Migrationsdebatte nach Solingen: Klartext statt Scheinlösungen
Nach dem Attentat von Solingen setzen sich Populismus und entmenschlichende Sprache über Migrant*innen durch. Das hilft aber nicht gegen Islamismus.
![Frank-Walter Steinmeier und seine Frau legen einen Kranz mit Schleife nieder Frank-Walter Steinmeier und seine Frau legen einen Kranz mit Schleife nieder](https://taz.de/picture/7234111/14/36317198-1.jpeg)
I n der aktuellen Migrationsdebatte dominieren populistische Phrasen und rechtes Framing – nicht nur von der AfD. Das ist gefährlich, denn es verstellt den Blick auf die tatsächlichen Probleme und führt am Ende zu populistischer Symbolpolitik.
Friedrich Merz beschwört die „nationale Notlage“, die Union fordert eine „Asylwende“ und der bürokratisch anmutende Begriff „irreguläre Migration“ hat sich etabliert als Synonym für „zu viel Zuwanderung“.
Das wirkt: Bundespräsident Steinmeier führt bei einer Gedenkveranstaltung zum Messerangriff in Solingen zunächst aus, man dürfe sich jetzt nicht gegeneinander aufhetzen lassen, um dann doch die Forderung nach mehr Begrenzung von Migration zu äußern. Der Generalverdacht gegenüber Flüchtenden scheint in der deutschen Asyldebatte längst Common Sense zu sein.
Nebenbei rückt in den Hintergrund, was wirklich wichtig wäre: Extremismusprävention, Arbeitsmarktintegration und Unterstützung der aufnehmenden Kommunen. Populistische Phrasen rechts liegenzulassen, bedeutet nicht, die Probleme in der Migrationspolitik zu ignorieren. Im Gegenteil: Nur wenn benannt wird, worum es tatsächlich geht, kann es gelingen, zielsicher politische Maßnahmen zu finden.
Stattdessen überbieten sich Politiker*innen mit populistischen Forderungen – mit Erfolg, wie das Beispiel der Bezahlkarte zeigt. Migrationsexpert*innen und Hilfsorganisationen hatten monatelang darauf hingewiesen, dass es keine Belege gibt für das Problem, das die Karten lösen sollen: Geldtransfers in Herkunftsländer. Trotzdem hat sich die Symbolpolitik durchgesetzt.
Wir brauchen dringend wieder eine sachliche Debatte, denn die letzten zehn Jahre haben gezeigt: Der AfD nach dem Mund zu reden, gewinnt keine Wähler*innen zurück – und die Probleme in der Migrationspolitik löst es auch nicht.
Auch Medien tragen dabei Verantwortung. Sie sollten das, was gerade passiert, als das benennen, was es ist: eine massive Diskursverschiebung, die Geflüchtete unter einen Generalverdacht stellt, und: ein Angriff auf das Recht auf Asyl.
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