Staatsanwaltschaft weist Anzeige ab: Schlappe für Zschäpe
Die Staatsanwaltschaft weist eine Anzeige der Angeklagten im NSU-Prozess gegen ihre Anwälte ab. Richter beschlagnahmt Akten von Verfassungsschützer.
Am Freitag hatte Zschäpe ihre Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm wegen angeblicher Verletzung der Schweigepflicht angezeigt. Diese hätten sich am Rande des NSU-Prozesses mit Richter Manfred Götzl über ihre Aussagebereitschaft ausgetauscht.
Die Staatsanwaltschaft sieht darin kein Problem: Es handele sich „um ein legitimes Verhalten von Verteidigern“. Auch wurden „keinerlei Informationen weitergegeben, die sich auf die Frage der Schuld oder Unschuld der Angeklagten beziehen“.
Damit scheitert ein weiterer Versuch Zschäpes, ihre Verteidiger loszuwerden. Vergangene Woche stellte die Hauptangeklagte zudem einen neuerlichen Entpflichtungsantrag gegen das Anwältetrio. Über den hat der Senat noch nicht entschieden.
Womöglich zielt Zschäpe darauf, Revisionsgründe nach einem Urteilsspruch zu schaffen. Bisher spricht die Beweisaufnahme für eine hohe Haftstrafe. Zschäpes jüngste Auftritte passen in das Bild der Anklage: Sie zeigen weniger die unbedarfte Hausfrau, wie es die Verteidigung gern hätte, als eine dominante Strippenzieherin.
Auch die Andeutung Zschäpes, doch noch auszusagen, scheint Taktik zu bleiben. Trotz neuem, viertem Anwalt schweigt sie im Prozess weiter. Offenbar will sich Zschäpe dieses letzte Machtmittel – die Spekulation um eine Aussage – dennoch nicht nehmen lassen. So wäre zu erklären, dass sie so drastisch, mit einer Anzeige, auf ein Gespräch ihrer Anwälte über dieses Thema reagierte.
Der Senat setzte davon unbeeindruckt am Dienstag den Prozess regulär fort und befragte einen Brandenburger Verfassungsschützer. Dieser betreute in den Neunziger Jahren den V-Mann Carsten „Piatto“ Sz., der auch Hinweise auf Kontaktleute und Banküberfälle des NSU-Trios lieferte – die zwischen den Ämtern versandeten.
Der Geheimdienstler erschien mit Perücke und gab sich, wie bei seinem ersten Auftritt Anfang Juli, wortkarg. Auf Fragen blätterte er wiederholt in einem mitgebrachten Aktenordner. Verteidiger und Nebenkläger-Anwälte verlangten darauf die Herausgabe der Dokumente.
Richter Götzl kam dem nach längerer Beratung nach: Er verfügte, die Akten einzuziehen und zu kopieren – ein Novum im Prozess. Der Verfassungsschützer muss nun noch einmal erscheinen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen