Monsanto-Prozess in den USA: Rekordstrafe wegen Glyphosat
Ein US-Gericht verurteilt Bayer zu zwei Milliarden Dollar Schadenersatz an ein Ehepaar. Es hatte häufig Glyphosat gespritzt und ist an Krebs erkrankt.
Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff und ein Symbol für die chemiegetriebene Landwirtschaft. In Europa wird diskutiert, den Unkrautvernichter zu verbieten. Das Gift tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt.
Die Anwälte der Kläger sprachen von einem „historischen“ Strafmaß. In den beiden früheren Glyphosat-Fällen wurde Bayer zu Schadenersatzzahlungen in Höhe von 80 Millionen beziehungsweise 289 Millionen Dollar verurteilt.
Mit dem aktuellen Urteil steigt das Prozessrisiko für Bayer durch die Übernahme von Monsanto im vergangenen Jahr weiter. Insgesamt sind in den USA noch mehr als 13.000 Klagen wegen Glyphosat anhängig. Schon nach den ersten Urteilen fiel der Aktienkurs von Bayer um rund 40 Prozent. In einem für ein großes deutsches Unternehmen einmaligen Vorgang weigerten sich die Aktionäre daraufhin, den Vorstand bei der Hauptversammlung zu entlasten.
Gericht: Monsanto habe die Risiken kennen müssen
Die Jury in Oakland stellte fest, dass RoundUp ein „substantieller Faktor“ war, der den Pilliods Schaden zugefügt habe. Das Mittel hat laut Urteil „potenzielle Risiken“, die Monsanto bekannt sein mussten. Die Firma habe fahrlässig gehandelt.
Die Geschworenen hätten firmeninterne Dokumente einsehen können, aus denen hervorgehe, dass Monsanto „niemals irgendein Interesse daran hatte, herauszufinden, ob Roundup sicher ist“, teilte Klägeranwalt Brent Wisner mit. Anstatt in „korrekte Wissenschaft“ zu investieren habe das Unternehmen sein Geld in Angriffe auf die Wissenschaft gesteckt, die „ihren Businessplan bedrohte“. So schrieb Monsanto dem Anwalt zufolge selbst entlastende Studien, die dann angeblich unabhängige Wissenschaftler in Fachzeitschriften veröffentlichten. Die US-Umweltbehörde EPA habe diese Artikel zitiert in ihren Stellungnahmen, die Glyphosat als sicher einstuften.
Interne Dokumente der Firma hätten auch bewiesen, dass Monsanto die EPA und andere Zulassungsbehörden beeinflusst habe. Zudem habe das Unternehmen eine PR-Kampagne gestartet, um ihm gemäße Artikel etwa bei der Nachrichtenagentur Reuters zu platzieren. Die erste US-Zulassung aus dem Jahr 1974 habe auf Studien eines Labors basiert, das regelmäßig Daten gefälscht habe. Drei Führungskräfte dieses Labors seien später wegen Betrugs verurteilt worden.
Konzern wehrt sich
Bayer teilte mit, es sei von der Entscheidung der Jury „enttäuscht“ und werde dagegen Rechtsmittel einlegen. Um zu dem Schluss zu kommen, dass das Mittel tatsächlich an den Krebsdiagnosen des Paares schuld ist, hätte die Jury nach Meinung des Unternehmens feststellen müssen, dass die Krebserkrankungen der Kläger ohne den Einsatz von Roundup nicht eingetreten wären. Dafür gebe es aber „keine verlässlichen wissenschaftlichen Nachweise“, erklärte Bayer. Vielmehr bestehe ein weltweiter Konsens unter Zulassungsbehörden, wonach Produkte auf Glyphosatbasis sicher verwendet werden könnten.
In der Forschung ist die Frage, ob Glyphosat eine krebsauslösende Wirkung hat, umstritten. Die US-Umweltbehörde EPA und auch die Aufsichtsbehörden in der EU und Deutschland gelangten zu dem Schluss, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgeht. Dagegen konstatierte die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) 2015, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ sei. Sie beurft sich unter anderem auf Tierversuche, bei denen mit Glyphosat gefütterte Ratten und Mäusen Tumoren entwickelten.
Bayer verwies in seiner Stellungnahme auf die Einschätzung der EPA, zu der das Jury-Urteil „in direktem Widerspruch“ stehe. Roundup werde „seit mehr als 40 Jahren weltweit sicher und erfolgreich verwendet“, erklärte das Unternehmen weiter.
Auch taz auf Geheimliste von Monsanto?
Das Urteil fiel kurz nachdem Bayer sich für eine geheime Liste entschuldigt hatte, auf der Monsanto die Namen und weitere persönliche Angaben von Kritikern des Unternehmens festgehalten hatte. „Nach einer ersten Analyse verstehen wir, dass ein solches Projekt Bedenken und Kritik ausgelöst hat“, erklärte Bayer am Sonntag in Leverkusen.
PR-Agenturen sollen nach einem Bericht des französischen Senders France 2 vom Donnerstag ab 2016 eine Liste mit Kritikern in Frankreich im Auftrag des US-Konzerns geführt haben. Darin waren laut dem Bericht zuletzt rund 200 Namen aufgeführt – mit Noten von 0 bis 5, je nach Einfluss und Grad der Unterstützung für Monsanto.
Die Politiker, Wissenschaftler oder Journalisten wurden mit Privatadresse, Telefonnummer und sogar ihren Hobbys gelistet. Monsanto wollte die Kritiker demnach „erziehen“ und besonders hartnäckige Gegner sogar „überwachen“. Bayer betonte, keine Kenntnis davon gehabt zu haben.
Das Unternehmen teilte der taz am Montagabend mit, es gehe davon aus, „dass es ähnliche Listen auch für andere europäische Länder gegeben hat.“ Bayer habe eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, den Fall zu untersuchen. Sollte auch der Autor dieses Artikels betroffen sein, werde sie ihn informieren.
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