Miliz tötet Kriegsvertriebene in Kongo: Schlecht versorgt und geschützt
Bei einem Milizenüberfall in der Provinz Ituri sterben 46 Menschen. Armee und UN-Blauhelme sind nur wenige Kilometer entfernt, aber greifen nicht ein.
Die Menschen in Lala gehören zur Volksgruppe der Hema. Die Codeco-Miliz rekrutiert sich hauptsächlich aus der Volksgruppe der Lendu. Mörderische Konflikte zwischen den beiden Volksgruppen, angestachelt durch lokale Machthaber, erschüttern Ituri seit 1999.
Hema- und Lendu-Milizenführer waren die ersten Angeklagten des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, und der Überfall auf Lala ereignete sich nur knapp zwei Wochen nach einem Besuch des IStGH-Chefanklägers Karim Khan in der Provinzhauptstadt Bunia.
Khan, der zuvor in Kinshasa mit Kongos Regierung ein neues Protokoll zur juristischen Zusammenarbeit unterzeichnet hatte, interessierte sich in Bunia für den Fortgang der Aufarbeitung vergangener Verbrechen. Die gegenwärtigen Verbrechen beschäftigten ihn nicht.
Vorwurf: „Völkermord“
Vergeblich hofften Hema-Vertreter auf einen Besuch Khans in den Flüchtlingslagern außerhalb der Stadt. „Wenn der Chefankläger aus Bunia abreist, ohne die Opfer zu treffen, wissen die Iturier, dass Kinshasa und die UN-Mission in Kongo (Monusco) die eigentlichen Komplizen des laufenden Völkermords sind“, schrieb die Vereinigung Amani Ituri auf Twitter.
Den Vorwurf „Völkermord“ erheben Hema-Vertreter regelmäßig, ebenso wie Vertreter kongolesischer Tutsi in anderen Teilen Ostkongos. Hema- und Tutsi-Gruppen reichten Ende Mai gemeinsam in Den Haag Klage wegen „ethnischer Säuberung mit Völkermordcharakter“ ein.
Ituris Hema sehen sich als Opfer einer Auslöschungskampagne, mit der Anführer anderer Ethnien sich Zugriff auf Land sichern wollen. Die Codeco wird nach ihrer Überzeugung von Kongos Armee unterstützt, und die Armee hat in Ituri seit Verhängung des Kriegsrechts 2021 die politische Macht. Ende Mai willigte die Codeco in einen „Versöhnungsprozess“ mit drei anderen Milizen ein, allerdings keine Hema-Gruppen.
In Ituri sind nicht nur Hema von Gewalt betroffen: Ende 2022 zählte die Provinz gut 1,5 Millionen Kriegsvertriebene, über ein Viertel ihrer Bevölkerung, und es werden aktuell wieder mehr. Doch die Angriffe auf Hema scheinen systematischer zu sein, und die meisten Hema leben inzwischen in Sammellagern, schlecht versorgt und schlecht geschützt.
Lula liegt wenige Kilometer von der Kleinstadt Bule entfernt, wo nach UN-Angaben allein zwischen Mitte April und Mitte Mai 70.000 neue Flüchtlinge ankamen. In Bule gibt es Dienstleistungen, eine Armeebasis und einen UN-Stützpunkt. Sicherheit bringt das offensichtlich nicht. Am 6. Juni erst wurden in Plaine Savo, einem anderen Hema-Lager nahe Bule, drei Menschen getötet. Plaine Savo war schon im Februar 2022 Schauplatz eines fürchterlichen Codeco-Massakers mit 62 Toten.
Nun konnte die Codeco ungestört in der Nacht das von Bule aus gut sichtbare Lager Lula in Brand stecken, obwohl Armeesoldaten und UN-Blauhelme nur wenige Kilometer entfernt stationiert sind. Von „Verantwortungslosigkeit und Willenlosigkeit der Regierung“ spricht Gratien Iracan, Wahlkreisabgeordneter für Bunia in Kongos Parlament für die Partei Ensemble des aktuell wichtigsten Oppositionsführers Moise Katumbi. Die Hema-Kulturvereinigung ENTE fordert nach dem Massaker von Lala nur: „Dass nationale und internationale Sicherheitskräfte die Vertriebenenlager schützen.“
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