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Ministerrücktritt in KolumbienEine Amtszeit voller Skandale

Bevor ihn das Parlament absetzt, tritt Kolumbiens Verteidigungsminister Botero zurück. Ihm werden Morde und Vertuschungen vorgeworfen.

Guillermo Botero (m) mit Präsident Ivan Duque (r.) und Kommandant Nicacio de Jesús Martinez (l.) Foto: dpa

Bogotá taz | Jetzt hat er es doch getan: Am Mittwochabend ist der kolum­bia­nische Verteidigungsminister Guillermo Botero zurückgetreten. Es ist ein Novum in der kolumbianischen Geschichte. Boteros 14 Monate im Amt waren von Skandalen geprägt.

Der ­Verteidigungsminister kam damit dem Misstrauensvotum des Parlaments zuvor. In der vorbereitenden Anhörung dazu hatte Senator Roy Barreras am Dienstag Unterlagen der Rechtsmedizin vorgelegt. Demnach waren im August bei einem Bombenangriff auf ein Lager von Farc-Dissidenten in der Region Caquetá unter den 14 getöteten „Verbrechern“ tatsächlich acht Minderjährige, darunter ein Mädchen von 12 Jahren. Auch wenn die Guerilla auch früher immer wieder Minderjährige rekrutiert hat: Diese Information hatte die Regierung verschwiegen, und das hat die Öffentlichkeit sehr aufgebracht.

Barreras legte zudem Unterlagen zum Fall des Bauernanführers Flower Trompeta vor. Der war laut Verteidigungsminister vor zehn Tagen im Kampf gestorben. Laut Rechtsmedizin wurde ihm jedoch in den Rücken geschossen und er starb wohl auf dem Bauernhof seines Vaters.

Am Dienstag hatte Botero einen Rücktritt noch kategorisch abgelehnt. Nach Recherchen der Wochenzeitung Semana hätte ihn jedoch als ersten Verteidigungsminister in der kolumbianischen Geschichte die für kommenden Mittwoch geplante Abstimmung über das Misstrauensvotum aus dem Amt befördert. Anders als beim ersten, gescheiterten Misstrauensvotum im Mai hätten diesmal sogar Parteien gegen ihn gestimmt, die sonst aufseiten der Regierung stehen.

Soldaten morden, der Minister vertuscht

Mehrere Skandale prägten Boteros Amtszeit, die vor allem mit außergerichtlichen Hinrichtungen durch Militärs zu tun hatten. Der größte war der um den ehemaligen Farc-Kämpfer Dimar Torres, der ein friedlichen Leben führen wollte und den Soldaten mit vier Schüssen ermordeten. Das Ganze kam nur ans Licht, weil Dorfbewohner ihn suchten und die Soldaten antrafen, die seine Leiche verscharren wollten.

Minister Botero leugnete und vertuschte von Soldaten begangene Morde

Botero sprach lange Zeit von einem Unfall und vertuschte die Tat. Der General der Einheit bat die Dorfgemeinschaft hingegen unmittelbar um Verzeihung für den Mord. Soldaten seiner Einheit hätten die Tat begangen, es sei aber keine Militäroperation gewesen. Botero leitete ein Straf- und Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Kurz vor den Regionalwahlen Ende Oktober wurde bekannt, dass Militärs den Mord in einem Whatsapp-Chat geplant hatten, wie die Zeitschrift Semana recherchierte.

Für großes Aufsehen sorgte auch ein Artikel in der New York Times zu erhöhten Quotenvorgaben für getötete Kriminelle und Rebell*innen. Gleichzeitig verlangten sie eine geringere Genauigkeit bei Militäroperationen.

Auch das weckte in Kolumbien Erinnerungen an einen der größten Skandale des Bürgerkriegs: „Falsos positivos“, in etwa: falsche gegnerische Verluste. So wurden beschönigend die etwa 5.000 Zivilisten genannt, welche die Armee auf Druck der Regierung in den 2000er Jahren ermordete, um Quoten zu erfüllen. Sie gaben sie als Guerilleros aus und kassierten Prämien.

Am Mittwochabend reichte Botero seinen Rücktritt ein. Als Begründung nannte er die „politische Konjunktur“ und betonte nochmals seine Erfolge im Kampf gegen den illegalen Koka-Anbau. Präsident Iván Duque, mit dessen Rückendeckung Botero alle Skandale überstanden hatte und der ihm für seine Arbeit dankte, ernannte am Mittwochabend General Luis Fernando Navarro zum neuen Interims-Verteidigungsminister. Navarro ist der aktuelle Kommandant der Streitkräfte.

Die Entscheidung ist brisant: Zum einen ist fraglich, ob ein Militär die Aufklärung befördert. Zum anderen ist es wohl verfassungswidrig: Laut Artikel 219 dürfen Mitglieder der Sicherheitskräfte sich nicht in Politik einmischen. So dürfen Soldaten und Polizisten in Kolumbien nicht wählen, geschweige denn sich politisch betätigen.

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6 Kommentare

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  • Was auch noch vergessen wurde zu erwähnen, dass diese FARC-Dissidenten Terroristen sind, welche sich hauptsächlich über Drogenanbau und -Handel finanzieren. Diese Terroristen sind verantwortlich fuer die Vertreibung und Ermordung von Indigenas und sozialen Führern. Sie rekrutieren immer noch Kinder.

    • @Martin Kopp:

      Die Paramilitares sind wohl kaum nennenswert besser. Davon abgesehen ist der Sinn eines Friedensabkommens nicht, dass eine Seite die Waffen abgibt und dafür ermordet wird. Kolumbien hat sich für einen Friedensprozess entschieden. Wenn das Militär das Abkommen bricht und ehemalige Guerrilleros hingerichtet werden, wird das langfristig nicht dazu führen, dass die farc sich an die Absprachen hält. Was vulnerable Bevölkerungsgruppen besonders gefährdet. Darüber hinaus sieht auch Kolumbien sich als Rechtsstaat. Außergerichtliche Hinrichtungen durch Soldaten sind damit unvereinbar. Der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brauchte, war außerdem die Ermordung von Minderjährigen, die zwangsrekrutiert wurden. Die Existenz dieser Praxis war dem kolumbianischen Staat bekannt.



      Und zu guter Letzt: Botero musste auch zurücktreten, weil er diese Dinge vertuscht hat. Das ist nicht nur undemokratisch. Es zeigt auch, dass er wusste, dass diese Morde nicht mal un Kolumbien akzeptiert werden. Und hier eine viele Menschen aufgrund der jahrzehntelangen Gewalt nicht zimperlich.

      • @Iguana:

        Übrigens hat die Uniandes in einer wissenschaftlichen Arbeit klargestellt, dass der 4. Punkt (Drogenanbau) perverse Anreize geschaffen wurden, die zu einer Explosion im Drogenanbau geführt hat. Mit 208.000 Hektar Koka (2017, 2013 waren es nur 48.000) gibt es keinen Frieden. Zuviel Geld fuer Terrorismus.

      • @Iguana:

        1.) Botero hatte grosse Erfolge gegen die Paras erzielt. 2.) Die FARC hat nicht alle Kinder übergeben. Es fehlt noch die Informationen, wo diese verblieben sind, nachdem sie von der FARC ermordet wurden. 3.) Die FARC hat ihre Waffen abgegeben. Der Rest sind Dissidenten, welche nie ihr Waffen abgegeben haben, da sie das Drogengeschäft betreiben und sich nie dem Frieden angeschlossen haben. 4.) Wenn Militärs Gesetzte verletzten, müssen diese dafür zur Rechenschaft gezogen werden. ABER nichts rechtfertigt Zwangsrekrutierung von Kindern. Der Artikel ist so aufgebaut, um alle Schuld der Drogenterroristen zu rechtfertigen. Die Schuld der Ermordung tragen die FARC-Dissiedenten. Ebenfalls wurde in dem Artikel versucht darzustellen, dass die Zwangsrekrutierung etwas aus der Vergangenheit ist. Was total falsch ist. von 2017 bis 2018 haben diese dank der Drogengelder stark zugenommen (+150%). Aber kein Wort dazu. Minderjährige als Schutzschild zu benutzten ist ein schweres Verbrechen. Jetzt werden noch mehr Kinder zwangsrekrutiert, um Camps von Terroristen zu schützen.

  • Wieder mal schlecht recherchiert. "Ihm werden Morde und Vertuschungen vorgeworfen." Keiner in Kolumbien, ausser der Schriftstellerin weiss, wen er umgebracht haben soll. "Zum anderen ist es wohl verfassungswidrig: Laut Artikel 219 dürfen Mitglieder der Sicherheitskräfte sich nicht in Politik einmischen. So dürfen Soldaten und Polizisten in Kolumbien nicht wählen, geschweige denn sich politisch betätigen." Auch das ist falsch, wahrscheinlich wieder ungeprüft kopiert und abgeschrieben. Im Jahr 2009 war ebenfalls ein General Verteidigungsminister.

    • G
      Gast
      @Martin Kopp:

      Die Verkürzung in der Unterzeile stammt nicht von mir. Die kolumbianische Verfassung ist eindeutig bei der politischen Betätigung (vgl. Artikel 219). Derselben Auffassung ist übrigens auch Rodrigo Uprimny von der Organisation Dejusticia. Im September 2019 wurde wieder einmal debattiert, ob der "fuerza pública" das Wahlrecht gegeben werden soll, vgl. www.eltiempo.com/p...el-congreso-410620. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie es derzeit nicht hat.



      Dass schon einmal ein General (Freddy Padilla de León, drei Monate im Jahr 2009) Interims-Verteidigungsminister war, heißt noch lange nicht, dass es verfassungsrechtlich unumstritten war. Viele Grüße!