NSU-Prozess in München: Liese 1111 mag Pornos
Ermittler werten das Youtube-Konto der NSU-Angeklagten Beate Zschäpe aus – und finden auch Beiträge über Taten der Rechtsterroristen.
Die Ermittler hatten schon 2012 ein Rechtshilfeersuchen an die US gestellt – nun liegen offenbar die Daten vor. Demnach sollen mit dem Account insgesamt 784 Beiträge angeschaut worden sein, fast die Hälfte über die Pornoindustrie. Darunter aber auch eine „Aktenzeichen XY“-Sendung von Mai 2008 über den Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn. Der Fall war damals noch ungelöst – bis sich 2011 der NSU dazu bekannte. Auch Beiträge über Banküberfälle, die mutmaßlich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begingen, standen auf der Liste.
Zschäpe schweigt bisher zu den Vorwürfen. Dass mutmaßlich sie die Videos ansah, wäre aber ein weiteres Puzzlestück für die Anklage, dass sie über die Taten des NSU Bescheid wusste. Die 40-Jährige las den Bild-Artikel am Mittwoch fast ungerührt in einer Pause des Münchner NSU-Prozesses, besprach ihn mit ihrem Neuverteidiger Mathias Grasel. Das BKA wollte sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern.
Auch im Prozess wurde Zschäpe belastet und ihr Aggressivität attestiert. Ein 61-Jähriger berichtete über den vierten Unterschlupf des 1998 untergetauchten Trios, eine Wohnung in der Wolgograder Allee in Chemnitz. Dort, so der Zeuge, habe auch seine Mutter gewohnt. Zschäpe habe er ab und an im Treppenhaus getroffen. Als sich seine Mutter mal bei der Nachbarin über laute Musik und aus dem Fenster geworfene Zigarettenkippen beschwerte, habe Zschäpe sie angefahren: „Sie soll sich um ihr eigenes Zeug kümmern.“ Die Angeklagte folgte dem erneuten Vorwurf der Aggressivität mit genervter Miene.
Dreister Auftritt
Ein früherer Neonazi-Freund versuchte dagegen, Zschäpe in Schutz zu nehmen – mit einem der bisher dreistesten Auftritt vor dem NSU-Prozess. Marco B., früherer Kader des „Thüringer Heimatschutzes“, erschien vor Gericht im Anzug, mit Krawatte und schnittig gegeltem Seitenscheitel. Zschäpe habe sich damals in der rechten Szene „nicht nach oben hervorgetan“, behauptete er.
Nicht mal, ob Zschäpe zur Kameradschaft Jena gehörte, wollte er sagen – ein kaum strittiger Fakt. Auch habe er keinen besonderen Draht von Zschäpe zu Mundlos und Böhnhardt damals gesehen. An Namen mochte sich Marco B., trotz jahrelangen Engagements in der Szene, ohnehin fast nicht erinnern.
Dafür kanzelte er die NPD als zu lasch ab. Der „Heimatschutz“ dagegen, so B., habe sich „frei“ und „gauweit“ organisiert. Man habe sich für ein „besseres Deutschland“ eingesetzt, für ein Land mit Umweltschutz, ohne Kriegseinsätze oder, ergänzte er nassforsch, „für ein Land, in dem es keine dreijährige Gefangenschaft ohne Urteil gibt“ - ein Verweis auf die Inhaftierung Zschäpes.
Richter Manfred Götzl platzte mehrmals der Kragen. „So nicht“, polterte er. „Was sollen diese Mätzchen?“. Marco B. entgegnete, Götzl solle seine Fragen „anders stellen“. Der Richter zürnte: „Es geht hier nicht darum, was Sie wollen.“ Nur: Wesentliche Erkenntnisse erhielt er von Marco B. nicht mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“