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NSU-Akten und die Grünen in HessenEinfach nur peinlich

Die Hessen-CDU verweigert die Offenlegung von NSU-Akten. Und die mitregierenden Grünen machen dabei mit – ohne auch nur ein kritisches Wort.

Schweigsam: Der Grüne Al-Wazir und der CDUler Bouffier Foto: Kai Pfaffenbach/reuters

E s ist ein Trauerspiel. Die Grünen geben darin nicht die Schurken. Sie taugen aber auch nicht für die Rolle der tragischen Helden. Es ist einfach nur peinlich, wie sie aus Rücksicht auf den ehemaligen Landesinnenminister und heutigen Regierungschef Volker Bouffier die Offenlegung der „NSU-Akten“ verweigern.

Der angeblich erforderliche Schutz von Informanten, gar der „Sicherheitsarchitektur“, ist vorgeschoben. Findige JournalistInnen hatten offenbar Gelegenheit, die 38 Seiten des Dossiers zu lesen. Sie erfuhren darin weder die Namen verdeckter Ermittler noch geheimer Informanten oder ihrer Führungspersonen. Sie berichten auch nicht über kluge Strategien im Kampf gegen rechte Gewalt.

Die Berichte sind die schonungslose interne Bilanz des eigenen Versagens, zu dem der damalige Innenminister Boris Rhein, CDU, den Verfassungsschutz nach der Selbstenttarnung des NSU gezwungen hatte. Mit ihrer Weigerung, die Berichte offenzulegen, stelle die Grünen den Verfassungsschutz und den damaligen Innenminister unter ihren Schutz.

Günter Rudoph, der erfahrene innenpolitische Kämpfer der SPD, erinnerte seinen früheren Oppositionspartner und heutigen Minister, Tarek Al-Wazir, daran, wie der damalige Innenminister die Opposition an der Nase herum geführt habe: Die Landesregierung wusste früh von der dubiosen Rolle des damaligen „Verfassungsschützers“ Andreas Temme, der beim Mord von Halit Yozgat am Tatort gewesen war und sich nicht einmal als Zeuge gemeldet hatte.

Bouffiers Staatssekretärin war für die vertrauliche Runde mit der Opposition auf Nachfragen vorbereitet, sollte etwas von den ungeheuerlichen Vorgängen durchgesickert sein. Damals empörte sich der Grüne Al-Wazir noch zu Recht über Bouffiers Hinhaltetaktik bis hin zur Rücktrittsforderung.

Stumm verfolgte er dagegen jetzt die Landtagsdebatte. Von den Regierungsgrünen kein kritisches Wort. Und die eher laschen Kommentare aus der Bundespartei lassen erahnen, wie der Hase nach der Bundestagswahl laufen dürfte, sollten Grüne und CDU auch dort zusammen regieren.

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Christoph Schmidt-Lunau
Autor
Von 2016 bis 2024 taz-Korrespondent für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Davor u.a. Moderator, Reporter und CvD bei SWF3 sowie Programmdirektor von radioffn, 15 Jahre lang Landtagskorrespondent für den Hörfunk von hr und ARD, gleichzeitig Autor für den Tagesspiegel 1980 Dipl.Soz. und Wiss. Mitarbeiter Goethe Uni Frankfurt
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17 Kommentare

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  • Die Grünen sollten sich gut überlegen, ob es weiterhin vertretbar ist, mit der CDU unter Bouffier zu koalieren, der in dieser Angelegenheit sein persönliches Interesse an der Geheimhaltung hat. Traurig und skandalös, dass man die Angehörigen der Terroropfer wieder und wieder mit dieser Vertuschung vor den Kopf stößt und ihren Schmerz verschlimmert..

  • Einfach nur traurig. Aber nicht der erste und auch nicht der letzte Skandal, der gar nicht aufgeklärt werden SOLL.

  • Grüne ist nicht mehr was in 90er oder 2000er war...

    Grüne/B90 ist neue Mainstream geworden. Eine neue Mitte(!)...



    Wie von unserer großen Presse gelobt ist...

    Grüne in Hessen oder Baden-Württemberg sind gute Beispiele von neue Mitte(!)...

  • Die Haltung und die Statements der Hessischen Grünen sind ernüchternd müssen unbedingt im Wahlkampf als kritische Stolpersteine in den Medien einbezogen werden.



    Dieses Verhalten sollten wir den Grünen nicht so einfach durchgehen lassen.



    Damit torpedieren die Grünen-Hessen eine ausichtsreiche Bundestagswahl. Das ist mindestens so parteischädlich, wie Boris Palmers mediale Ego-Tripps.

  • Bin bei den Grünen gerade erst eingetreten, denke schon wieder über Austritt nach. Selbst schuld, klar, aber dass man die Opfer und die Angehörigend der Opfer des NSU 2021 NOCH mal mit Füßen tritt, nämlich von grüner Seite, das hätte ich nicht gedacht. Gerade auch auf Grund der TAZ-Recherchen sah es gut aus für eine Offenlegung der Akten. Es ist zum Weinen.

  • Schau ich auf die Grünen in Hessen oder auf Kretschmann in Baden-Württemberg - die 40 Jahre seit der Parteigründung haben ihre Spuren hinterlassen. Gucke ich 'gen Süden auf die österreichischen Grünen spüre ich ein deutliches Unbehagen.

    Andererseits sehe ich keinen Grund für die Annahme eine Annalena Baerbock würde sich in vergleichbarer Weise zum Gehilfen eines Nachwuchs-Autokraten wie Sebastian Kurz machen lassen. Die Begeisterung mancher Unionschristen und der Springer-Blätter für den alpenländischen "Penatenkanzler" halte ich für deutlich bedenklicher.

  • So überraschend ist das nicht ...

    ...denn die Brotschimmelfarbigen wollen doch ihren Kopulationspartner ganz sicher nicht von der Bettkante stossen....

  • Zitat aus Der Freitag:



    "Gegen die Stimmen von SPD, Linker und AfD blockieren sie, was die vor mehr als einem Jahr überreichte Petition verlangt. Dem Initiator der Petition, Axel Garbelmann, ist daher kaum zu widersprechen, wenn er sagt, die Grünen seien „Komplizen des Schweigens“. "

    www.freitag.de/aut...zen-des-schweigens

    GEGEN die Stimmen der AfD.... machen sich die Grünen zu Komplizen, die NSU Morde im Zusammenhang mit den Aktionen des VS nicht aufklären zu wollen. Da könnte ab Herbst mit SchwarzGrün noch etwas sehr Unappetitlcihes auf uns zu kommen.

  • ...das scheint Konsens, über die Parteien hinweg zu sein, die Menschen im Lande für Dumm zu verkaufen.



    Hatten wir jüngst in Hamburg mit cum ex erlebt.

  • RS
    Ria Sauter

    Endlich wird auch der TAZ klar wie der Hase läuft bei den Farben grün und schwarz.

  • Wenn demnächst keine klare Positionierung der Bundesebene der Grünen zu diesem Vorgang kommt, sollte Frau/Mann ihr bei der Wahl die Quittung geben.

  • Ach was!

    “ NSU-Akten und die Grünen in Hessen : Einfach nur peinlich“



    Nö. EINFACH NORMAL • - 😱 -

    • @Lowandorder:

      Ist das nicht das gleiche?

      • @Encantado:

        => Proseminar

  • Man kann aktuell in Hessen eine Vorausschau auf die Schwarz-Grüne Koalition im Bund ab Herbst besichtigen.

    • @Kaboom:

      Genau.. Und es kommt uns zu...

      Hessen und Baden-Württemberg sind gute Beispiele von neuer "Gesicht" der Grünen