Migrationsabkommen mit Usbekistan: Fachkräfte von der Seidenstraße
Ein neues Migrationsabkommen soll Visa für usbekische Fachkräfte erleichtern. Usbekistan soll dafür Ausreisepflichtige aus Deutschland zurücknehmen.

So wird man als Bundeskanzler derzeit selten begrüßt: „Wir freuen uns auf den Besuch seiner Exzellenz Olaf Scholz“, heißt es auf einer riesigen Leinwand, daneben der Kanzler vor wehender deutscher Fahne. In Usbekistan ist Olaf Scholz anders als in der Uckermark ein sehr willkommener Gast. Zum ersten Mal seit 22 Jahren ist ein deutscher Bundeskanzler auf Staatsbesuch in Usbekistan. Und bringt nicht nur seine Innenministerin und den Bevollmächtigten für Migration mit, sondern auch eine ganze Delegation von Unternehmensvertreter:innen aus dem Bergbau, der Logistik und von der Bahn. Am Sonntag landete er in Samarkand, der Weltkulturerbestadt an der historischen Seidenstraße.
Doch im Zentrum des Kanzlerbesuchs steht nicht der Tourismus, sondern stehen die Themen Rohstoffgewinnung, Handel und Migration. Die Erwartungen auf usbekischer Seite sind hoch. „Vor allem Jobs und Handel“, fasst eine Journalistin des unabhängigen Privatsenders UzReport zusammen. Im vergangenen Jahr war der usbekische Präsident Schawkat Mirsijojew zu Gast in Berlin. Laut UzReport soll Deutschland Usbekistan Arbeitsplätze für 50.000 Usbek:innen versprochen haben.
Eine Zahl, die sich im Migrationsabkommen, das Scholz und Mirsijojew am Sonntagabend unterzeichnen wollten, so nicht wiederfindet. Vielmehr heißt es aus dem Kanzleramt und dem Innenministerium: Quoten oder Kontingente seien nicht vorgesehen. Das Migrationsabkommen ist nach dem gleichen Muster gestrickt, wie das bereits am Freitag unterzeichnet Abkommen mit Kenia: Visa für Fachkräfte gegen die Rücknahme von Ausreisepflichtigen. Beide Seiten sollen profitieren.
Wie Kenia hat auch Usbekistan eine junge Bevölkerung, die zum Teil gut ausgebildet ist, der es aber im Land an Perspektiven mangelt. Für Usbek:innen mit einem Berufsabschluss, aber auch für Studierende will das alternde Deutschland nun die Einreise in den Arbeitsmarkt erleichtern. Dabei geht es sowohl um zeitlich befristete Aufenthalte, etwa zum Studium oder für Saisonarbeiter:innen, als auch um unbefristete. Sofern sie die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, das heißt: in erster Linie wirtschaftlich unabhängig sind, sollen sie dann auch Ehepartner:innen und ihre minderjährigen Kinder nachholen dürfen. Auch die Partner:innen sollen ein Arbeitsvisum erhalten.
Ähnliche Abkommen hat die Ampel-Regierung bereits mit Georgien und Marokko geschlossen, Kirgistan und Ghana sollen ebenfalls Interesse angemeldet haben. Oft läuft die Umsetzung aber schleppend. Sei es, weil Visa nur schleppend ausgestellt werden, sei es, weil Länder ihre Zusagen wieder zurückziehen. Wie im Falle der Republik Moldau, die ihre Menschen selbst im Land braucht und einen Braindrain befürchtet.
Solche Bedenken gebe es im Falle Usbekistans aber nicht, heißt es aus dem deutschen Innenministerium. Vielmehr freue sich das Land, wenn junge Menschen in Deutschland eine Arbeit fänden – und natürlich auf deren Rücküberweisungen. Usbekistan sei deshalb sogar daran interessiert, das Abkommen auf Deutschlands Bedürfnisse zuzuschneiden, etwa Pflegekräfte gezielt zu qualifizieren. Eine usbekisch-deutsche Hochschule für Gesundheitswissenschaften wurde in diesem Jahr eingeweiht.
Was die Rückführungen anbelangt, gibt es bislang kaum Probleme in Deutschland, weder mit rückkehrunwilligen Kenianer:innen noch mit Usbek:innen. Nur ein Bruchteil, nämlich rund 800 der 15.000 in Deutschland lebenden Kenianer:innen sind ausreisepflichtig. Bei Usbek:innen ist es ähnlich, rund 200 von rund 13.700 halten sich unerlaubt in Deutschland auf.
Bei Rückführungen nach Usbekistan geht es wohl in erster Linie um ein anderes Land: Usbekistan grenzt direkt an Afghanistan. Anfang September, kurz nachdem das erste Mal seit vier Jahren ein Abschiebeflug in das von den radikalislamischen Taliban regierte Land gestartet war, kündigte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in der Bundespressekonferenz an, man werde mit strategisch wichtigen Schlüsselländern Gespräche führen, um weitere Abschiebungen vorzubereiten. Mit den Taliban selbst wolle man nicht sprechen. Usbekistan, das traditionell gute Kontakte zum Nachbarland unterhält, ist so ein Schlüsselland. So könnte Deutschland Afghan:innen nach Usbekistan abschieben, von wo sie weiter nach Afghanistan verbracht werden.
Offiziell steht dazu nichts im Migrationsabkommen. Aus Kreisen des Innenministeriums bestätigte man lediglich, dass weitere Abschiebungen nach Afghanistan in Vorbereitung seien. Aus Kanzleramtskreisen heißt es, in Usbekistan würde auch über Abschiebungen nach Afghanistan gesprochen. Diese Gespräche stünden aber nicht im Zentrum. Wobei: Eine weitere Zusammenarbeit in diesem Bereich fördere natürlich Vertrauen und Zusammenarbeit in anderen Bereichen.
Scholz und sein usbekischer Kollege unterzeichneten am Sonntag zudem eine gemeinsame Erklärung über die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Man will künftig in Sicherheitsfragen – etwa im Kampf gegen das organisierte Verbrechen und Terrorismus – kooperieren. Auf wirtschaftlicher Ebene geht es unter anderem um Energie.
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