Millennial-Klassiker „Dawson's Creek“: Altmodisch? Das scheint nur so
Auf den ersten Blick ist sie so oll wie nur was: die Serie „Dawson's Creek“ von 1998. Warum hat Netflix sie also wieder ausgegraben?

Wenn Dawson und Joey sich Fernsehen und VHS-Kassetten reinziehen, dann noch auf so einer richtigen „Kiste“. Willkommen zurück im Jahr 1998! Flachbild und Beamer liegen fern in der Zukunft, als die beiden 15-Jährigen die Essenz von Liebe in der Popkultur ausdiskutieren – und, darüber getwistet, ihr eigenes Leben im fiktiven Hafenstädtchen Capeside, Massachusetts.
Die Erfolgsserie „Dawson’s Creek“ erschien lange vor Smartphones. Das Internet gibt es in diesem Universum zwar theoretisch schon, spielt aber für die Handlung keine Rolle. Dawson (James Van Der Beek) trägt Wuschelmittelscheitel, sein Zimmer ist tapeziert mit Plakaten von Spielberg-Filmen. Er bekommt traditionell Besuch von Sandkastenfreundin Joey (Katie Holmes), die mit einem Holzboot über den titelgebenden creek, also Bach, paddelt und über eine Leiter in Dawsons Fenster steigt. Romeo und Julia, genderverdreht. Dawsons und Joeys Hobby besteht darin, seeeehr viel über alles in ihrem Leben nachzudenken.
Etwa: Können Sandkastenfreund:innen übers Wichsen reden? Spoiler: Yes they can.
Warum kramt Netflix nun die zwei Dekaden alte Serie wieder aus, deren 128 Folgen hierzulande bei Sat.1 und dann bei Pro7 liefen? Damit das Publikum von einst, die frühen Millennials – schon damals eher unpolitisch, neoromantisch, selbstfixiert und emo drauf – sich in ihrer Polaroid-’n’-Vinyl-Nostalgie noch mal ihre gediegene Pubertätsserie von damals gönnen können?
Sanfte Revolution
Wer nur so argumentiert, verkennt das Bahnbrechende der Serie. Sowieso muss man festhalten, dass viele der heutigen Netflix-Jugendserien („Tote Mädchen lügen nicht“, „Elite“) zwar wesentlich diversere Ensembles haben, aber ihren Figuren kaum je gestatten, es einfach mal kompliziert zu finden, 16 zu sein. Eher warten diese neuen Serien mit (Drogen-)Kriminalität, Psychomobbing, Suizid, Mord und Totschlag auf.
„Dawsons’s Creek“ (ursprünglich 1998–2003), kann man seit Mitte Januar auf Netflix sehen (sechs Staffeln)
„Dawson’s Creek“ dagegen macht manchmal sanfte Gender-Revolution, etwa wenn die Jungs einen Kuss beim Friseur analysieren, während die Mädchen dasselbe tun, während sie ein Auto reparieren. Sowieso: Gezeigt werden zwei reine Frauenhaushalte. Die Serie war aber vor allem deshalb so ein game changer, weil mit Jack McPhee (Kerr Smith) erstmals eine schwule Hauptfigur im US-Jugendfernsehen auftrat. Jack spielt Football und liebt Kunst. Highlight der Serie sind die Folgen in der zweiten Staffel, als Jack, nach anfänglichem Ringen, doch sein Coming-out hat und Verbündete findet: von Pacey, dem Polizistensohn mit Autoritätsproblem, bis hin zu Jen (gespielt von der grandiosen, inzwischen vierfach oscarnominierten Michelle Williams) und ihrer christlichen Großmutter.
Als Vorkämpfer für nichtheterosexuelle Sichtbarkeit hat „Dawsons’s Creek“ mit seinen vier bis sechs Millionen Zuschauer:innen allein in den USA zweifellos auch die britische Serie „Sex Education“ erst möglich gemacht, die sich ähnlichen Themen widmet, wenn auch witziger. Übrigens: Erst 2018 kam der erste Hollywoodfilm mit einer schwulen jugendlichen Hauptfigur: „Love, Simon“. Regie geführt hat Greg Berlanti, einst Showrunner von „Dawson’s Creek“.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt