Ministerpräsidentenwahl in Sachsen: Der Kemmerich-Effekt als Risiko
Ohne klare Mehrheit stellt sich Michael Kretschmer am Mittwoch zur Wahl. Das birgt Risiken: zum Beispiel einen AfD-Eklat wie in Thüringen 2020.
D ie Spannung in Sachsen steigt. Nach der Landtagswahl schien es, als könne CDU-Chef Michael Kretschmer mit dem BSW und der SPD weiterhin Ministerpräsident einer Mehrheitsregierung bleiben. Doch die Verhandlungen platzten. Nun fehlen ihm vor der Wahl an diesem Mittwoch zehn Stimmen.
Trotzdem lässt Kretschmer abstimmen und hofft offenbar auf das Beste – ohne das Schlimmste auszuschließen. Gleich zwei Kandidaten treten gegen ihn an: Matthias Berger, der einzige Freie Wähler im Landtag, und AfD-Chef Jörg Urban. Wegen der unklaren Mehrheiten droht in Sachsen, wie 2020 in Thüringen, ein Ministerpräsident von AfD-Gnaden. Von Kretschmer ist das staatspolitisch unverantwortlich.
Selbst wenn er die Wahl gewinnt und Ministerpräsident bleibt, müssen CDU und SPD für jedes Vorhaben andere Parlamentarier:innen überzeugen, um eine Mehrheit zu bekommen, ansonsten steht die Mehrheit gegen sie. Dabei hat Sachsen voraussichtlich kaum Geld, um Projekte umzusetzen. Für das kommende Haushaltsjahr fehlen laut Kretschmer mehr als 2 Milliarden Euro, er kann also kaum Geschenke machen. Dennoch sprach er erst mit den anderen Parteien, als der CDU-SPD-Koalitionsvertrag fertig und veröffentlicht war, statt schon zuvor nach Mehrheiten zu suchen.
CDU und SPD hoffen jetzt auf Stimmen vom BSW und der Linken. Die beiden Parteien könnten damit versuchen, zumindest ein bisschen Einfluss auf die Regierung zu nehmen. Ob sich allerdings jeweils genug Abgeordnete überzeugen lassen, kann bislang keiner sagen.
Die Grünen heben die Messlatte
Mit den Grünen – bislang mit CDU und SPD in der Regierung – hat es sich Kretschmer hingegen kräftig verscherzt. Er gab schon früh bekannt, ohne sie auskommen zu wollen. In den vergangenen Wochen änderte sich zwar sein Ton, er sprach von „Vertrautheit“, die durchs Regieren entstanden sei.
Aber die Grünen kündigten an, ihm keine Stimme zu geben. Im Gegenteil: Sie wollen beantragen, dass auf dem Stimmzettel neben Kretschmer, Berger, Urban und Enthaltung auch ein „Nein“ steht. Anders als eine Enthaltung würde das mitgezählt und so ab dem zweiten Wahlgang die Hürde für Ministerpräsidenten höher setzen.
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