piwik no script img

NSU-Prozess zum NagelbombenanschlagVerfahren könnte geteilt werden

Erhöht sich die Zahl der Nebenkläger wegen des Kölner Nagelbombenanschlags im Jahr 2004 weiter, könnte dieser Tatbestand vom Münchner Verfahren separiert werden.

Dieses Archivbild zeigt die Zerstörung in Köln unmittelbar nach dem Anschlag am 9. Juni 2004. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Aufregung beim NSU-Prozess in München: Am Mittwochnachmittag wandten sich mehrere Nebenklagevertreter in teils emotionalen Worten gegen eine Abtrennung des Komplexes Keupstraße. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte angeregt darüber nachzudenken, aus Angst der Platz im Gerichtssaal könnte zu knapp werden.

Das würde bedeuten, dass dieser Anschlag erst zu einem viel späteren Zeitpunkt in einem zweiten NSU-Prozess behandelt wird. Nach Ende des Prozesstags waren draußen vor dem Gericht mehrere Opfer der Tat sichtbar aufgebracht.

Am 9. Juni 2004 hatten die beiden NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor einem Friseursalon in der Kölner Keupstraße eine Nagelbombe gezündet. 22 Menschen, vorwiegend mit türkischen Wurzeln, wurden verletzt.

Die Bundesanwaltschaft ging in ihrer Anklage deshalb von 22-fachem versuchten Mord aus. Doch wegen der umstrittenen Größe des Detonationsradiuses könnte es noch deutlich mehr Betroffene geben. Auch wenn sie nicht verletzt wurden, könnten sie einen Anspruch haben, als Nebenkläger am Prozess teilzunehmen: Weil sie zur Tatzeit in der Todeszone waren.

Eine der zentralen Taten

Mehrere Nebenklageanwälte befürchten, dass bei einer Abtrennung des Komplexes erst in mehreren Jahren über diese Tat verhandelt würde – oder gar nicht mehr. Denn sollte Beate Zschäpe in einem ersten Prozess wegen der Morde des NSU an neun Migranten und einer Polizisten verurteilt werden, könnte aufgrund der Höhe dieser Strafe das Keupstraßen-Verfahren auch ganz eingestellt werden.

Der Anschlag sei eine der zentralen Taten des NSU und ein Bekenntnis „zum Krieg gegen Migranten" gewesen, sagte Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der eine Betroffene in der Kölner Keupstraße vertritt. Sieben Jahre habe man die Opfer mitverdächtigt. Bei einer Abtrennung dieser Tat sage man erneut: „Für euch gibt es keine Gerechtigkeit."

Andere Nebenklagevertreter wiesen darauf hin, dass es vielerlei Verbindungen zwischen dem Anschlag in Köln und der bundesweiten Mordserie an Migranten gebe, und man allein deshalb das Verfahren nicht aufteilen sollte. Auch die Verteidiger von Zschäpe halten den Komplex „nicht für abtrennbar".

Bundesanwalt Herbert Diemer deutete an, dass man sich bei einer deutlichen Erhöhung der Zahl der Nebenkläger einer Abtrennung wohl nicht verschließen könne. „Im gegenwärtigen Moment sehen wir keinen Anlass."

In Kooperation mit Radio Lora München, www.lora924.de.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • L
    Lupo

    Auch in diesem Fall muss man den Juristen das Feld überlassen. Nur diejenigen, die in den Prozess eingebunden sind, können darüber entscheiden. Also bitte keine Hektik in allem, denn Aufklärung braucht Zeit.

  • W
    wauz

    Detonationsradius?

     

    Wer Sprengstoff zur Verfügung hat, der brisant genug ist, eine Detonation herbeizuführen, der braucht keine Nägel mehr...

     

    Wer schreibt, aber nicht recherchiert, ist kein Journalist, sondern Schmierfink!

  • HK
    Hady Khalil

    Ich verstehe nicht den hektischen Ton in veerschiedenen Medien, dafür das die Anwälte der Angeklagten ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Warum soll man durch den Prozess hetzen? Am Ende steht ein Urteil, das steht fest. Die Anwälte, oder auch Richter zu drängeln, macht es schwierig eine klare Atmosphäre herzustellen. Das ist doch z B. ein berechtigtes Anliegen einen Blick in die Akten des NSU Untersuchungsausschusses zu werfen, wenn es neue Erkenntnisse gibt, die den Fall betreffen

  • S
    Susa

    Diese Geschichte, die doch noch nicht bewiesen ist, macht alles noch komplizierter. Woher will man das denn auf einmal wissen?

    Es werden so viele angeblich neue Informationen per Medien verbreitet und diskutiert, dass ich mich frage, was überhaupt wahr ist und was falsch.

    Eine sehr seltsame Geschichte, alles in allem ...