Nach „Compact“-Verbot: Ob Umsturzpläne reichen…
Nach dem „Compact“-Verbot wird diskutiert, ob die Maßnahme verhältnismäßig war. Ein Verfassungsrechtler sieht einen Missbrauch des Vereinsrechts.
Während Jurist*innen über die Verhältnismäßigkeit des Verbots des Compact-Magazins diskutieren, meldet die Branche Vollzug: Der Pressegroßhandel stoppte die Belieferung von Supermärkten und Tankstellen, Ebay nahm Artikel von der Plattform, das Video-Portal Youtube sperrte zwei Kanäle, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet.
Das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) hatte das rechtsextreme Magazin am Dienstag verboten. Seit 2021 gilt Compact laut Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“. Die erste Ausgabe erschien 2010, zuletzt lag die Auflage bei rund 40.000 Exemplaren.
Chefredakteur Jürgen Elsässer hatte sich immer wieder deutlich geäußert. 2023 schrieb er auf der Compact-Webseite: „Wir wollen dieses Regime stürzen. Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägenarbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes.“
In Texten wurde gegen Geflüchtete gehetzt und sich antisemitisch und verschwörungsideologisch etwa über die „Hochfinanz“ oder „Globalisten“ beklagt. Compact war in der rechtsextremen Szene stark vernetzt, mit Verbindungen zu Verschwörungsideologen, zur Identitären Bewegung, zu Pegida, der Kleinpartei Freie Sachsen und einer besonders großen Nähe zur AfD.
„Alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten nutzen“
Im demokratischen Spektrum herrschte in der Bewertung des Magazins denn auch weitgehende Einigkeit. Ein Sprecher der Amadeu Antonio Stiftung betonte die Rolle von Compact für den Aufstieg der AfD – „auch aufgrund der internationalen Vernetzung mit Antidemokraten in Russland oder den USA“. Das brandenburgische Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus erklärte, es sei „richtig, hier alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten auszuschöpfen“.
Aus den Parteien kam Unterstützung für das Verbot etwa von der Juristin und Vize-Chefin der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), von Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sowie vom Grünen-Parteivorsitzenden Omid Nouripour. Die Linken-Politikerin Martina Renner forderte zu Compact noch weitere Aufklärung, „über die Finanzierung aus dem Ausland und verdeckte Geldflüsse an die AfD“.
Kontroverser verläuft die verfassungsrechtliche Debatte. Für die grüne Medienstaatsministerin Claudia Roth umfasse die Pressefreiheit „völlig zu Recht einen großen Schutzbereich“. Wenn diese jedoch dafür missbraucht werde, aggressiv-kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorzugehen, seien ganz klar Grenzen überschritten. Anders sieht es FDP-Vize und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, der befürchtet, dass das Verbot gerichtlich aufgehoben werden könnte.
Vereinsverbote hatten vor dem Bundesverwaltungsgericht meistens Bestand. Nach taz-Informationen enthält die 79 Seiten lange Begründung zur Verbotsverfügung auch eine mehrseitige Abwägung des Verbots gegenüber der Pressefreiheit. Insgesamt argumentiert das Innenministerium, Compact sei weniger Pressepublikation als politische Organisation, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte.
Auch andere Gänge über das Vereinsrecht
Compact ist nicht der einzige Fall, in dem ein Presseorgan über das Vereinsrecht verboten wurde. Das Bundesinnenministerium verweist auf das Verbot der Neonazi-Internetplattform Altermedia im Jahr 2016, der linksradikalen Internetplattform Linksunten.Indymedia im Jahr 2017 und der Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH im Jahr 2019. Alle drei Verbote haben Bestand. Dem Mezopotamien Verlag wurde vorgeworfen, die PKK zu unterstützen. Das Verbot war rechtmäßig, entschied das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2022.
Der Verfassungsrechtler David Werdermann hingegen meint, das Innenministerium missbrauche für das Verbot von Compact das Vereinsrecht. Werdermann ist Verfahrenskoordinator der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Er hält das Verbot für „wahrscheinlich rechtswidrig“ und mahnt zur Verhältnismäßigkeit. Verfassungsfeindliche Beiträge in der Zeitung können nicht ohne Weiteres einer Redaktion oder dem Verlag zugerechnet werden. Erst müsse versucht werden, gegen konkrete Beiträge vorzugehen, „bevor ein ganzes Medium plattgemacht wird“, erklärte der Jurist.
Auch der Oldenburger Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler sieht in dem Verbot einen Verstoß gegen die Verfassung. Selbst ein Aufruf zu Mord würde nach seiner Überzeugung kein Verbot des Verlages und einer Publikation als ganze rechtfertigen.
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