Migranten aus Belarus: Die Ukraine macht dicht
Die Regierung in Kiew will die Grenze zum Nachbarn Belarus stärker schützen. Sie will so verhindern, dass Geflüchtete von dort ins Land kommen.
Belarus und die Ukraine trennt eine über tausend Kilometer lange Grenze. Ein großer Teil dieser Grenze befindet sich im Sperrgebiet um Tschernobyl. Am Dienstag hatte der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki erklärt, er schließe nicht aus, dass sich die Flüchtlinge in Belarus auch auf den Weg an die Grenze zur Ukraine machen könnten. Das hatte ukrainische Befürchtungen verstärkt, die derzeit an der belarussisch-polnischen Grenze kampierenden Flüchtlinge könnten in naher Zukunft versuchen, in die Ukraine zu gelangen.
Doch auch in der ukrainischen Gesellschaft gibt es wenig Sympathien für die Flüchtlinge. Auf seiner Facebook-Seite wirft der ukrainische Politologe Andrij Smolij Präsident Wolodimir Selenski vor, diese Gefahr zu verschweigen. Der Präsident habe wohl noch nicht bemerkt, was in unmittelbarer Nachbarschaft vor sich gehe. „Die Nächsten können wir sein“, warnt Smolij.
Der Journalist Jurij Romanenko redet sogar dem Einsatz von Gewalt gegen Geflüchtete das Wort. Europa müsse endlich verstehen, dass man auf derartige Ankömmlinge auch schießen müsse, wenn man sichere Grenzen haben wolle, schreibt er auf dem Portal gordonua.com.
Keine Visafreiheit
„Wir haben Chassiden aus dem Ausland während der Coronapandemie nicht zu ihrem Neujahrsfest in die Ukraine einreisen lassen … und so sind wir doch wohl auch in der Lage, irgendwelche Asiaten von unseren Grenzen in die belarusischen Wälder zurückzutreiben“, schreibt ein Kostjantin Maschowetz, Oberst und Experte für Militärplanungen, auf der Plattform 24tv.ua.
Unterdessen widerspricht das oppositionelle belarussische Portal „charter97“ offiziellen Verlautbarungen, die Migranten seien aus Staaten eingereist, mit denen Visafreiheit vereinbart sei. „Weder Syrien noch Afghanistan oder der Irak finden sich in der Liste der Länder, deren Bürger visafrei nach Belarus einreisen dürfen“, so das Portal.
Auch in Belarus herrschen viel Missmut und Unverständnis gegenüber den Flüchtlingen. Gegenüber der taz berichtet die Gewerkschafterin Lizaveta Merliak aus der Grenzstadt Hrodno, dieser Tage habe sie viele fremdenfeindliche Zeilen auf dem Chatdienst ihrer unabhängigen Gewerkschaft gelesen. Gleichwohl gebe es aber auch viele MitbürgerInnen, die mit den Flüchtlingen mitfühlten und sich um diese wegen der eisigen Kälte sorgten.
In Hrodno befindet sich einer von fünf Flughäfen, die ausgebaut werden sollen, damit noch mehr Maschinen mit Migranten in Belarus landen können. „Wir informieren uns über unabhängige Portale und Kanäle. Die staatlichen Nachrichten wollen wir hier lieber nicht sehen“, so die Gewerkschafterin.
Stimmungsmache gegen die EU
Und in diesen wird vor allem gegen die EU Stimmung gemacht. Wenn Lukaschenko wollte, wären schon morgen keine Migranten mehr in Belarus, sagt Igar Tur vom staatlichen belarussischen Fernsehkanal ANT. „Doch das Problem der Migranten ist ein Problem der EU. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Lukaschenko die Probleme von Merkel, Macron und anderen lösen soll. Die belegen uns mit Sanktionen, und dann beklagen sie sich darüber, dass Minsk nicht ihre Probleme löst.“
„Glauben Sie mir eins: Weder der Schutz der Grenzen der EU noch der Schutz polnischer Bürger, die sich von Kolonnen von Migranten um den Schlaf gebracht sehen, gehören zu den nationalen Prioritäten von Belarus“ zitiert svaboda.org den Historiker Vadim Gigin.
Unterdessen ist der Vorschlag des außenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, ein Drittland wie die Ukraine könnte doch die Migranten aus Belarus unterbringen, während diese ihre Asylverfahren durchliefen, in der Ukraine auf Ablehnung gestossen.
Man habe den Vorschlag von Herrn Schmid auf der Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates besprochen, berichtete dessen Sekretär Olexij Danilow am frühen Mittwoch Abend. „Und wir schlagen den Sozialdemokraten vor, die Flüchtlinge doch bei sich zu Hause aufzunehmen, zwei, drei oder auch fünf.“ Sollte der Platz nicht reichen, könne man diese auch in den Büros des Bundestages unterbringen.
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