Milei, Wahlsieger in Argentinien
Anstelle der Dollarisierung rückt die Privatisierung von Staatsbetrieben in die Diskussion. Schließlich braucht auch Milei trotz aller Sparpolitik fresh money. „Wir werden alles privatisieren, was der Privatsektor machen kann“, sagte er kürzlich.
Im Fokus stehen dabei die staatliche Ölgesellschaft YPF sowie die Fluggesellschaft Aerolíneas Argentinas. Die beiden staatlichen Unternehmen wurden in den 1990er Jahren unter dem damaligen Präsidenten Carlos Menem privatisiert und viele Jahre später zurückgekauft.
„Ich erinnere mich noch gut daran, wie Menem alles verkaufte, nur um Dollars zu bekommen“, sagt Laura Felini, die sich inzwischen für eine billigere Nudelmarke entschieden hat. „Am Ende war alles weg und schlimmer als vorher.“
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