Michael Müller im Bundestag: Die SPD hat's ja!
Der Noch-Regierende Bürgermeister von Berlin ist bald Hinterbänkler im Bundestag. So was leistet sich wohl nur die SPD.
M an konnte Michael Müller in den letzten Jahren oft auf der großen politischen Bühne Deutschlands entdecken. 2017 war der Regierende Bürgermeister von Berlin zugleich Präsident des Bundesrats; in der Coronakrise dann durfte er als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz nach den Sitzungen mit der Bundeskanzlerin die Beschlüsse der Bund-Länderrunden einem Millionenpublikum im Fernsehen verkünden. Überhaupt hat Müller, nach Ränkespielchen im SPD-Landesverband Anfang 2020 schon fast abgeschrieben, in der Pandemie an Profil gewonnen und viel richtig gemacht. Dafür bekam er Anerkennung, weit über Berlin hinaus.
Diese Woche ist seine letzte im Amt des Regierenden, ja die letzte einer langen Zeit in der Berliner Landespolitik. Am vergangenen Dienstag leitete Müller zum letzten Mal die Senatssitzung, am kommenden Dienstag wird Franziska Giffey vom Abgeordnetenhaus zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt.
Müller war nicht wieder als SPD-Spitzenkandidat angetreten; stattdessen hat Giffey das bislang schlechteste Ergebnis für die Sozialdemokraten in der Hauptstadt zu verantworten. Müller wurde direkt in Charlottenburg-Wilmersdorf in den Bundestag gewählt. Und da seine Partei – im Rückblick auf das ganze vergangene Jahr gesehen doch eher überraschend – die Bundestagswahl gewonnen hat und mit Olaf Scholz den Kanzler stellt, dürfte einer weiteren politischen Karriere im Rampenlicht eigentlich nichts mehr im Wege stehen.
Könnte man meinen. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass Müllers Partei die SPD ist. Und für Dankbarkeit war die noch nie bekannt.
Denn statt zum Beispiel Staatssekretär im von der SPD verwalteten Bauministerium zu werden oder gar Ressortchef – schließlich war Müller mehrere Jahre Stadtentwicklungssenator in Berlin -, darf der Ex-Regierende erstmal umfassend die Qualität der Bundestagsstühle testen. Er wird einfacher Abgeordneter, ein Hinterbänkler, wie man so sagt.
Einer, der schon mit Merkel über den künftigen Krisenkurs in der Pandemie gefeilscht hat; einer, der als Ministerpräsident der wichtigsten Stadt der Republik Deutschland weltweit repräsentiert hat; einer, der zeitgleich als Wissenschaftssenator zuletzt viel zum Glanz der Stadt als Forschungsmetropole beigetragen hat – man könnte meinen, die SPD leidet an Personalüberfluss, dass sie sich das leisten kann. Und mit 57 Jahren wäre Müller keineswegs zu alt für einen zentralen Regierungsposten.
Natürlich ist die politische Bilanz des gelernten Druckers Interpretationssache. Man kann sagen, seine rot-rot-grüne Regierung hat weder die Wohnungsnot erfolgreich bekämpft noch die Misere in der Verwaltung, sichtbar etwa an gänzlich fehlenden Terminen auf den Bürgerämtern, bekämpft.
Vielleicht fehlt es ihm auch an einem Netzwerk in der Partei. Denn statt Müller ist die Brandenburgerin Klara Geywitz Bauministerin geworden; die 45-Jährige war mal Olaf Scholz' bessere Hälfte in der gescheiterten Kandidatur der beiden um den Parteivorsitz. Und die Berliner Abgeordnete Cansel Kiziltepe aus dem dezidiert linken Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg wird unter Geywitz Staatssekretärin.
Müller hat immerhin einen angenehmen Bundestagsausschuss bekommen: Im Auswärtigen Ausschuss darf er künftig für die SPD den elder statesman geben und viel in der Welt herumreisen. Wie das geht, hat er in seinen letzten Wochen als Regierender Bürgermeister noch mal trainiert: Am 20. und 21. November jettete Müller flugs mal an den Golf, nach Dubai und Abu Dhabi, für politische und wirtschaftliche Gespräche, wie es offiziell heißt.
Mit der Erfahrung von eineinhalb Jahren Pandemie und nach drei Jahren Klimaprotesten hätte man wohl sagen können, die Gespräche wären auch auf Zoom möglich gewesen; bei zwei Tagen Reise und insgesamt mindestens zwölf Stunden Flugzeit war ja nicht gerade viel Raum für den Austausch; dafür wurde ordentlich Kohlendioxid in die Luft geblasen. Geschadet hat es Müller nichts: So was interessiert die SPD halt nicht.
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