piwik no script img

Mord an Georgier in BerlinKeine Sicherheit vor Russland

Geschah der Mord im Berliner Tiergarten 2019 im Auftrag Moskaus? Wenn sich diese Vermutung bestätigt, könnten Russland Sanktionen drohen.

Beamte der Spurensicherung sichern in einem Pavillon Spuren am Tatort im Tiergarten im August 2019 Foto: Paul Zinken/dpa

Eigentlich sollte der mutmaßlich vergiftete russische Regimegegner Alexei Nawalny in Berlin in Sicherheit sein. Es ist aber nicht übervorsichtig, dass er dort vom Bundeskriminalamt bewacht wird. Immerhin wirft die Bundesanwaltschaft derzeit Russland einen Auftragsmord in Deutschland vor, den sogenannten Tiergartenmord.

Am 23. August 2019, also vor fast genau einem Jahr, wurde im Berliner Park Kleiner Tiergarten ein Georgier getötet. Der Täter kam mit einem Fahrrad von hinten, schoss von der Seite auf den Mann und exekutierte ihn schließlich mit zwei weiteren Kopfschüssen. Das Opfer war ein Tschetschene mit georgischer Staatsbürgerschaft, der seit 2017 als Asylbewerber in Deutschland lebte. In Russland galt er als Terrorist.

Aufgrund von Zeugenaussagen konnte der Täter kurz nach der Tat festgenommen werden. Es handelt sich um den Russen Wadim Krassikow, der nun in U-Haft sitzt, aber eisern schweigt. Er war erst am Tag vor der Tat in Berlin eingetroffen. Mittäter mussten das Opfer vorher ausgespäht und den Anschlag logistisch vorbereitet haben. Die Helfer sind bisher unbekannt.

Zunächst führte die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen. Erst im Dezember 2019 übernahm die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe den Fall, als sich immer mehr abzeichnete, dass es um Staatsterrorismus geht.

Manche Beobachter sehen in der schlechten Tarnung sogar Absicht: ein Signal an Gegner, dass sie nirgends sicher sind.

Wichtigster Beweis: eine Faxnummer

Am 18. Juni dieses Jahres erhob die Bundesanwaltschaft Mordanklage gegen Wadim Krassikow. In der Anklage ist von einem „Tötungsauftrag“ die Rede. Hinter dem Mord stünden „staatliche Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation“.

Der Visumsantrag Krassikows wurde von einer Tarnfirma ohne echten Geschäftsbetrieb gestellt. Ihre Faxnummer ist identisch mit den Nummern von zwei Firmen des russischen Verteidigungsministeriums. Manche Beobachter sehen in der schlechten Tarnung sogar Absicht: ein Signal an Gegner, dass sie nirgends sicher sind.

Das Kammergericht hat am 10. August die Anklage gegen Krassikow zugelassen. Der Prozess soll noch in diesem Jahr beginnen. Außenminister Maas (SPD) macht Sanktionen vom Ausgang des Gerichtsverfahrens abhängig. Im Dezember wurden zwar bereits zwei russische Geheimdienstler ausgewiesen – aber nur wegen mangelnder Kooperation bei der Aufklärung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Egal, ob die deutschen Behörden die von Russland gewünschten Informationen liefern oder nicht: Ich kann mir nicht vorstellen, dass aus Russland eine andere Antwort käme, als: „Wir waren’s nicht“.



    Die Ermittler sind in einer Zwickmühle: Liefern sie nicht, können sie sich nicht auf gerichtsfeste Beweise berufen.



    Liefern sie, werden das die Russen schlimmstenfalls benutzen, um intern den Schuldigen zu finden, der für die schlampige Durchführung der Aktion verantwortlich ist, wobei zwar die Zielperson erschossen wurde, der russische Todesschütze aber der deutschen Polizei in die Hände fiel.



    Die russischen Geheimdienste werden dann aus den gemachten Fehlern lernen. Beim nächsten Mal wird nicht mal mehr der Verdacht aufkommen, dass Russland damit zu tun haben könnte.



    Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Russland nicht nur die technischen Möglichkeiten, sondern auch ein gewichtiges Motiv hätte: Nämlich die eigenen Whistleblower zu warnen. Und klarzumachen: Der Arm von Mütterchen Russland reicht weit!

  • „Die Zeitung ein Mittel,



    Um etwas zu verkünden?



    Es gilt, zum passenden Titel



    Das Ereignis zu finden!“

    (Karl Kraus)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Das Ereignis wurde schon gefunden: ein Aufragsmord