Mögliche Kandidatur um Laschet-Nachfolge: Helge Braun als CDU-Chef?
Der Noch-Kanzleramtsminister wird als möglicher nächster Parteichef gehandelt. Der hessische Landesverband könnte ihn am Freitag nominieren.
Am kommenden Freitag werden die Parteigremien der hessischen CDU über die Nachfolge des scheidenden CDU-Vorsitzenden Armin Laschet beraten. Soviel steht fest. Nicht bestätigt ist dagegen ein Meldung, die in Wiesbaden am Rande des Landtagsplenums die Runde machte. Danach will der bisherige CDU-Bundesvize und Landeschef, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, Helge Braun als Kandidat für den Bundesvorsitz der Partei vorschlagen.
Mehrfach war Braun zuletzt bereits als möglicher Nachfolger Bouffiers in Hessen genannt. Mit der Nominierung für die CDU-Bundesspitze könnte Bouffier Braun auch den Stabwechsel im eigenen Land vorbereiten.
„Zu gegebener Zeit“ werde er einen Vorschlag für seine Nachfolge in Hessen machen, antwortete der Partei- und Regierungschef Bouffier zuletzt gebetsmühlenartig auf die immer drängenderen Fragen über seine persönliche Zukunft. Bouffier, längst der dienstälteste Ministerpräsident der Republik, feiert im Dezember seinen 70. Geburtstag. Bei der nächsten hessischen Landtagswahl, im September 2023, wäre er 72 Jahre alt. Im Januar wird er länger als hessischer Ministerpräsident amtiert haben, als jeder andere CDU-Politiker vor ihm.
Braun könnte passen
Energisch und diszipliniert versieht Bouffier seine Ämter, die ihm noch erkennbar Spaß machen. Eine Krebserkrankung hat er überstanden. Eine frühere Unfallverletzung meldet sich allerdings schmerzhaft zurück. Selbst offizielle Termine absolviert er gelegentlich in Turnschuhen, um Füße und Knochen zu schonen. Als der erste grüne Staatsminister Joschka Fischer sich einst in Sneakern vereidigen ließ, galt das für Bouffiers CDU noch als unverzeihlicher Tabubruch.
Die hessische CDU, die Fischer gerne als „Stahlhelmfraktion“ beschimpfte, hat sich verändert. Ein eher liberaler Politiker, wie der freundliche aber auch bestimmte Helge Braun, könnte passen.
Den als mögliche Nachfolger gehandelten CDU-Mitgliedern seines Kabinetts traut Bouffier den Job des Regierungschefs jedenfalls erkennbar nicht zu: Innenminister Peter Beuth, der lange rechte Machenschaften in der hessische Polizei schönredete, wäre eine Provokation für den Grünen Koalitionspartner, vor allem für dessen Basis.
Finanzminister Michael Boddenberg muss den Haushalt völlig neu ordnen, nachdem der Staatsgerichtshof das verabschiedete milliardenschwere „Sondervermögen“ zur Bewältigung der Pandmie als verfassungswidrig gekippt hat. Landtagspräsident Boris Rhein, ebenfalls CDU, gilt als Außenseiter. Zudem verfügt Schwarz-Grün im Landtags nur über eine Ein-Stimmen-Mehrheit. Ein Regierungswechsel mitten in der Legislaturperiode bliebe ein Risiko.
Die Grünen könnten in Hessen zum Problem werden
Mit dem Aufstieg Brauns ins Präsidium der Bundes-CDU, vielleicht auch nur als Bundesvize, hätte Bouffier beides erreicht. Bis zum Wahltag könnte er selbst Ministerpräsident bleiben. Würde ein Wechsel nötig, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen, stünde mit Helge Braun der dann ranghöchste CDU-Politiker bereit. Der hessische Ministerpräsident muss nicht über ein Landtagsmandat verfügen.
Nach Überzeugung der Strategen werden neben der Bundestagsfraktion die CDU-VertreterInnen im Bundesrat für den Neuanfang der Partei eine entscheidende Rolle spielen. Als Chef des Bundeskanzleramts hat Braun hier Erfahrungen sammeln können. In kniffligen Situationen hat Braun auch mit den Grünen Regierungsmitgliedern aus Hessen eine belastbare Vertrauensbasis aufgebaut.
Allerdings könnten der Grüne Koalitionspartner für ihn zur ernsten Herausforderung werden. In der neusten Umfrage in Hessen (INSA 22.10.21) lag die SPD (26%) deutlich vor der Union (20%), die Grünen gleichauf (ebenfalls 20%.). Mit Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir verfügen die Grünen über einen bekannten und populären Kandidaten, sogar für das Ministerpräsidentenamt.
Wenn die Zahlen es hergeben, könnte ein neues Bündnis die CDU auch in Wiesbaden in die Opposition schicken, nach mehr als 20 Jahren an der Regierung. So jedenfalls ist es zuletzt der CDU in den hessischen Großstädten Frankfurt, Offenbach, Wiesbaden und Darmstadt ergangen, in denen zuvor Schwarze und Grüne vertrauensvoll zusammengearbeitet hatten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja