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„Mitte“-Studie der Ebert-StiftungDer Riss

Die deutsche Gesellschaft erscheint gespalten: Eine Mehrheit verteidigt Demokratie und Flüchtlingspolitik. Doch der Rest radikalisiert sich.

„Keine Islamschweinerei in Altdorf“ fordern die Menschen rechts. Die auf der anderen Seite demonstrieren gegen die Demonstration Foto: dpa

Berlin taz | Als Angela Merkel ihre erneute Kanzlerkandidatur ankündigte, skizzierte sie auch ihre künftige Agenda. Für den Zusammenhalt im Land wolle sie arbeiten, für eine demokratische Streitkultur. „Dafür, dass wir gesprächsfähig miteinander sind.“

Es dürfte ein schwieriges Unterfangen werden. Wie aus der neuen „Mitte“-Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung und der Universität Bielefeld hervorgeht, ist die deutsche Gesellschaft gespalten wie seit Jahren nicht – in eine demokratiebejahende, offene Mehrheit und eine ressentimentvolle, gewaltgeneigte Minderheit.

Die Befragung zählt zu den renommiertesten Sozialstudien Deutschlands. Seit 2002 wird sie unter dem Schlagwort „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ alle zwei Jahre erhoben, anfangs vom Bielefelder Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer. Diesmal wurden 2.000 Personen telefonisch befragt, von Juni bis August 2016.

Und 84 Prozent von ihnen lieferten ein Bekenntnis: Die hiesige Demokratie funktioniere „im Großen und Ganzen ganz gut“. Eine Mehrheit, 56 Prozent, begrüßte auch die Aufnahme von Flüchtlingen. 41 Prozent gaben an, sie selbst oder Bekannte engagierten sich auch direkt für Asylsuchende. Und die Fremdenfeindlichkeit lag zwar immer noch bei 19 Prozent unter allen Befragten – vor zehn Jahren aber war sie doppelt so hoch. „Die Bevölkerung wird in ihrer grundsätzlich positiven Grundhaltung, ihrer Gelassenheit und ihrer Bereitschaft zum Engagement für Geflüchtete unterschätzt“, konstatieren die Studienautoren.

13 Prozent glauben an White Supremacy

Das Problem nur: Parallel radikalisiert sich eine Minderheit – mit genau entgegengesetzter Stoßrichtung und einiger Lautstärke. So gab gut jeder dritte Befragte an, in Deutschland lebten zu viele Ausländer. 40 Prozent erklärten, es brauche „endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl“. Ein Viertel befand, die regierenden Parteien betrögen „das Volk“. Und 13 Prozent waren überzeugt, die Weißen seien zu recht führend in der Welt.

Vorurteile bekommen vor allem zwei Gruppen zu spüren: Muslime und Flüchtlinge. Knapp jeder fünfte Befragte äußerte Ressentiments gegen Anhänger des Islams. Und – trotz aller grundsätzlichen Zustimmung der meisten zur Flüchtlingspolitik – stiegen auch die Vorurteile über Asylsuchende: von zuletzt 44 auf nun 50 Prozent. Im Detail erklärte etwa jeder Vierte, der Lebensstandard der Deutschen werde durch die Flüchtlinge sinken. Gerade bei dieser Kategorie gebe es auch kaum noch Unterschiede zwischen der Bildung und dem Einkommen der Befragten, bemerken die Wissenschaftler. Es herrsche ein „giftiger Konsens“ über alle Milieus hinweg.

Vorurteile als Meinung getarnt

Die Forscher sehen für die Ressentiments bereits einen jahrelangen Vorlauf. Mitverantwortlich sei aber auch die seit Monaten andauernde Flüchtlingsdebatte, die von den „Asylchaos-Kampagnen“ der AfD und anderer rechter Gruppen dominiert sei. Und das mit Folgen: Vorurteile würden inzwischen nicht mehr subtil kommuniziert, sondern „ganz offen als ‚eben eine Meinung‘ verteidigt“, warnt die Studie. Die Position, dass einige Menschen minderwertig seien, sei kein Tabu mehr – sondern werde zur Normalität.

Und: Die Gewaltbereitschaft steigt. Immerhin 14 Prozent der Befragten erklärten, bereit zu sein, sich „mit körperlicher Gewalt gegen Fremde durchzusetzen“. Unter Anhängern einer rechtspopulistischen Einstellung – 21 Prozent der Befragten – stimmte dem gar jeder Dritte zu. Zahlen des BKA zeigen, dass es längst nicht mehr bei Ankündigungen bleibt: Auch in diesem Jahr wurden dort bereits wieder 843 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte gezählt, 64 davon waren Brandstiftungen.

Von einem „tiefen Spalt, der derzeit kaum überbrückbar zu sein scheint“, schreiben die Studienautoren. Auf der einen Seite stehe „Wut, Hass und Aggression“, auf der anderen „eine gewisse Ratlosigkeit“.

Zu ganz ähnlichen Befunden war bereits im Sommer eine „Mitte“-Studie der Universität Leipzig gekommen. Und wie dort, kommt auch bei dem Bielefelder Pendant eine Gruppe besonders schlecht weg: die der AfD-Anhänger. Diese Gruppe ist nicht nur gewachsen – auf 26 Prozent der Befragten –, sie hat sich auch radikalisiert.

46 Prozent der AfD-Sympathisanten äußerten sich laut Studie fremdenfeindlich – vor zwei Jahren war es noch 33 Prozent. 43 Prozent zeigten sich zudem islamfeindlich, 74 Prozent lehnten Flüchtlinge ab – auch dies deutlich mehr als im Bevölkerungsschnitt. Die Studienautoren sehen diese Entwicklung im Einklang mit dem jüngsten Rechtsruck der AfD, bei dem auch Parteivordere über „völkische“ Politik räsonierten oder gegen „links-grün Versiffte“ wetterten.

Neurechte als Anheizer

Als Anheizer identifizieren die Wissenschaftler auch eine mit der AfD eng verbandelte Gruppe: die Neurechten. Diese wähnte Deutschland vom Islam unterwandert, von einem „Meinungsdiktat“ unterdrückt und forderte einen ethnisch homogenen Staat. Gemeint sind Leute wie der neurechte Vordenker Götz Kubitschek, der wiederholt auf Pegida-Aufzügen sprach.

Die Kategorie wurde erstmals abgefragt und umfasste immerhin 28 Prozent der Befragten. Einzelne neurechte Positionen finden auch Zustimmung darüber hinaus: So erklärten 40 Prozent, Deutschland werde durch den Islam unterwandert. Den Neurechten sei es gelungen, ihre Vorstellungen „bis weit in die Gesellschaft hineinzutragen“, halten die Autoren fest. Die Ideologie würde damit den klassischen Rechtsextremismus ablösen, der nur noch bei drei Prozent der Befragten festzustellen war. Die Forscher aber warnen: Auch die subtiler argumentierenden Neurechten werteten Gesellschaftsgruppen ab und stünden Gewalt nahe. Dies mache sie „nicht minder bedrohlich für die Demokratie“.

Was also tun? Die Wissenschaftler haben auch dazu einen klaren Vorschlag. Die Politik sollte sich mehr auf die demokratiezugewandte Mehrheit stützen. Die von AfD und Pegida propagierten Ängste dürften „nicht mit Fakten verwechselt und erst recht nicht weiter angestachelt“ werden. Stattdessen müssten die Aufgeschlossenen unterstützt werden. Die Zivilgesellschaft habe im Zuge der Flüchtlingshilfe ein „enormes Revival erfahren“ und einen „Schatz“ an Erfahrungen gesammelt. „Daran lässt sich anknüpfen.“

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36 Kommentare

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  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette.

  • So und die FES müsste noch zu dem wichtigen Schluss kommen, dass wir Hartz-V und Hartz-VI auf den Weg bringen müssen, um alle irgendwie jetzt zu alarmieren und zu radikalisieren, weil bei so viel Einheitsbrei (Regierungfraktion im Bundestag kommt auf 80 Prozent) muss ja irgendwer für Stimmung sorgen.

     

    Und na klar, die Ängste müssen auch geschürt werden, vor der AfD, vor dem Rand, vor irgendwem, die Hauptsache, die Leute wählen SPD/CDU/CSU/FDP/Grüne und zahlen ihre Rundfunkgebühren, damit alle das gleiche hören und sehen.

     

    Was ist denn so eine Studie wert? In der DDR waren gerade mal 15 bis 20 Prozent der Menschen für das System - dafür hielt sich die DDR dann ganz gut.

     

    Hier sind wohl 40 Prozent nach FES-Meinung fürs System, aber 10 oder 15 wollen schon randalieren und aussteigen? Die nächsten Wahlen entscheiden die Wähler, nicht die Studienanfertiger - die FES als SPD-Think-Tank sowieso nicht, sonst wäre die Partei ja bei plus 35 und nicht bei Minus 28 Prozent.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Andreas_2020:

      "Hier sind wohl 40 Prozent nach FES-Meinung fürs System, aber 10 oder 15 wollen schon randalieren und aussteigen?"

       

      "Und 84 Prozent von ihnen lieferten ein Bekenntnis: Die hiesige Demokratie funktioniere „im Großen und Ganzen ganz gut“."

  • Die Zivilgesellschaft habe im Zuge der Flüchtlingshilfe ein „enormes Revival erfahren“ und einen „Schatz“ an Erfahrungen gesammelt. „Daran lässt sich anknüpfen.“

     

    Sehr schön!

  • Schade, dass die taz hier völlig unkritisch die Inhalte der Studie wiedergibt.

     

    Das macht der Deutschlandfunk deutlich besser: http://www.deutschlandfunk.de/studie-die-enthemmte-mitte-politologe-haelt-mitte-studie.694.de.html?dram:article_id=357314

     

    (dass ich den Deutschlandfunk mal für kritischer halten würde als die taz hätte ich ja auch nie gedacht...)

    • @Yoven:

      Das macht der Deutschlandfunk vermutlich nicht besser. Der Interview-Partner, Prof. Schröder, hat nach eigener Darstellung an einer „Linksextremismus-Studie“ mitgewirkt. Wenn er diesen Begriff verwendet, ist er vermutlich Vertreter der Totalitarismus-Theorie und vergleicht menschenverachtende Haltung rechts mit den vollkommen anders gelagerten Zielen links (die heutige Linke redet ja keinem Stalinismus das Wort) und setzt als „richtig“ oder „gut“ die sogenannte Mitte an. Kein Wunder, dass ihm dann eine Studie, in der die Mitte als nicht mehr so existent dargestellt wird, nicht behagt.

      Allerdings kann er dennoch recht damit haben, dass die Fragen suggestiv und in ihrer Bipolarität nicht besonders aussagekräftig sind.

  • Um Lobbyismus zu konfontieren brauchen Sie nicht die AfD, sondern direkte Aktionen wie gegen die Jahrestagung der Immobilienwirtschaft in Berlin.

     

    Um nichtöffentliche Arbeitskreise öffentlich zu machen, ein paar Insiderinformationen.

     

    Um gegen Lohnsenkungen vorzugehen, gewerkschaftliche Organisierung.

     

    Alles andere sind rechtsradikale Propagandainhalte, denen die Leute aus Faulheit folgen.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    „… von zuletzt 44 auf nun 50 Prozent. Im Detail erklärte etwa jeder Vierte, der Lebensstandard der Deutschen werde durch die Flüchtlinge sinken. “

    Ob nun wirklich der Lebensstandard der Deutschen sinkt weiß ich nicht aber es ist faktisch korrekt das die Unterbringung von 2 Millionen Asylsuchenden nicht umsonst ist und zahlen tut am Ende der Steuerzahler. Die Kosten beliefen sich 2015 auf ~21 Milliarden Euro. Das sind gut 6,5% der Aufwendungen des Bundes. Mit dem Geld hätte man sonst etwas anderse machen können, von daher ist diese Aussage nicht weit hergeholt. Ich halte es für wahrscheinlich das sich die Friedrich-Ebert-Stiftung keinen Gefallen damit tut solch eine Aussage als „Vorurteile über Asylsuchende“ und „giftiger Konsens“ zu titulieren.

     

    Weiter wird sich dann beklagt der Diskurs werde von AfD und Co. dominiert. Das ist wohl wahr aber was will man auch erwarten, wenn andere Parteien durchweg nicht bereit sind von ihrer Position abzurücken. Da hat man natürlich schlechte Karten, wenn man nur mit „weiter so!“ werben kann hat man am Ende Trump als Präsidenten und einen Fize der glaubt man könnte Schwule mit Elektroschocks heilen.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Wieder so eine Milchmädchenrechnung: Was denken Sie denn, wo die Mrd. geblieben sind? Deutsche Unternehmen verdienen daran; arbeitslose Akademiker kommen nach DaF-Crashkursen in Lohn und Brot. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich bei den Ausgaben für die Bewältigung der Flüchtlingskrise quasi um ein Investitionsprogramm handelt.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @My Sharona:

        Egel für was der Staat die Milliarden ausgibt, am Ende landen Sie wieder im Wirtschaftskreislauf. Von daher läuft ihr Argument ins Leere.

        Wenn es nur darum ginge das Geld irgendwie auszugeben könnte der Staat auch Arbeitslose dafür bezahlen randalierend durch die Straßen zu ziehen. Was meinen Sie wie die dadurch entsehenden Schäden und Verletzungen den Bedarf an Handwerkern und Krankenschwestern anschwillen lassen! (Linke Wirtschaftslogik 101: Konsum durch staatliche Eingriffe ankurbeln!!!)

         

        Das DIW verweist zurecht darauf. Hilft Ihnen aber dennoch nicht, denn es ging überhaupt nicht um die Frage ob sich das langfristigt rechnet.

        Ginge es nur um ein lohnendes Investment, dann sollte sich der Staat mal mit dem norwegischen Modell eines Staatsfonds auseinandersetzen.

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @My Sharona:

        Diese Argumentation ist für viele Menschen zu komplex. Die kennen nur eine Seite des Bilanzbuchs.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      "Mit dem Geld hätte man sonst etwas anderes machen können". Hätte man, klaro. Hätte man aber nicht gemacht. Hat man ja vorher auch nicht.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @Karl Kraus:

        Also ich habe ja schon viel gesehen in der Politik aber das jemand sein Budget nicht ausreizt ist mir noch nie untergekommen.

        • @33523 (Profil gelöscht):

          Doch, jedes Jahr. Stichwort Infrastruktur

        • @33523 (Profil gelöscht):

          ...fragt sich allerdings für was, sicher nicht für arme und/oder kranke Deutsche oder gar für Entschädigungen an Opfer der deutschen Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg...

          • 3G
            33523 (Profil gelöscht)
            @Hanne:

            Das kann man sich fragen so viel man will fakt ist: Irgendjemand der es sonst bekommen hätte hat es nicht bekommen.

             

            "sicher nicht für arme und/oder kranke Deutsche"

             

            Ach wer weiß? Es gehen doch auch jetzt schon 40% ans Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Teufel scheißt bekanntlich auf den größten Haufen. Und der Größte Haufen ist der Sozialetat und zwar mit weitem Abstand! Der Nächstgrößte ist der Verteidigungsetat mit etwas mehr als einem Viertel dessen was für soziale Zwecke ausgegeben wird.

            • @33523 (Profil gelöscht):

              zu "Fakt ist" siehe

              http://www.taz.de/!5355796/

               

              "Das ist DDR-DNA, deren Sozialismus „wissenschaftlich“ war – was lästigen Meinungsstreit bürgerlich-gestrig erscheinen lassen sollte."

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Gut, dass jemand darauf hinweist.

       

      Früher wurde der rechte Rand soweit möglich innerhalb der CDU neutralisiert und vor allem in den demokratischen, gesellschaftlichen Diskurs eingeführt.

       

      Dank Alternativlos-Merkel, die sich einen Dreck um den zustand unserer Demokratie kümmert und dazu noch die Doktrin "Keine Partei rechts der CDU" aufgegeben hat ist nun die AfD stark.

       

      Schade, dass hier wieder nur die Symptome (eine starke AfD) benannt werden und nicht die Ursachen (schlechte Politik, 11 Jahre desaströser Politikstil).

      • @Yoven:

        Es ist ja nicht so, als hätte die CDU willentlich die Doktrin "Keine Partei rechts von uns" aufgegeben.

         

        Es ist hingegen so, dass die Rot-Grünen seinerzeit den Kampf gegen Rechts bewusst inszeniert haben, um auf diese Weise die CDU zu spalten und durch das Entstehen einer Rechtsopposition zu schwächen.

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @Rainer Möller:

          Die Linke hat den Kampf gegen Rechts sicher insziniert aber das sie dieses Ergebnis beabsichtigt haben glaube ich nicht. Das geht ja nicht zuletzt auch auf Kosten des linken Lagers.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Der Fieberthermometer vermeldet also steigende Temperaturen. Der Behandlungsvorschlag besteht darin sich auf die nicht infizierten Körperteile zu konzentrieren und den Rest zu ignorieren. Das bringt mich zur Überzeugung, wir werden von Scharlatanen therapiert. Der Virus kursiert im Kreislauf, das Einreiben der gesunden Körperteile mit Wellnesslotion ändert daran nichts.

     

    Wie man angesichts der Zahlen überhaupt auf sowas kommt erschließt sich mir nicht. Wenn zB 40% der Meinung sind "Deutschland werde vom Islam unterwandert", dann wird die Integration der Muslime nicht gelingen können, das ist dann ein Unding.

     

    Wenn 14% zur körperlichen Gewalt tendieren entspricht das einem Mob bestehend aus knapp 10 Millionen Kämpfern fürs Abendland.

     

    Sie zu ignorieren und sich auf die "Mitte" zu konzentrieren ist das Dämlichste was man gerade tun könnte. Fragt mich nicht was man tun muss, aber uns um die gemäßigte Mitte zu kümmern wird die Rechten nicht befrieden.

     

    Btw, wenn 26% der Befragten zum AfD-Fanclub gehören, wieso steht die AfD in den Wahlumfragen dann nur bei 12-14%? Kommt jetzt die Brexit-Trump-AfD-Überraschungsparty am Wahltag?

  • Die Trumpwahl hat doch wieder mal gezeigt, als wie unwahr sich die meisten Meinungsforschungen herausstellen, egal ob man ein paar hundert oder ein paar tausend Leute befragt. Nicht nur wegen der stark subjektiven Auslegungsmöglichkeiten, sondern schon wegen der Beliebigkeit der Antworten, die sich nach Laune und Wetter ändern können.

     

    Klar wird höchstens, daß auch ohne eine deutsche Version von FOX News, die meisten doch (gezwungenermassen) in einem Medientunnel stecken, dem man theoretisch leicht entkommen kann, es aber offensichtlicher leichter ist "Lügenpresse" zu schreien.

  • Ja mega angesagt ist der Endsieg im WeltKrieg gegen die Muslime, gegen den Islam, aus allen Ecken und Enden tönt dieselbe absolute Wahrheit - denn Sie wissen ja, über wen Sie reden.

     

    Trumps Michael T Flynn und der nationalistische, völkische Dugin konvergieren hierin:

    die Tschetschenische Lösung, oder wie focus am 27.03.2016 schrieb:

    "Wie Russland lernte, mit Islamisten nicht zu verhandeln."

    und weil alle Syrer Terroristen sind, ist die Ausrottung und der Endsieg über alle Syrer das beste - gell?

    Das ist der Gehalt der ganzen Lügenpropaganda von Sputnik, RT und Weltnetz_TV.

  • Bei einem dermaßen komplexen Ergebnisbericht hätte mich mal interessiert wie denn hier die INterviews geführt wurden!

     

    Es sieht nach ja / nein Fragen aus, was nach den Demoskopen Desastern der letzten Monate erst recht überprüft werden müsste ob hier die Methodik passt

     

    Sorry, renomiert hin oder her; da lese ich mal alles mit doppelter Vorsicht!

  • "Eine Mehrheit verteidigt Demokratie und Flüchtlingspolitik."

     

    Hier wird leider unzulässig vereinfacht.

    Die zur Bewertung gestellte Aussage zur Flüchtlingspolitik lautete:

    "Ich finde es gut, daß Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen hat"

    Dem stimmten

    35,1% der Befragten "voll und ganz zu"

    20,4% "eher zu"

    24,2% "teils zu / teils nicht zu"

    10,4% "eher nicht zu"

    9,9% "überhaupt nicht zu"

     

    Das ist auch zu erwarten, denn unser Grundgesetz und die Genfer Konvention (und wenn es gut läuft sogar unser Gewissen) verpflichten uns zur Aufnahme von Flüchtlingen. Es ist aber noch keine Aussage zur Qualität der Flüchtlingspolitik. Wie wäre z.B. die Aussage bewertet worden, wenn man das Wort "Flüchtlinge" durch "Migranten" ersetzt hätte.

     

    Interessant ist auch der Vergleich mit einer Spiegel/TNS-Umfrage vom September, die zum Ergebnis hatte, daß 82% (!) der Befragten sich mindestens eine teilweise Korrektur der Merkelschen Flüchtlingspolitik wünschen.

    • @jhwh:

      Bei der Spiegel-Umfrage wurde aber nicht deutlich, welche Art von Korrektur der Merkelschen Flüchtlingspolitik die Befragten eigentlich wünschten. (Eine Änderung der derzeitigen Flüchtlings- oder besser gesagt Flüchtlingsabwehrpolitik würde ich mir nämlich auch wünschen.)

       

      Da finde ich die Befragung hier schon aussagekräftiger.

      • @Earendil:

        Ja, mich hätte bei der Spiegel-Umfrage auch interessiert, welche Arten der Korrektur gemeint waren und wie sich die 82% darauf verteilen.

         

        Das ändert aber nichts daran, daß aus der aktuellen Umfrage gefährlich falsche Schlüsse gezogen wurden.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Diese oft stattfindende Verknüpfung von berechtigter Kritik an bestimmten Zuständen (Parteien, Lobbyismus, ggf. lohndumpingfördernde Zuwanderung) einerseits und den eindeutig rechtsextremen, ja sogar rassistischen Aussagen, ist einfach nur unsäglich.

     

    Man versucht damit die grundsätzliche Kritik zu verunglimpfen, nur weil sie auch von der falschen Seite kommt.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Sehe ich auch so. Andererseits bzw. zusätzlich könnte man zu der Studie auch einwenden, dass der "Riss" zwischen Demokraten und Rechtsextremen vielleicht nicht ganz so groß ist, wie gedacht. Und zwar nicht nur, weil sicher einige dieser Demokraten gemäß dem Bradley-Effekt am Telefon ihre häßlichen Meinungen schönreden. Sondern auch, weil in der ach so demokratischen Seite ja zunehmend Haltungen Konsens geworden sind wie z.B. "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen." "Wem's dreckig geht, der ist selber schuld." "Wer Hartzer ist, braucht nur mal einen Tritt in den Allerwertesten." Die soziale Kälte und das Treten nach unten ist hier spätestens mit der Agenda 2010 jahrelang als "Standortfaktor" und "Wettbewerbsfähigkeit" propagiert worden. Und da wundern sich die aufrechten Demokraten ernsthaft über die Auswüchse? SFischer weiter oben hat ganz recht: Der Virus kursiert im ganzen Körper.

      Schade, aber nicht verwunderlich, dass eine SPD-nahe Stiftung das nicht mehr kapiert.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Schön, die eigene Meinung so regelmäßig wie prägnant durch einen anderen formuliert zu finden.

  • Lieber Konrad Litschko,

    sie werfen hier zwei Studien zusammen ('vielleicht das nächste Mal auf wikipedia schauen?).

     

    Die Mitte Studien sind nicht die gleichen wie die zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, auch Deutsche Zustände genannt.

     

    Deutsche Zustände (Gruppenbezogene Menschenfendlichkeit) - Uni Bielfeld - Heytmeier et al.

     

    Mitte Studie - Uni Leipzig - Elmar Brähler, Oliver Decker und Johannes Kiess

     

    Die Mitte Studie wird außerdem nicht mehr von der Firedrich Ebert Stiftung, sondern von der Rosa Luxemburg (Linke), der Heinrich Böll (Grüne) und der Otto Brenner (Gewerkschaft) Stiftung finanziert.

    • @Datenbewegung:

      Beziehungsweise scheint es mehrere Mitte Studien zu geben und die FES hat nun ihre eigene