piwik no script img

Mietspiegel für BerlinMieten steigen um 5,4 Prozent

Laut dem neuen Mietspiegel liegen die Durchschnittsmieten in Berlin erstmals bei über sieben Euro pro Quadratmeter. Es ist der höchste Anstieg seit 2017.

Für Mie­te­r:in­nen steigt die Belastung weiter

Berlins Vermieter dürfen demnächst wieder kräftiger zulangen. Laut dem am Donnerstag vom Senat veröffentlichten Mietspiegel 2023 steigen die durchschnittlichen Mietpreise gegenüber 2021 um 5,4 Prozent. Das entspricht im Schnitt einer mittleren ortsüblichen Vergleichsmiete von 7,16 Euro pro Quadratmeter (kalt): Ganze 37 Cent mehr als zuletzt. Das ist der höchste Anstieg seit 2017, als es 55 Cent nach oben oben ging. Damit liegen die Berliner Durchschnittsmieten erstmals über sieben Euro pro Quadratmeter.

Mit dem Mietspiegel legt die gleichnamige AG alle zwei Jahre die ortsüblichen Vergleichsmieten fest, abhängig von Baujahr, Wohnungsgröße und Ausstattung. Die neuen Richtwerte bewegen sich zwischen 5,75 Euro in Wohnungen über 90 Quadratmetern, die zwischen 1965 und 1972 errichtet wurden und 13,73 Euro in mittelgroßen ab 2003 fertiggestellten Neubauwohnungen.

Der Mietspiegel gilt für etwa 1,5 Millionen Berliner Mietwohnungen. Nur Sozialwohnungen und vermietete Ein- und Zwei- Familienhäuser sind ausgenommen. Er soll die Marktlage abbilden – der Mietspiegel ist also kein politisches Instrument, um Mieten zu begrenzen. Ver­mie­te­r:in­nen können die Miete um 15 Prozent innerhalb von drei Jahren jeweils bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen. Neuverträge dürfen bis zu zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) erwartet „keine Welle an Mieterhöhungen“, wie er in einem Vorab-Gespräch am Mittwoch sagte. Gleichwohl nehmen Ver­mie­te­r:in­nen den Mietspiegel stets zum Anlass, Mieterhöhungspotentiale auszuloten. Mieterhöhungen sind maximal einmal im Jahr rechtlich zulässig. Bereits im nächsten Juni soll ein neuer qualifizierter Mietspiegel folgen.

Kein qualifizierter Mietspiegel

Beim Mietspiegel 2023 handelt es sich um einen einfachen Mietspiegel, für dessen Berechnung die AG keine tatsächlichen Miethöhen erhoben hat. Dies war aufgrund einer Klage gegen die Ausschreibung der Datenerhebung nicht möglich. Stattdessen handelt es sich um eine Fortschreibung des Mietspiegels von 2021, der auch schon eine Fortschreibung vom letzten qualifizierten Mietspiegel 2019 war. Zur Berechnung der neuen Werte griffen die Verantwortlichen auf Indizes aus dem Berliner Verbraucherpreisindex zurück, daher fallen die Erhöhungen auch für alle Wohnungsarten gleich groß aus: immer um 37 Cent.

In der AG Mietspiegel, in der neben Senatsvertretern auch die Verbände von Mie­te­r:in­nen und Ver­mie­te­r:in­nen sitzen, konnten die Ver­tre­te­r:in­nen sich auf die exakte Berechnung nicht einigen, so dass der Senat letztlich allein entschied. Senator Gaebler sprach dennoch von einem „guten Weg, der für Mieter und Vermieter Rechtssicherheit schafft“. Der Berliner Mieterverein begrüßte es am Donnerstag, „dass es für die Übergangszeit bis zum nächsten qualifizierten Mietspiegel einen einfachen Mietspiegel gibt“, wie Geschäftsführerin Wibke Werner sagte. Ohne diesen wäre die Gefahr noch größer gewesen, dass Ver­mie­te­r:in­nen „Mieterhöhungsverlangen mit Vergleichswohnungen oder Gutachten begründen – aus Sicht der Mie­te­r:in­nen die schlechtere Variante“.

Ein Signal der Akzeptanz des Instruments kam vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. In einer Stellungnahme hieß es: „Wir gehen davon aus, dass unsere Mitgliedsunternehmen im Rahmen der Neuvermietungstätigkeit und bei Mieterhöhungen wie gewohnt in der Regel auf den Mietspiegel zurückgreifen werden.“ Weiter hieß es: „Angesichts der hohen Inflation der Preise für Instandhaltung oder Modernisierung sowie der deutlich gestiegenen Zinsen sind Mietanpassungen unerlässlich.“

Mieterverein sieht hohe Belastung

Der Mieterverein kritisierte dagegen die Steigerung um 5,4 Prozent: Dies stelle in Zeiten hoher Inflation, hoher Energiepreise und gestiegener Lebenshaltungskosten für die Mie­te­r:in­nen „eine hohe Belastung“ dar. Aus der Linken kam Kritik an der Berechnung des Senats: Mit „selbst erstellten Mietspiegel reizt der Senat die Spielräume für Mieterhöhungen weitgehend aus“, sagte der mietenpolitische Sprecher Niklas Schenker. Der Senat hätte die Indizes auch anders gewichten können. Er sprach von einem „Geschenk“ an die Ver­mie­te­r:in­nen durch CDU und SPD.

Die Grünen-Fachpolitikerin Katrin Schmidberger appellierte an den Bund, endlich zu handeln: „Eine Mietrechtsreform ist überfällig“, sagte sie. Ihre Partei fordert eine Länderöffnungsklausel, um einem „Mietenstopp“ in den Bundesländern zu ermöglichen. Andernfalls sei der soziale Frieden in Gefahr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Doppelt rechtswidrig hält besser!!

    Nicht nur wird seit nunmehr acht Jahren keine Mietenerhebungen mehr durchgeführt (letzte Erhebung war 2015), obwohl §558d BGB vorschreibt: "Nach vier Jahren ist der qualifizierte Mietspiegel neu zu erstellen."

    Nun wird auch noch die Vorschrift des § 558d BGB missachtet, nach der der Mietspiegel durch die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland weitergeschrieben werden soll.

    Dieser gesetzlich vorgeschriebne Index ist aber nicht genehm, weil die Preissteigerungen mit 12% zu hoch sind. Stattdessen wird ein neuer Fantasie-Index erfunden. In den Worten der Mietspiegel-Autoren, nachzulesen auf Seite 3, 4 des Mietspiegels 2023:



    "Ausgehend von den BGB-Vorgaben zur Indexfortschreibung bei qualifizierten Mietspiegeln, dass die Entwicklung des Verbraucherpreisindex (VPI) Deutschland herangezogen werden muss, wurde dies als Basis verwendet. Allerdings wurden zwei wesentliche Anpassungen vorgenommen (...).



    1. Es wurde vom Berliner Verbraucherpreisindex ausgegangen.



    2. Aufgrund der in dem 2-Jahreszeitraum sehr stark gestiegenen Kosten für einige Positionen des Berliner VPI hätte sich eine hohe Entwicklung des VPI gesamt ergeben (12,8%). Diese Kosten betreffen insbesondere die Positionen Energie und Nahrungsmittel, die nichts mit der eigentlichen Miet- und Wohnkostenentwicklung zu tun haben. Daher wurden (...) zwei überschneidungsfreie Teilindizes des Berliner VPI ausgewählt, die die (...) Entwicklung ohne die o.g. "Preistreiber" abbilden."

    Ergebnis: Der Senator erklärt freudestrahlend: "Durch Verwendung geeigneter Indizes ergab sich eine Entwicklung von 5,4% für zwei Jahre."

    Die Energiepreise werden herausgerechnet, weil sie angeblich nichts mit der Miete zu tun haben. Dafür bestimmt sich der Mietpreis nun nach Schuh-, PC- und Briefmarkenpreisen.

    Warum nicht gleich ein Mietspiegel mittels Gummibärchen-Preisindex?

  • Die Werte des Mietspiegels haben nur geringe Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Letztlich können nur die damit argumentieren, die bereit sind, die Vermieter zu verklagen (falls ihre Miete darüber den Werten liegt). Damit eröffnet man aber auch eine langwierige und stressige Prozedur, die nicht für jede_n etwas ist.

  • Die Grünen-Fachpolitikerin Katrin Schmidberger lenkt von den tatsächlichen Problemen ab. Glücklicherweise meint Fachpolitikerin ja nicht, dass man sich mit einem Thema auch tatsächlich auskennt, sondern lediglich, dass man in diesem Bereich tätig ist.

    Mal zu den Fakten, um die sich die Fachpolitikerin gerne drückt:



    - Mietenanstieg unterhalb Inflation (wird verschwiegen)



    - Untervermietung als Einnahmequelle des grünen Mietadels; gerne steuer- / Hartz-schonend (wird verschwiegen)



    - Bauverhinderung durch den letzten RRG-Senat in Berlin

  • Angesichts der Inflation ist fraglich, weshalb die Steigerung lediglich 5,4 Prozent ergibt. Der Berliner Verbraucherpreisindex 2022 ermittelt für den Bereich Wohnen, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe einen Anstieg von 18 Prozent (seit 2020). Und wie kann es sein, dass die Preissteigerung stets 37 Cent beträgt. Damit sind die Quoten in den unterschiedlichen Kategorien ganz unterschiedlich und haben mit einem Index nichts mehr zu tun.

    Wie soll im Jahr 2024 ein qualifizierter Mietspiegel erstellt werden, wenn im Betrachtungszeitraum von 6 Jahren wegen des Mietendeckels ein preisgedeckelter Wohnraum vorlag?

  • Unterhalb der Inflationsrate. Glück gehabt.