Missbrauch in der katholischen Kirche: Betroffener fordert Schmerzensgeld
Ein Mann verklagt das Erzbistum Köln auf 800.000 Euro Schmerzensgeld. Die Kirche hätte ihn vor dem Missbrauch durch einen Priester schützen müssen.
KÖLN epd | Nach Recherchen des WDR verlangt ein Betroffener von sexualisierter Gewalt 800.000 Euro Schmerzensgeld vom Erzbistum Köln. Wie der Sender am Freitag berichtete, ist das die erste derartige Klage gegen die Kirche als Institution in Deutschland. Zuvor hatte es aber schon Klagen gegen einzelne Kirchenobere gegeben, darunter Kardinal Ratzinger, den späteren Papst.
Laut dem Kläger sei die Beweislage eindeutig. Der Priester habe die Taten vor seinem Tod zugegeben: schwerer Missbrauch in mindestens 320 Fällen.
Dass eine Klage möglich ist, obwohl der Täter verstorben und die Taten eigentlich verjährt sind, begründe der Anwalt des als Kind zehn Jahre lang missbrauchten Klägers mit der sogenannten Amtshaftung der Kirche als öffentlich-rechtliche Institution. Die Kirche als öffentliche Institution sei verantwortlich für den Schutz der ihr anvertrauten Kinder. So stehe es auch in der Klageschrift, die dem WDR vorliege.
Im Zivilprozess prüfe das Gericht nicht von Amts wegen Fragen der Verjährung. Stattdessen müsse die beklagte Institution, in diesem Fall die Kirche, diese selbst aktiv geltend machen. Mennes Anwalt argumentiere nun, einen solchen Schritt könne sich die Kirche moralisch nicht leisten. Auch bei den Anerkennungszahlungen für Betroffene beriefen sich die Bischöfe nicht auf Verjährung, erklärt der Anwalt laut WDR.
Neues Gesetz „in Arbeit“
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat die Schmerzensgeldklage gegen das Erzbistum Köln begrüßt. Solche Verfahren seien zwar zumeist langwierig und für die Betroffenen „mühsam und belastend“, sagte sie am Freitag im „Morgenecho“ auf WDR5. „Aber natürlich dient es dazu, eine Rechtsklarheit zu haben: Gibt es einen Anspruch wegen Amtspflichtverletzungen?“ Dann könnten auch andere diesen Weg beschreiten.
Claus betonte erneut die Notwendigkeit einer größeren staatlichen Verantwortung für die Aufarbeitung von Missbrauch. Sie setze sich dafür ein, das Recht auf Aufarbeitung für Betroffene gesetzlich festzuschreiben. Damit könnten dann Institutionen verpflichtet werden, Betroffenen beispielsweise Akteneinsicht zu gewähren. Die Eckpunkte für ein entsprechendes Gesetz seien derzeit in Arbeit, und sie hoffe auf eine Verabschiedung bis zum Sommer 2023.
Die Klage soll am Freitag beim Landgericht Köln eingereicht werden. Das Erzbistum wies auf WDR-Anfrage darauf hin, dass der Täter 40 Jahre nach den Taten bestraft worden sei und dass man 2021 per Aufruf nach weiteren Betroffenen gesucht habe.
Leser*innenkommentare
Rudolf Fissner
Warum verklagt er nicht den Staat? Ist es nicht dieser, der jeden vor Den Missbrauch durch Lehrer, Trainer, Pfleger, Ärzte, Psychologen, Chefs, ... und ja auch durch Prister schützen muss.?
Es kann doch nicht sein, dass diese Aufgabe in private Hände gelegt wird und der Staat dabei Däumchen dreht.
Nd warum haben staatliche Stellen noch nicht mal ansatzweise dem Missbrauch Schutzbefohlenener untersucht und Berichte geschrieben, wie sie bei den Kirchen in jedem abistum gang und gäbe sind.
hessebub
@Rudolf Fissner Dank inter Sonderprivilegien hat die Kirche ja auch ihre eigene Gerichtsbarkeit und insofern ist sie schon die richtige Adresse. Der nächsten Schritt sollte dann sein, sämtliche Sonderrechte der Kirche abzuschaffen insbesondere die staatliche Eintreibung der Kirchensteuer, die staatliche Finanzierung kirchlicher Trägerschaften bei Beibehaltung kirchlicher Diskriminierungsrechte und letztlich auch die Zurückhaltung der Staatsanwaltschaft bei Ermittlungen innerhalb der Kirche. Diese ganze marod-mafiöse System gehört aufgebrochen, abgebrochen und desubventioniert.
Rudolf Fissner
@hessebub Das ist doch verschwörungstheoretischer Blödsinn. Das Kirchenrecht steht wie jede billige Vereinssatzung auch unter dem allgemeinen Gesetz in De. Die Kirchen sind da genausowenig mafiös wie ein Tischtennisverein es ist.
Bolzkopf
Ich bin dafür, dass man die Summe Tag für Tag mit 1,01 multipliziert so lange das Verfahren anhält.
Lowandorder
Mal zum rechtlichen Rahmen
Amtshaftung
Eine Amtshaftung ist eine besondere Form der Haftung, die der Staat oder andere öffentliche Körperschaften für Ihre Bediensteten übernehmen.
Voraussetzungen für eine Amtshaftung
Dem vorausgegangen sein muss eine Verletzung der Amtspflicht durch den Amtsverwalter des Staates (Beamte, Beschäftigte im öffentlichen Dienst) gegenüber einem Dritten. Der daraus entstandene Schaden muss zwingend ein Vermögensschaden sein, da der Staat dem Geschädigten nur finanziellen Ausgleich bzw. Schmerzensgeld entrichtet und keine Wiederherstellung des vorherigen Zustands in Natura leistet.
Rechtliche Grundlagen
In § 839 BGB heißt es, dass, sollte dieser Schaden vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt worden sein, der Beamte für diesen aufkommen muss. Wird dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last gelegt, kann er auch nur in Regress genommen werden, wenn der Geschädigte nicht auf eine andere Art und Weise Ersatz bekommen kann (Subsidiär-Haftung).
Sollte der Beamte seine Amtspflicht bei dem Urteil in einer Rechtssache verletzen, so wird er nur dann zur Verantwortung gezogen, wenn die Pflichtverletzung einer Straftat gleichkommt.
Hat der Geschädigte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, tritt die Ersatzpflicht nicht ein.
Dies muss grundsätzlich im Zusammenhang mit Art. 34 GG gesehen werden. „Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.“
Der Amtshaftungsanspruch verjährt nach drei Jahren.
www.procontra-onli...xikon/amtshaftung/
& wiki
de.wikipedia.org/wiki/Amtshaftung