Nach Angriff auf Israel: Raketen auf Aschkelon
Die Hamas feuert Raketen auf Israel ab. Dessen Armee setzt den Beschuss von Gaza fort. Für Freitag rufen die Islamisten zu gewaltsamem Widerstand auf.
Jede Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Menschen und Gütern müsse durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt sein. Ansonsten kämen die Maßnahmen einer Kollektivbestrafung gleich. Türk warnte, dass vor allem medizinische Einrichtungen nicht angesichts einer steigenden Zahl an Verwundeten nicht mehr funktionsfähig seinen. Nach Angaben der radikalislamischen Hamas wurden bislang rund 830 Palästinenser getötet 4.250 Menschen durch israelische Angriffe verletzt.
Israel wies die Äußerungen zurück: „Mehr als 900 unschuldige Israelis sind tot. Tausende sind verwundet. Und trotzdem kann der Hochkommissar sich nicht durchringen, diese barbarischen Taten als Terrrorismus zu bezeichnen“, teilte die Vertretung Israels in Genf mit. Allein in der Ortschaft Beeri, in der rund 1.000 Menschen lebten, hatte der Rettungsdienst mehr als 100 Leichen geborgen. Israels Vertretung verwies auf das Recht des Landes, sich zur Wehr zu setzen, und betonte, dass nur terroristische Ziele ins Visier genommen würden.
Keine Aufforderung zum Gehen
Als Reaktion auf die Massaker von Hamas-Kämpfern in Israel bombardiert die israelische Armee seit Tagen das Gebiet. Auch am Dienstag ging der Beschuss weiter, während die Hamas ihrerseits nicht davon abließ, Raketen auf Israel abzufeuern. Unter anderem zielte die Terrorgruppe am Dienstag auf Tel Aviv und Zentralisrael. Am Nachmittag feuerte sie etliche Raketen auf die Küstenstadt Aschkelon, die nur wenige Kilometer nördlich des Gazastreifens liegt. Das Ausmaß des Angriffs war zu Redaktionsschluss noch unklar. Bereits vor dem Angriff auf Aschkelon waren nach israelischen Medienberichten weitere zwei Personen nahe der Grenze zwischen Gaza und Israel getötet worden.
Von vorherigen Aufforderungen an die Bevölkerung des Gazastreifens, das Gebiet zu verlassen, nahm die israelische Armee am Dienstag Abstand: „Wir betonen, dass es keine offizielle Aufforderung Israels an die Bewohner des Gazastreifens gibt, sich nach Ägypten zu begeben“, hieß es in einer Erklärung. Zuvor hatte ein Armeesprecher sich gegenteilig geäußert.
Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte die Bevölkerung aufgefordert, das Gebiet zu verlassen, ohne jedoch ein Ziel zu nennen. Spätestens seit auch Ägypten seinen Grenzübergang geschlossen hat, ist es für die rund zwei Millionen Palästinenser*innen in Gaza kaum mehr möglich, das Gebiet zu verlassen.
Die Hamas verschärfte unterdessen ihre Drohgebärden. Sie kündigte an, für jeden israelischen Luftangriff auf Ziele im Gazastreifen eine Geisel hinzurichten. Die Terrorgruppe hat deutlich mehr als 100 Personen, die meisten davon Israelis, in ihre Gewalt gebracht. Über einen Austausch von Gefangenen zu verhandeln, solange die Kampfhandlungen andauerten, schloss Ismail Hanije, einer der Führer der Hamas, am Dienstag aus.
Die nach Hamas-Angaben 830 Toten auf palästinensischer Seite scheinen sich nur auf Tote durch israelische Artillerie- und Luftangriffe zu beziehen. Dies legt eine Mitteilung der israelischen Armee nahe, in der es hieß, man habe in Israel und rund um den Gazastreifen „etwa 1.500 Leichen von Hamas-Kämpfern“ gezählt.
Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die Hamas
Für Freitag hat die Hamas zu Protesten und Gewalt zur Unterstützung der Palästinenser*innen aufgerufen. Trotz der gezielten Massentötung von Zivilist*innen und der vielen Toten in den eigenen Reihen scheint es ihr aktuell zu gelingen, sich in Teilen der islamisch geprägten Länder als legitime Widerstandskraft gegen Israel darzustellen. Offenbar im Versuch, weitere Fronten zu eröffnen, rief sie am Dienstag auch Palästinenser im von Israel besetzten Westjordanland auf, die Konfrontation mit Soldaten zu suchen. In dem Gebiet ist die Lage ohnehin seit Monaten so angespannt wie seit langem nicht mehr.
Unterdessen hat Irans Staatsoberhaupt Ali Chamenei am Dienstag zurückgewiesen, mit dem Großangriff der Hamas etwas zu tun zu haben. Die Washington Post dagegen berichtete unter Berufung auf die Einschätzung verschiedener Expert*innen, dass der Angriff seit mindestens einem Jahr und mit Unterstützung des Irans vorbereitet gewesen sein musste.
In Deutschland hat die Bundesanwaltschaft wegen des Terrors Ermittlungen gegen die Hamas eingeleitet. Hintergrund sind die Tötungen und Entführungen auch von deutschen Staatsbürger*innen in Israel in den vergangenen Tagen. Ermittelt werde wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristische Vereinigung und weiterer Delikte. Kanzler Scholz erklärte, Deutschland werde „so viel wie möglich tun“, damit entführte Deutsche wieder in Freiheit kämen. Nach taz-Informationen ist den Behörden bisher eine mittlere einstellige Zahl von deutschen Entführten bekannt.
Mitarbeit: Konrad Litschko
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin