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Nach 40 Tagen Protest in HaftMaja T. beendet Hungerstreik in Ungarn

Nach 40 Tagen beendet Maja T. in Ungarn den Hungerstreik. Der Gesundheitszustand hatte sich stark verschlechtert. Hoffnung richtet sich auf Außenminister Wadephul.

Beendete nach 40 Tagen den Hungerstreik: Maja T., hier noch im Juni vor dem Budapester Stadtgericht Foto: Daniel Afoldi/Imago

Berlin taz | Fünfeinhalb Wochen, 40 Tage, war die nonbinäre An­ti­fa­schis­t*in Maja T. in ungarischer Haft im Hungerstreik. Am Montagvormittag nun beendete T. den Protest. Wolfram Jarosch, der Vater von Maja T., und T.s Anwalt Sven Richwin bestätigten der taz den Schritt. Es sei Majas eigenständige Entscheidung gewesen, sagte Jarosch.

Grund für den Abbruch des Hungerstreiks sei der zuletzt deutlich verschlechterte Gesundheitszustands gewesen und die Sorge vor dauerhaften Gesundheitsschäden, so Jarosch. Zudem gebe es die Hoffnung, dass Außenminister Johann Wadephul (CDU) mit der angekündigten Reise von Vertretern seines Ministeriums diese Woche nach Ungarn tatsächlich zumindest ein Ende der Isolationshaft von Maja T. in Ungarn erreiche. „Wir hoffen, dass nun endlich ernsthaft etwas passiert“, so Jarosch zur taz. „Nach der rechtswidrigen Auslieferung von Maja nach Ungarn wäre das Auswärtige Amt moralisch dazu verpflichtet.“

Maja T. werden schwere Angriffe auf Rechtsextreme in Budapest im Februar 2023 vorgeworfen, am Rande des europaweiten Szeneaufmarschs „Tag der Ehre“. Im Dezember 2023 war T. in Berlin festgenommen worden. Ein halbes Jahr später erfolgte dann die Auslieferung nach Ungarn – rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht später feststellte. Seitdem befindet sich Maja T. in Ungarn in Isolationshaft, in einem laufenden Prozess in Budapest drohen bis zu 24 Jahre Haft. Anfang Juni war Maja T. deshalb in den Hungerstreik getreten, um bessere Haftbedingungen, einen fairen Prozess und eine Rücküberstellung nach Deutschland zu erreichen.

Zwangsernährung drohte

Wegen des verschlechterten Gesundheitszustands war Maja T. zuletzt in ein Haftkrankenhaus an die ungarisch-rumänische Grenze verlegt worden, auch dort in Isolation. Vater Wolfram Jarosch hatte Maja T. dort am Wochenende erstmals besuchen können und danach der taz berichtet, dass es Maja „nicht gut“ gehe. „Maja ist stark abgemagert, die Wangen eingefallen, man sieht deutlich den Gewichtsverlust.“ 14 Kilogramm Körpergewicht habe Maja T. inzwischen verloren, Leber und Niere seien angegriffen, die Blutwerte zu niedrig.

Auch sei die Herzfrequenz zeitweise auf 30 Schläge pro Minute gesunken, es habe ein Herzstillstand gedroht, so Jarosch. Ungarische Ärzte hätten zuletzt in Aussicht gestellt, Maja T. einen Herzschrittmacher einzusetzen oder eine Zwangsernährung zu veranlassen.

Auch Sven Richwin, der Anwalt von Maja T., sagte der taz, dass der Zustand von Maja „in den letzten Tagen immer besorgniserregender“ wurde. „Maja hat das vielleicht letzte Zeitfenster genutzt, in dem noch eine selbstbestimmte Entscheidung möglich war und hat sich für das Leben entschieden – auch um den Kampf um menschenwürdige Haftbedingungen und ein rechtsstaatliches Verfahren selbst mitbestimmen zu können.“ Richwin sagte, er sei „gerade sehr erleichtert und beeindruckt von Majas Entschlossenheit der letzten Wochen“.

Auch der Weg aus einem Hungerstreik berge allerdings noch medizinische Risiken, betonten Richwin und Vater Wolfram Jarosch. Maja T. müsse nun langsam wieder anfangen, Nahrung zu sich zu nehmen, um die potenziell lebensbedrohlichen Symptome des Refeeding-Syndroms zu vermeiden.

Delegation des Außenministeriums reist nach Ungarn

Bessere Haftbedingungen für Maja T. und eine Rücküberstellung nach Deutschland hatten zuletzt auch Ver­tre­te­r*in­nen der Linken, Grünen und schließlich auch der SPD gefordert. Bereits vergangene Woche hatte die taz berichtet, dass eine Delegation des Auswärtigen Amts diese Woche nach Ungarn reisen wird, um dort den Fall Maja T. anzusprechen. Am Samstag bestätigte dies auch Außenminister Johann Wadephul (CDU) öffentlich. Man werde mit der ungarischen Regierung reden, „um für Maja T. zunächst Verbesserungen in der Haftsituation zu erreichen“. Wadephul betonte aber auch, dass Ungarn ein Interesse an eigener Strafverfolgung bekräftigt habe und dass es um „schwerste Vorwürfe“ gehe, die auch in Deutschland zu einem Strafverfahren führen würden.

Vater Wolfram Jarosch forderte in der taz vom Auswärtigen Amt, bei der Ungarn-Reise eine konkrete Verbesserung der Lage für sein Kind zu erreichen. „Das Auswärtige Amt darf nicht mit leeren Händen aus Ungarn zurückkommen.“ Die Bundesregierung müsse „endlich handeln“ und „Maja nach Deutschland zurückholen – oder zumindest für ein Ende der Isolationshaft in Ungarn sorgen“.

Noch sei unklar, wer genau nach Ungarn reise und was genau verhandelt werde, so Jarosch. „Ich hoffe aber sehr, dass endlich etwas Konkretes passiert. Dass endlich der Rechtsverstoß, der für Maja über ein Jahr andauert, beendet wird.“ Maja brauche ein Ende der Isolationshaft und mindestens eine Verlegung in ein Hausarrest in Ungarn.

Der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan forderte am Montag ebenso eine „umgehende“ Rücküberstellung von Maja T. nach Deutschland. „Die lauwarmen Worte des Auswärtigen Amtes reichen nicht. Maja T. muss schnellstmöglich Gerechtigkeit widerfahren. Und das heißt, dass die rechtswidrige Auslieferung rückgängig gemacht wird.“ Es bleibe „unerklärlich“, dass Außenminister Wadephul in dem Fall bislang kaum aktiv geworden sei, um das bestehende Unrecht zu korrigieren.

Weitere Anklagen in Deutschland

Maja T. soll zu einer Gruppe militanter An­ti­fa­schis­t*in­nen gehören, die zuletzt in Sachsen und Thüringen lebten. Erst jüngst hatte die Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage gegen sechs weitere Linke erhoben, denen ebenso die Angriffe in Budapest vorgeworfen werden und die zwei Jahre abgetaucht waren. Weitere Linke müssen sich demnächst in einem anderen Verfahren vor dem Oberlandesgericht Dresden verantworten, ebenfalls wegen dieser und weiterer Attacken. Gegen eine weitere Budapest-Beschuldigte, Hanna S., läuft bereits seit Februar in München ein Prozess.

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10 Kommentare

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  • Maja T. wird in Ungarn eines schweren Verbrechens beschuldigt. Ich verstehe, dass Ungarn auch den Prozess nach den dort geltenden Gesetzen führen will.

  • Aus der Sicht von Ungarn kann ich es nachvollziehen, dass man selber das Strafverfahren vollziehen möchte, schließlich hat das Verbrechen in Ungarn stattgefunden.

    Geht es um die Inhaftierung steht wahrscheinlich die Einzelhaft oder die Unterbringung im Männergefängnissen für die ungarischen Behörden zur Disposition. Ich kann mir aufgrund der aktuellen politischen Lage kaum vorstellen, dass eine Unterbringung in Frauen-Gefängnissen in Frage kommt. Ebenso halte ich es mehr als fraglich, dass bei den schwerwiegenden Anschuldigungen ein Hausarrest in dem konkreten Fall "erlaubt" wird.

    Lediglich bei der Hygiene der Zelle kann ich mir vorstellen, dass die Ungarn ein Entgegenkommen zeigen könnten.

    Grundsätzlich sollten in allen Ländern der EU menschenwürdige Mindeststandards in Strafverfahren/Unterbringung gelten. Besonderere Bevorzugungen oder Benachteiligungen aufgrund der politischen Haltung sollte es nicht geben.

    • @Black & White:

      Nein, die Auslieferung war laut dem Bundesverfassungsgericht rechtswidrig. Dies ist kein Frage der Meinung sondern einen die von unserem obersten Gericht eindeutig beantwortet wurde

      verfassungsblog.de...g-gewaltenteilung/

      • @Pablito15:

        Ungarn wird diese mutmaßliche Verbrecherin auch in Ungarn anklagen, ob die Auslieferung rechtswidrig war interessiert dort niemanden.

      • @Pablito15:

        Ob rechtswidrig oder nicht. Nun ist sie in Ungarn und wird sich wohl auch dort ihrer schweren Straftaten zu verantworten haben. Ich denke Ungarn wird das durchziehen, alles andere wäre der ungarischen Bevölkerung such schwer zu vermitteln.

    • @Black & White:

      Ich gehe davon aus, dass in allen Ländern der EU menschenwürdige Mindeststandards in Strafverfahren/Unterbringung gelten. Wie diese Aussehen kann ich nicht sagen. Jeder hat da bestimmt eigene Vorstellungen. Ob’s da eine EU-Richtlinie gibt ist möglich. Aber an „Richtlinien“ kann man sich orientieren +\- .

  • Egal wer, egal wo, egal was. Wer in einem Land ein Verbrechen begeht gehört dort vor Gericht gestellt, nicht im Heimatland.

    • @Pia Mansfeld:

      Das stimmt nicht. Deutsche Staatsbürger werden nicht in beliebige Länder ausgeliefert. Fänden sie es fair, wenn sie in Nordkorea angeklagt wären Kim Jong Un beleidig zu habe dann auch dorthin ausgeliefert zu werden?

      Das die Auslieferung rechtswidrig war, wurde vom Bundesverfassungsgericht bereits bereits eindeutig geklärt.

      verfassungsblog.de...g-gewaltenteilung/

      • @Pablito15:

        In Nordkorea eine Straftat zu begehen, ist an und für sich keine gute Idee und die Folgen wären absehbar.

    • @Pia Mansfeld:

      Sehr gut !