Migrationsgipfel in Paris: Prüfung schon in Afrika
Beim Treffen einigten sich Staats- und Regierungschefs auf eine Transitstaaten-Lösung. Asylanträge werden künftig schon in Staaten wie Niger oder Tschad geprüft.
Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte zugleich die Bereitschaft an, afrikanische Migranten im Rahmen von Kontingenten aufzunehmen, falls die illegale Migration gestoppt werde. Vorbild sei die Auswahl, die das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bereits in Flüchtlingslagern etwa in Jordanien treffe. Sie bezeichnete es als Erfolg, dass in den vergangenen Wochen bereits wesentlich weniger Menschen bei dem Versuch ertrunken seien, von Libyen über das Mittelmeer nach Italien zu kommen.
An dem Treffen nahmen die vier EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, die Regierungschefs von Niger, Tschad und Libyen sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini teil. Dabei sei eine breite Zusammenarbeit beschlossen werden, sagte Merkel.
Macron hatte bereits vor Wochen vorgeschlagen, dass eine Prüfung bereits in afrikanischen Staaten und nicht erst bei der Ankunft in Europa vorgenommen werden sollte. „Die Prüfung wird auf Grundlage der UNHCR-Standards hin vorgenommen“, sagte Macron nun. Gentiloni und der Präsident der Republik Niger, Mahamadou Issoufou, bestätigen die Vereinbarung. Mit den Entscheidungen in Transitländern wie Niger solle verhindert werden, dass sich Menschen auf die gefährlichen Weg durch Libyen und das Mittelmeer machten, sagte Macron. Wer keine Aussicht auf Asyl habe, werde in die Herkunftsländer zurückgeführt. Bei den Meisten handele es sich um Wirtschaftsmigranten ohne Chance auf eine Anerkennung als Asylbewerber oder Flüchtlinge in der EU.
Zahl der Toten sank im August auf 23
Seine Regierung begrüße, dass die Auswahlverfahren bereits in den Transitländern gestellt würden, sagte Nigers Präsident Issoufou. „Das finde ich sehr gut. Das werden wir in Niger vorantreiben.“ Er betonte ebenso wie der Präsident der Republik Tschad, Idriss Déby, wie wichtig der Schutz der Südgrenzen ihrer Länder im Kampf gegen illegale Migration und auch gegen Terrorismus sei. Merkel sagte, Deutschland habe Niger bereits die angeforderte Ausrüstung für die Sicherheitsbehörden in dem Land geliefert.
Die Kanzlerin begrüßte, dass die libysche Küstenwache mit Hilfe der EU gegen Schlepper vorgehe. Dies habe bereits dazu geführt, dass im Juni zwar noch 23.500 Flüchtlinge aus Libyen nach Italien gekommen seien und in diesem Monat auch 530 Menschen im Mittelmeer ertrunken seien. Im Juli sei die Zahl der Neuankünfte in Italien aber schon auf 11.500 Personen gesunken, es seien noch 210 Menschen im Mittelmeer gestorben. Im August seien bis zum 23. August 3082 Migranten in Italien eingetroffen, die Zahl der Toten sei auf 23 gesunken. „Wir haben eine humanitäre Verantwortung, die Wege zu ordnen“, sagte Merkel.
UNHCR will, dass die EU mehr Flüchtlinge aufnimmt
Zugleich erklärte sie, afrikanischen Staaten müssten Wirtschaftshilfen und auch legale Migration angeboten werden. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir mit afrikanischen Ländern Kontingente vereinbaren, wonach eine bestimmte Anzahl von Menschen hier studieren und arbeiten kann“, sagte Merkel der taz im Interview. Vorbedingung müsse aber sein, dass die illegale Migration gestoppt werde, sagte Merkel in Paris. „Sonst würden wir falsche Zeichen setzen.“
Die Kanzlerin sagte, der von Macron vor einigen Wochen benutzte Begriff „hotspot“ für die Auffanglager etwa in den Transitländern sei irreführend. Es gehe bei der Auswahl der Personen um dasselbe Verfahren, das auch schon im Migrationsabkommen zwischen der EU mit der Türkei angewandt werde. Bisher nehme die EU 20.000 Personen pro Jahr auf. Der UNHCR habe die EU gebeten, diese Zahl zu erhöhen und dabei auch Menschen aus Afrika zu akzeptieren.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung