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Nach Karlsruher Urteil zum BundesetatMilliardenlücke im Klimafonds

Die Ökonomin Claudia Kemfert schlägt vor, den Klimanotstand auszurufen. Dann könnte die Regierung das 60-Milliarden-Loch im Klimafonds schließen.

Hochwasser am Rhein, 17.01.2023: „Der Klimanotstand ist da“, sagt Claudia Kemfert Foto: Vitali Kliuiev/imago

Berlin taz | Würde die Bundesregierung den Klimanotstand ausrufen, könnte sie die Schuldenbremse aussetzen – und so die Lücke füllen, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in die Finanzierung des Klimaschutzes gerissen hat. Diesen Weg schlägt die Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor.

„Wenn es nicht gelingt, die Schuldenbremse zu reformieren, müssen wir in Erwägung ziehen, den Klimanotstand auszurufen“, sagte Kemfert der taz. Die Coronakrise sei ein Notstand gewesen, mit dem ein Aussetzen der Schuldenbremse gerechtfertigt war. „Der Klimanotstand ist da, und wir können ihn ausrufen“, betonte sie. Dann gäbe es Möglichkeiten, die geplanten Mittel bereitzustellen.

Einen weiteren Weg sieht sie in der Streichung klimaschädlicher Subventionen. Nach einer Liste des Umweltbundesamts würde die Abschaffung von 41 staatlichen Förderungen etwa für Dienstwagen, Diesel oder Flugreisen mehr als 60 Milliarden Euro bringen. Allerdings ist aus rechtlichen Gründen nur die Hälfte kurzfristig streichbar.

Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch entschieden, dass die Regierung Kre­dit­er­mäch­tigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro nicht in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verschieben darf. „Das war ein schwarzer Tag für den Klimaschutz“, sagte Kemfert.

KTF ist zentrales Instrument

Der KTF ist das zentrale Ins­tru­ment der Regierung für Klimaschutzprojekte. Mit seinen Mitteln sollen etwa Maßnahmen für mehr Energieeffizienz oder den Ausbau der Ladeinfrastruktur finanziert werden. Bis 2027 wollte die Regierung dafür rund 216 Milliarden Euro ausgeben, davon fehlt nun mehr als ein Viertel.

Welche Projekte genau von der fehlenden Finanzierung betroffen sein werden, ist bislang unklar. Ob oder wie das Loch gefüllt werden wird, auch. Aufgrund der Schuldenbremse kann die Bundesregierung das Problem nicht durch Kredite lösen.

Die Bundesregierung habe sehr viele Projekte über den KTF finanziert, sagte Kemfert. „Die Liste wurde immer länger, er wurde mehrfach überzeichnet“, sagte sie. Bereits nach den ursprünglichen Plänen gab es eine Finanzierungslücke von 7,6 Milliarden Euro.

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15 Kommentare

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  • Wie locker das Geld bei unserem Wirtschaftsminister immer noch sitzt sieht man an der 7,5 Milliarden Bürgschaft für die Angeschlagene Siemens Energy, während gleichzeitig der Mutterkonzern Siemens einen Gewinn von 8,5 Milliarden veröffentlicht. Aber es ist ja nicht Habecks Geld das hier riskiert wird.

  • Es gibt wesentlich wichtigere Baustellen als Klimaziele, Energiewende oder Verkehrswende. Für ideologische Träume haben wir einfach kein Geld. Bitter, aber wahr.

    Auch muss man langsam darüber nachdenken, das Geld der Steuerzahler nicht großzügig in der Welt zu verteilen, während die Menschen, die es erarbeiten, meist leer ausgehen.

    • @Läufer:

      Sehr richtig!

  • Streicht die Sonderzahlungen an die Rentenkasse das sind 110 Milliarden oder so. Dann müssen Selbstständige und neue Beamte auch einzahlen und dann gibt es eine Mindestrente und darüber was finanziert werden kann. Mit den 110 Milliarden investiert man in zwei Dinge Klimaschutz und Digitalsierierung und Automatisierung der Verwaltung.

    • @Machiavelli:

      Rentner sollen gefälligst hungern fürs Klima? - Na dann beten Sie mal, dass Sie nicht alt werden.

      Dass das Rentensystem reformiert gehört, ist schon sehr lange klar. Aber da traut sich keiner ran. Aktuell dient die Rentenkasse als Notgroschen für die Politik, sowie ja auch immer mal etwas eingezahlt wird.

      • @Läufer:

        Wie gesagt es gibt eine Mindestrente bei der keiner Hungern muss, aber die Rentenversicherung muss sich selbst tragen d.h. entweder geringere Renten, höheres eintrittsalter oder höhere Beiträge oder alles drei.

      • @Läufer:

        Wenn Rentner eh schon, wenn es nach dem Willen der Altparteien geht, bevorzugt aus ihren EFH´s und Mehrzimmer-Wohnung entfernt und in Heime oder Mini-Wohnungen umgesiedelt werden sollen, können sie auch weniger Essen.

        Nicht vergessen, das sind eh alles Menschen, die an der Klimaapokalypse (unter Apokalypse mach ichs nicht) maßgeblich schuld sind. Das ist also nur die gerechte Strafe.

  • Na, ob Vielflieger und Porschefans einen Klimanotstand beschließen tun?

    Die fahren lieber fossil befeuert gegen die Wand als den Klimanotstand auszurufen.

    Veränderungen im Denken und Handeln der Menschheit wird es wohl erst nach dem 6. Massenaussterben geben.

    Wenn den überhaupt ein Homo Fossilus Weibchen und Männchen überleben tun.

  • umweltbundesamt.de



    "Die Erklärung zum Klimanotstand kann auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen (national, kommunal usw.) und hinsichtlich Tiefe oder Details ihrer Vorgaben verschieden sein. Der Begriff Klimanotstand bezeichnet nicht nur förmliche Beschlüsse, sondern - als Sammelbegriff - auch weitere Aktionen zur Eindämmung des Klimawandels. Der Beschluss selbst hat keine rechtlich bindende Wirkung, deshalb ist ein „Klimanotstand“ nicht gesetzlich abgesichert. Doch er erhält exekutiven Charakter, wenn er von Parlamenten (Stadträten, Landtagen, etc.) verabschiedet wird. Eine solche Entscheidung markiert eine Gefährdungssituation und dringenden Handlungsbedarf auf der jeweiligen Verwaltungsebene."



    AVANTI, AVANTI!



    Recht hat sie,



    Jetzt oder nie!



    Mit von der Partie:



    "Der Rat der Stadt Köln hat am 9. Juli 2019 den "Klimanotstand" erklärt und damit bestätigt, dass die Eindämmung des Klimawandels in der städtischen Politik eine hohe Priorität besitzt und zukünftig bei allen Entscheidungen grundsätzlich zu beachten ist."



    /



    stadt-koeln.de

  • "„Wenn es nicht gelingt, die Schuldenbremse zu reformieren, müssen wir in Erwägung ziehen, den Klimanotstand auszurufen“, sagte Kemfert der taz. Die Coronakrise sei ein Notstand gewesen, mit dem ein Aussetzen der Schuldenbremse gerechtfertigt war. „Der Klimanotstand ist da, und wir können ihn ausrufen“, betonte sie."

    --> Wieder einmal eine fachfremde Person, die bei juristische Auslegungen alles besser weiß als Juristen.

    Der Klimanotstand kann die Aussetzung der Schuldenbremse nie und nimmer rechtfertigen, da kann man ihn 10 Mal ausrufen. Die Bedingung für die notstandsbedingte Aussetzung der Schuldenbremse ist folgende:

    Art. 109 Abs. 3:



    "[...] außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen [...]"

    Der Teil nach dem Komma macht jede klimabedingte Aussetzung der Schuldenbremse unmöglich:

    Die Bedingung für die Aussetzung ist, dass sich die Notlage der Kontrolle des Staates entzieht. Genau das ist aber ja gerade nicht der Fall, denn die Konzeption des Klimaschutzes ist ja gerade, dass durch staatliche Maßnahmen der Klimawandel verhindert, aufgehalten oder wenigstens abgeschwächt werden soll. Damit hat der Staat aber - jedenfalls nach der Lesart, dass Klimaschutz hilft - die Kontrolle über die Notlage. Damit kann der Klimanotstand die Einschränkung der Schuldenbremse strukturell niemals rechtfertigen.

    Ergebnis ist wohl: Die Schuldenbremse muss weg, statt ständig (von Ökonomen und Politkwissenschaftlern) mit stümperhaften Taschenspielertricks umgangen zu werden.

  • Sind nicht die Hilfen für 1Mio Ukraine-Flüchtlinge, andere Geflüchtete und Unterstützung der Ukraine. Plötzlich und außergewöhnlich? Man darf das ja erwähnen, ohne den Bedarf anzuzweifeln.

  • Nach meinem Kentnissstand sind die Ausnahmeregelungen der Schuldenbremse auf plötzlich und unerwartete Schocks begrenzt und können daher nicht auf den Klimawandel angewendet werden.



    Das sollte Frau Kemfert eigentlich wissen.

  • Laut NZZ kommen ja neue Ideen aus dem Habeck`schen Umfeld.

    Die Schuldenbremse gilt weiterhin für alle konsumtiven Ausgaben, also zB. der Bundeszuschuss der Rentenkasse, Bürgergeld und Flüchtlingsausgaben. Investigative Ausgaben dürfen über weiterhin über Kredite finanziert werden.

  • Das Streichen klimaschädlicher Subventionen ist lange überfällig. Da werden mit viel Geld Schäden vergrößert, an deren Behebung gleichzeitig mit noch mehr Geld bereits gearbeitet wird.



    Notstand ausrufen, ja, - schade, dass das Klimathema nicht ohnehin genügend berücksichtigt wird.

    Was Frau Kempfert vorschlägt, ist vernünftig, - daher wird wohl nichts draus werden.

  • Dieses Gezeter um diese Sondervermögen, das ist alles schön und gut, aber es ist keine Lösung.

    Wenn die Bewältigung der Klimakrise jetzt vorhersehbar (!) noch über Jahrzehnte hohe Bundesausgaben erfordern wird, dann wird nichts anderes übrig bleiben, als das über den Bundeshaushalt abzuhandeln.

    Ein Sondervermögen oder Fonds kann nicht dauerhaft funktionieren. Je früher das zum regulären Posten im Bundeshaushalt wird, desto besser. Wir können es der Politik nicht ersparen, es ist unvermeidlich, das muß auf dauerhaft tragfähige Beine gestellt werden. Man kann sich nicht dauerhaft um die Frage der Finanzierung drücken, der „Fonds“ ist ja kein Zauberwort, das alle nachteiligen Folgen der hohen Kreditaufnahmen tilgt.

    Im jetzigen Zustand ist es übrigens so, der Fond wird gerade nur über die Einnahmen der CO2-Bepreisung gespeist, ohne dauerhafte Zuschüsse oder permanentes Gezeter um Sonderkredite, ist die aFinanzausstattung viel zu mickrig um die Aufgabe bewältigen zu können. Diese 60 Mrd. die jetzt „fehlen“, die hätten gerade einmal zur Aufstockung des Fonds für 2 Jahre gereicht, danach stünden wir dann gleich doof da wie jetzt und müßten uns überlegen, wie das denn alles langfristig gehen soll.

    Es wäre auch aus anderen Gründen besser, der Fond wird ja schon heute zur Förderung der Halbleiterproduktion, zur Abwicklung der EEG-Umlage, etc… mißbraucht, so ein Schattenhaushalt im halbdunkeln, es führt zu nichts Gutem…