piwik no script img

NATO-Beitritte von Schweden und FinnlandMilanovićs Erpressung

Kroatiens Präsident stellt eine Bedingung für die Aufnahme: Das Wahlrecht in Bosnien soll sich zugunsten der dort lebenden Kroaten ändern.

Kämpft für ein ethnonational definiertes Wahlgesetz in Bosnien: Kroatiens Präsident Zoran Milanović Foto: Marko Djurica/reuters

Split taz | Zoran Milanović, seit 2020 Präsident des Nato- und EU-Mitglieds Kroatien, stellt den Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens infrage. Erst wenn EU und Nato das „Wahlgesetz in Bosnien und Herzegowina“ zugunsten der kroatischen Volksgruppe ändere, könne er grünes Licht für den Beitritt der beiden Länder geben.

Damit löste der 56-Jährige Entrüstung in Skandinavien und Stirnrunzeln im Nato-Hauptquartier aus. Denn ohne die Zustimmung aller Nato-Mitglieder ist der Beitritt der skandinavischen Staaten nicht möglich. Zwar registrierte man in Helsinki und Stockholm ein sofortiges Dementi der kroatischen Regierung unter Premierminister Andrej Plenković. Doch Fragezeichen bleiben. Auch die kroatische Regierung tritt für ein ethnonational definiertes Wahlgesetz in Bosnien und Herzegowina ein, weist aber die Erpressungsversuche des eigenen Präsidenten in Bezug auf die Nato zurück.

Deren Generalsekretär Jens Stoltenberg bekräftigte am Donnerstag die Beitrittsperspektive für beide Länder. „Wenn sie einen Antrag stellen, werden Finnland und Schweden mit offenen Armen empfangen“, sagte er. Milanovićs Intervention bleibt in Brüssel eine Fußnote. Und doch wirft der Vorgang die Frage auf, wie verlässlich einige der Bündnispartner sind.

Denn mit Viktor Orbán gibt es einen weiteren Kandidaten, der Sand ins Getriebe der Nato streuen könnte. Denn die EU droht angesichts der autokratischen Tendenzen des kürzlich wiedergewählten ungarischen Regierungschefs mit einer Kürzung der Subventionen in Milliardenhöhe für das Land. Das könnte in Budapest zu einer Trotzreaktion führen.

Kroatische und serbische Extremisten sympathisieren mit Putin

Ohnehin unterstützt Ungarn auf dem Balkan seit Längerem nationalistisch autokratische Positionen – so in Nordmazedonien und in Bosnien und Herzegowina – und treibt damit einen Keil in die EU-Außenpolitik gegenüber der Region. Mit Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi – der lange als rechte Hand Orbáns galt – hat die EU für die Region einen Vertreter gewählt, der mehr oder weniger offen die Positionen der ethnonationalistischen Radikalen in Bosnien und Herzegowina unterstützt. Mehr noch: Mit der kroatischen Lobby macht er in Brüssel Druck, das Wahlgesetz in dem fragilen Land zugunsten der kroatischen Nationalisten zu verändern. Die kroatische Regierung unter Premier Plenković, Milanović und Orbán ziehen da an einem Strang.

Den Extremisten Bosniens kommt entgegen, dass die rechten Kräfte in Europa eine Idee eint: Die „Christen“ Bosniens würden von den „Muslimen“, also den Bosniaken, unterdrückt. Auch viele ausländische Diplomaten in Sarajevo verstehen nicht, dass es die Bosniaken, die Nichtnationalisten und die Minderheiten sind, die europäische Werte in Bosnien und Herzegowina verteidigen. Demgegenüber lehnen die kroatischen und serbischen Extremisten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ab.

Im Ukraine-Krieg zeige sich, dass Sarajevo und die Bosniaken aufseiten der Ukraine stünden, während die extremistischen Führer der „Christen“ mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin sympathisierten, schreibt der Serbe und bosnische Sozialdemokrat Saša Magazinović in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an Milanović. Diesem wirft er vor, sich von einem Sozialdemokraten zu einem extremistischen Rechten gewandelt zu haben. Er habe keine Gelegenheit ausgelassen, die bosnische Mehrheitsbevölkerung zu beleidigen, moniert er und hofft, dass Milanović zu seinen linken Wurzeln zurückfinden möge. Dann könnte man auch wieder gemeinsam in Sarajevo Čevapi essen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Die ganze Zeit mit dem Finger auf die "bösen Serben" gezeigt und jetzt ist es ein EU-Mitglied, dass die NATO dazu benutzen will, um Bosnien zu zerstören. Was Doppelmoral so alles möglich macht, es ist kaum zu glauben.

  • Die Gefahr von den Neofaschisten, und dazu zählt Milanovic seit langem, ist in Europa real. Die Proeuropäer müssen sich hierzu klar positionieren und die Gefahr noch rechtzeitig abwenden.

    • @mrga:

      Milanović ist vieles aber Neofaschist!



      Er ist aus der Kroatischen SDP,



      wenn jetzt die SDP Politiker als Neofaschisten gelten, dann ist alles zu spät.

  • Wenn der Herr Izetbegović sagt: Solang die Moscheen voll sind ist Bosnien sicher.



    Solche Aussagen scheinen einige gerne zu überhören.

    Wenn mann aus Deutschland jemanden wegen Putin nähe kritisiert, ist das schon ein Witz.

    • @Bosnjak:

      Hier betreibt aber jemand ordentlich PR für die Nationalisten im Land. Ich freue mich, dass keiner drauf eingeht, weil man es wohl als solches erkennt und ignoriert.

  • Ein schönes Beispiel dafür, dass die Erweiterung der NATO nach Ost- und Südosteuropa ein Fehler war. Nicht wegen Russland, deren Propaganda darf man getrost ignorieren, sondern weil es die Organisation kulturell und bürokratisch überdehnt. Das gilt für die EU analog. Wer "Freunde" hat wie Milanović, Orbán und Kaczyński, braucht keine Feinde mehr.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Bussard:

      So ist es. Und wir laden uns noch mehr Probleme und Risiken auf. Nicht wegen Finnland oder Schweden. Das sind stabile Demokratien. Wenn es noch dazu kommen kann. Denn das Eskalations-Potenzial liegt nicht allein in Putins Hand: www.tagesschau.de/...-ukrainer-101.html

  • Herr Milanovic soll tatsächlich drohen, dass "die EU und die NATO" Bosnien-Herzegowina, weder EU- noch Nato-Mitglied, zu einer Änderung des Wahlrechts zwingen, und droht ansonsten mit einem Veto gegen einen NATO-Beitritt von Schweden und Finnland? Das lässt, wenn es stimmt, tief blicken, aber man kann das, in Bezug auf die geplanten Beitritte, getrost ignorieren. Die aktut notwendige militärische Beistandszusage an Finnland und Schweden lässt sich im Notfall vertraglich auch anders organisieren, und den politische Schaden wird der tragen, der sein Veto-Recht missbraucht.

    Ich fordere auch was, nämlich dass mein Nachbar jetzt nur noch rote Pullover trägt, und solange der das nicht tut, zahle ich meine GEZ-Gebühren nicht mehr. So!

    • @Barbara Falk:

      Ein NATO-Beitritt erfordert allerdings eine einstimmige Ratifizierung in den Parlamenten aller Mitgliedstaaten und das lässt sich eben schlecht ignorieren. Es wird schlicht eine versprochene und vereinbarte Zusammenarbeit von den Amerikanern erwartet,nicht mehr und auch nicht weniger,dabei hat Kroatien an der NATO Mitgliedschaft von Schweden und Finnland nichts auszusetzen.

  • Guter klarer Beitrag danke.

  • Juchuu, wir unterstützen faschistoide Tendenzen in der NATO. War schon immer so - siehe Griechenland und Portugal in den 1960ern.