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Mord an Tunesier in FrankreichMörderischer Araberhass

Ein Verbrechen in einer südfranzösischen rechten Hochburg erinnert daran, dass Rassismus tötet. Erstmals wird wegen Terrorismus ermittelt.

Trauer am Ort der Tat in Pudget-sur-Argens: Hier wurde Hichem Miraoui ermordet Foto: photo ABJ/imago

Paris taz | Am Mittwoch ist der 46-jährige Tunesier Hichem Miraoui in Kairouan im Beisein seiner Familienangehörigen beigesetzt worden. Er war am 31. Mai in seinem südfranzösischen Wohnort Puget-sur-Argens von einem 53-jährigen französischen Nachbarn aus rassistischen Motiven mit mehreren Schüssen getötet worden. Ein 25-jähriger türkischer Staatsangehöriger wurde beim Angriff an der Hand verletzt.

Es ist nicht das erste Mal, dass in Frankreich aus Rassismus getötet wurde. Da der Täter seinen Hass gegen Araber mehrfach und seit Jahren publiziert und seine mörderischen Absichten in einer Videobotschaft angekündigt hat, will nun die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen eines terroristischen Anschlags ermitteln. Das ist eine Premiere, die zeigt, dass die Gewalt von rechts in Frankreich endlich als Bedrohung ernst genommen wird.

Mit der schlichten Trauerfeier in Tunesien endet darum nicht die Geschichte eines simplen Streits zwischen Nachbarn mit tragischem Ausgang, wie dies der mutmaßliche Täter Christoph B. bei den polizeilichen Befragungen darstellen möchte. Wenige Tage bevor er auf den tunesischen Friseur fünf tödliche Schüsse feuerte, hatte er angeblich auf dessen Motorroller „Drecksaraber“ geschmiert.

Hichem Miraoui arbeitete seit zehn Jahren in Puget-sur-Argens als von seinen Kundinnen geschätzter Friseur. Seiner Schwester hatte er gesagt, dass er sich von B. bedroht fühle. Vergeblich habe er eine Annäherung versucht, indem er dem über die Einwanderung aus Nordafrika aufgebrachten Nachbarn ein Couscous brachte.

Mutmaßlicher Täter verbreitete Hass im Netz

Im Nachhinein bestätigen Bewohner der Kleinstadt im Hinterland der beiden südfranzösischen Mittelmeerstädte Fréjus und Saint-Raphaël, der anscheinend isoliert lebende Christoph B. sei für seinen „Araberhass“ bekannt gewesen. In den Netzwerken rief er unverhohlen zu antiarabischen Aktionen auf: „Wacht auf, holt sie, wo sie sind!“

Diese Hasspropaganda aber scheint in dieser Gegend, in der das rechtsextreme Rassemblement National laufend Wahlsiege feiert, nicht so selten gewesen zu sein, dass dies eine Behörde interessiert hätte. B. selbst rief zur Wahl von Marine Le Pen auf, drohte aber im Fall einer Niederlage mit Gewalt.

Mourad Battikh, der Anwalt der Familie Miraoui, macht „das heute in Frankreich herrschende politische Klima“ mitverantwortlich. Er spricht von einer „Ideologie“, die dazu führe, dass irregeleitete Individuen „im Namen der blau-weiß-roten Fahne die schlimmsten Verbrechen begehen“. Er erinnert daran, dass am 25. April in einer Moschee von La Grande-Combe bei Nîmes ein 22-jähriger Malier von einem 20-jährigen Franzosen mit 57 Messerstichen getötet worden war.

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8 Kommentare

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  • Stimmt irgendwie....allerdings sollte man an dieser Stelle nicht unter den Tisch kehren, wie prozentual viel größer der Antisemitismus von Muslimen in Frankreich ist, inklusive der entsprechenden Aggressionen und Morde. Gerade nach den kürzlichen Ausschreitungen in Paris von einer relativ homogenen Klientel aus den Pariser Vorstädten verstehe ich zwar die Intentionen der TAZ, aber es befremdlich mich irgendwie. Ein klarer, dialektischer Blick sieht irgendwie anders aus.

    • @Leningrad:

      Das ist perfide: ein Mensch wird in einer Moschee ermordet - und alles, was Ihnen dazu einfällt, ist dass Opfer mit einem Pauschalverdacht zu diffamieren. Das lässt tief blicken: für Teile der deutschen sind Muslime selbst dann noch schuldig, wenn sie ermordet werden. Dafür sollten Sie sich schämen.

    • @Leningrad:

      Whataboutism ist ein rhetorischer Trick, bei dem jemand auf eine Kritik nicht direkt eingeht, sondern stattdessen mit dem Hinweis auf ein anderes – oft ähnliches oder schlimmeres – Problem antwortet, um von der ursprünglichen Kritik abzulenken.

      Die Tötung eines Muslims durch einen Rechtsextremisten steht in keinem Zusammenhang zu Gewaltverbrechen von Muslimen an Juden in Frankreich. Denn weder war dies das Motiv für den rechtsextremen Täter, noch kann man behaupten die Tötung eines Muslims sei weniger schlimm, da diese ebenfalls rassistische oder antisemitische Morde in der Vergangenheit begangen haben.

      • @Myra13:

        Es geht auch nicht darum, etwas als "weniger schlimm" darzustellen. Dem individuellen Opfer ist es schließlich egal, von wem es getötet wurde. Es ist ja tot.

        Für die Lebenden ist es hingegen durchaus wichtig, hinzuschauen, von wem welche Art von Verbrechen unter welchen Umständen begangen werden und ob es über die individuellen Tatmerkmale hinaus Gemeinsamkeiten unter Täter- wie Opfergruppen gibt.

        Ich weiß, dass das in gewissen Kreisen nur legitim ist, wenn dabei ein politisch erwünschtes Ergebnis herauskommt. Deshalb werden solche Betrachtungen auch nur äußerst selektiv vorgenommen und im Zweifelsfalle solche ablenkenden Vorwürfe wie "Whataboutism" aus dem Hut gezaubert, um nur die eigene Perspektive gelten zu lassen.

  • Alles Handeln basiert auf einem Menschenbild. Um diese Menschenbilder kümmert man sich nicht. Es wäre die Aufgabe von Politik, diese nicht nur zu formulieren, sondern auch zu gestalten. Man versäumt es weiterhin. Und dann kommen solche "Ergebnisse" zustande.

    • @Salinger:

      Es ist die Politik, die Feindbilder systematisch in den Köpfen vieler Menschen verankert. Nicht nur in Frankreich. Dass rechte Gewalt "endlich" ernst genommen wird, wage ich zu bezweifeln. gerade einige der Minister Macrons sind rechte und muslimfeindliche Hardliner.

      • @Minelle:

        Welche Politik und welche Politiker haben denn das Feinbild in die Köpfe von 12 und 13 jährigen Muslimen verankert, die 12 jährige Mädchen vergewaltigen, weil sie Jüdinnen sind? Melenchon? Rima Hassan?

        www.spiegel.de/pan...-9b59-285eefad5cdb

        Es ist einfach und billig, immer nur auf die da oben mit dem Finger zu zeigen. Und dann immer auf dieselben.

      • @Minelle:

        Ja, in der Tat nicht nur in Frankreich. Das können wir auch hier bei uns beobachten. Jeden Tag - inklusive der rechten und muslimfeindlichen Protagonisten in höchsten Positionen.