NSA-Skandal und Selektorenliste: Her damit!
Die Opposition reicht in Karlsruhe Klage gegen die Regierung ein. Sie fordert die Herausgabe der NSA-Selektorenliste an den Untersuchungsausschuss.
Die Selektorenliste verzeichnet jene Suchbegriffe, mit denen der Bundesnachrichtendienst (BND) im Auftrag des US-Geheimdiensts NSA Datenströme auf potenziell wichtige Informationen durchkämmt hat. Es besteht der Verdacht, dass viele dieser Suchbegriffe problematisch waren – etwa weil sie sich gegen europäische Behörden oder Unternehmen richteten. Der Untersuchungsausschuss des Bundestags möchte Licht in diese Angelegenheit bringen.
Allerdings verweigert die Bundesregierung dem Ausschuss einen Einblick in die Liste. Zur Begründung verweist sie auf Geheimhaltungserfordernisse aus Staatswohlgründen und auf geheime Abkommen mit den USA über den Umgang mit Geheimdienstmaterial. Zugang zu der Liste hat derzeit nur eine von der Regierung selbst beauftragte Vertrauensperson, die dem Ausschuss Bericht erstatten soll.
„Dies ist ein völlig inakzeptabler Vorgang“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann bei der Vorstellung der Klageschrift. Die Weigerung der Bundesregierung sei ein „weitreichender Eingriff in Parlamentsrechte“. Ihre Linken-Kollegin Petra Sitte sagte: „An der Selektorenliste wird der Kern des Untersuchungsauftrags berührt, deswegen wollen wir hier nicht nachgeben.“
Der Verfahrensbevollmächtigte der Opposition, der Kieler Verwaltungsrechtler Wolfgang Ewer, wies die Argumentation der Bundesregierung zurück. „Wir gehen davon aus, dass es kein völkerrechtliches Verbot der Vorlage an den Bundestag gibt“, sagte er.
Der Jurist beklagte die umfangreichen Geheimhaltungsvorschriften der Bundesregierung in dem Justizverfahren: Weder die Begründung der Bundesregierung für die Nichtvorlage der Selektorenliste noch die einschlägigen völkerrechtlichen Abkommen mit den USA dürften veröffentlicht werden. In der 159-seitigen Klageschrift, die der Presse vorgestellt wurde, sind deshalb zahlreiche Passagen geschwärzt. „Dieser Umfang des Geheimschutzes erschwert die Darstellung unseres Antrags in der Öffentlichkeit“, sagte Ewer.
Die Klage hatte der Verfahrensbevollmächtigte nach eigenen Angaben am Mittwoch durch persönliche Übergabe an Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in Karlsruhe übergeben. Zum erwarteten Termin einer Entscheidung wollte sich Ewer nicht äußern; in den kommenden sechs Monaten erwarte er aber keinen Richterspruch in der Angelegenheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben