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Merz' SpracheWenigstens ehrlich

Kersten Augustin
Kommentar von Kersten Augustin

Die Sprache des Kanzlers ist erfrischend verständlich. Aber es wäre gut, wenn es von ihm ähnlich klare Aussagen zu anderen Iran-Themen gäbe.

Friedrich Merz tut es Dirty Harry gleich: Clint Eastwood, inzwischen auch schon 95 Foto: Armando Arorizo / EPA/ dpa

F riedrich Merz hat die Angriffe Israels auf den Iran in einem Interview als „Drecksarbeit“ bezeichnet. Als Arbeit also, die schmutzig ist, aber gemacht werden muss. Der Aufschrei, der darauf folgte, ist zunächst einmal nachvollziehbar. Denn die Angriffe treffen nicht nur Generäle des Regimes und Atomanlagen, sondern Hunderte Zivilisten. Trotzdem ist es falsch, Merz zu unterstellen, er würde die iranischen Opfer mit seiner Aussage verunglimpfen. Viel eher betont die Metapher der „Drecksarbeit“ doch, dass man sich bei dieser schmutzig macht, also moralisch nicht einwandfrei handelt.

Und was wäre gewonnen, wenn Merz gescholzt hätte? Wenn er, um die Haltung seiner Regierung zu erklären, Sätze gesagt hätte, die man schon beim Zuhören wieder vergisst? Der Völkerrechtsbruch wäre nicht kleiner, das Leiden der zivilen Opfer im Iran nicht leichter zu ertragen.

Merz’ Vorgänger Olaf Scholz, aber auch die ehemalige Außenministerin Annalena Baerbock sprachen oft in solchen nichtssagenden Sätzen, auch wenn sie zu Israels Krieg in Gaza Stellung nahmen. Aber auch viele andere Politiker verfolgen das Ziel, mit ihren Sätzen möglichst wenig zu sagen. An dieser Verscholzung der politischen Sprache haben auch Medien ihren Anteil. Jede konkrete Aussage eines Politikers bietet auch einen Angriffspunkt. Das führt zu einer paradoxen Situation: Alle wünschen sich Politiker, die in klaren Worten sprechen. Und wenn sie es dann tun, ist es auch nicht richtig.

Bürger aber haben ein feines Gespür dafür, wenn Realität und Sprache auseinanderklaffen. Merz hat sich vorgenommen, in verständlichen Worten über seine Politik zu sprechen. Und anders als seine politischen Versprechen scheint er dieses bisher zu halten.

Besser kritisierbar

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Das bedeutet nicht, dass man Merz’ Aussage über die „Drecksarbeit“ deshalb richtig finden muss. Es bedeutet nur, dass Politik, wenn sie verständlich ausgedrückt wird, auch besser zu kritisieren ist. Mit dem Wort „Drecksarbeit“ schnurrt das Dilemma, in dem sich die deutsche Nahost­politik befindet, zu einem Wort zusammen. Ja, man will Israel gegen eine mögliche nukleare Bedrohung unterstützen. Ja, das iranische Regime ist eine Terrorherrschaft. Und trotzdem bleiben die Bombardierungen völkerrechtswidrig.

Es wäre zu wünschen, dass die Debatte über den Umgang mit Iran nun so klar bliebe. Als Nächstes sollte Merz dann erklären, warum die Sanktio­nen gegen das Regime nicht durchgesetzt und die Revolutionsgarden nicht als Terrororganisation gelistet werden, aber noch bis Kriegsausbruch in den Iran abgeschoben wurde. Besser wäre, es bliebe nicht bei klaren Worten.

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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18 Kommentare

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  • Wörtlich hat Merz gesagt "Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle." Er rechtfertigt die Drecksarbeit nicht mit der Selbstverteidigung Israels, sondern mit einem angeblichen Interesse der Allgemeinheit, ohne genauer auszuführen, worin dieses Interesse besteht und wer "wir alle" sind. So viel zum Thema Klarheit Merz'scher Aussagen. Mit "wir alle" dürfte jedenfalls nicht die Zivilbevölkerung im Iran und in Israel gemeint sein, da sie am stärksten unter den gegenseitigen Angriffen leidet.

  • Wenn Merz angeblich so ehrlich und klar, also mit sog. einfacher Sprache spricht, warum wird dann seine Äußerung "Drecksarbeit" ständig interpretiert? Vielleicht ist es dem Zeitgeist geschuldet, dass man sogar als Bundeskanzler nur Aufmerksamkeit erzeugt, wenn man sich provokativ äußert, was ja im Journalismus mittlerweile Standard ist, der Inhalt spielt dann keine Rolle mehr, aber ein Bundeskanzler ist keine ständige Talkshow. Als Bundeskanzler gilt die Regel: unreflektierte Sprache kann gefährliche Konsequenzen auslösen.



    Der Job des Bundeskanzler ist keine Unterhaltung.Politik ist keine Unterhaltung. Wenn Sie sich als Journalist von Politikern gelangweilt fühlen, weil ihre Erwartungen nicht erfüllt werden, dann werden Sie doch Kulturkritiker. Abseits von Wahlkampf geht es in der Politik um Inhalte und Handlungen und nicht um die Art und Weise wie sie verkauft werden.

  • Der Schlusssatz („Besser wäre, es bliebe nicht bei klaren Worten.“) ist fast noch das Beste. Er zieht das Fazit aus der gedanklichen Verwirrung des Autors, dem mindestens zwei Irrtümer unterlaufen.

    1. Die „verständliche Sprache“ des Friedrich Merz ist das, was man anderen als Populismus und Simplifizierung komplexer Zusammenhänge vorwirft. Verständlich sprechen heißt nicht, dass man etwas richtig oder besser verstanden hat. Man weiß nur, was man zu sagen hat, dem jeweiligen Publikum verständlich zu vermitteln.

    2. „Verständliche Sprache“ ist kein Ausdrucksmittel von Ehrlichkeit. Es ist Mittel dafür, eine Botschaft rüberzubringen. Die Botschaft selbst kann auch eine glatte Lüge sein. Oft ist die „verständliche Sprache“ selbst die Botschaft: „Seht her, ich verstehe es, ich kann es, ich bin Macher.“

    So bleibt am Ende oft nur die Hoffnung, es bleibe nicht bei klaren Worten; es würden noch bessere Analysen und Pläne folgen oder sogar die richtigen Entscheidungen und angemessenen Taten. Politik ist aber nun mal mehr ein Geschäft der Worte als der Tat: Es zählt nicht, was erreicht wird. Es reicht, was erzählt wird.

  • Nichts gegen Klartext, - wirklich nichts! -, aber bei Friedrich Merz weiß man echt nie, ob das jetzt groß durchdacht oder einfach nur dahergeredet war.

  • Kritik an Merz heißt, nicht, dass er nicht sagen soll, was er denkt, im Gegenteil. Und genauso ist es verkehrt Kritik zurückzuhalten bzw. abzuschwächen nur, weil man froh ist, dass mal jemand sagt, was er denkt und bloß nicht auf die Idee kommen soll nicht mehr offen zu sagen, was er denkt.



    Das Gedruckse von Scholz war verkehrt und die Kritik an der jetzigen Kritik ebenso. Politiker sollen sagen was sie denken und die Öffentlichkeit darf sich unkontrolliert daran erregen oder erfreuen.

    • @nutzer:

      Ja, man kann froh sein. So merkt auch der Letzte, was für ein Mensch er ist. Für all jene, die ihm das nicht längst an der Nasenspitze angesehen haben.

      Ein Kanzler sollte auch ein guter Diplomat sein, sich gut überlegen, was er sagt, denn diese Worte hört nicht nur das Volk, sondern die ganze Welt.

      Erregung brauchen wir nicht, die hatten wir in der Vergangenheit zur Genüge und in der Welt ohnehin. Wir brauchen weise Worte und gute Entscheidungen für eine friedliche Welt.

  • Merz, Ehrlichkeit, Glaubhaftigkeit geht nicht mehr zusammen !

  • Ein Völkerrecht ohne Völkerpolizei, die kommt, wenn jemand dagegen verstößt, ist vollkommen wertlos. Wer sich darauf verlässt, ist verlassen.



    Der Zustand auf internationaler Ebene gleicht halt leider dem einer Bananenrepublik, wo es ein formales Gesetz gibt, aber niemand, den man rufen könnte, der es auch durchsetzt. Also kämpfen Maffia-Clans gegeneinander.



    Wo war denn das Völkerrecht, als Iran allerlei Milizen und Terrororganisationen gegen Israel unterstützt hat? Wie reagiert nochmal das Völkerrecht, wenn Iran die Vernichtung Isreals zur Staatsdoktrin erklärt? Hat das Völkerrecht eingegriffen, als Putin die Krim besetzt hatte?



    Was passierte wohl, wenn Iran sein Vorhaben erfolgreich umsetzten und Israel vernichten würde? Die Gazetten und Politologen, die Stammtisch-Moralisten würden Erklärungen abgeben, dass das ja gegen das Völkerrecht verstoße - und sonst NICHTS.



    Israel wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn es sich auf das Völkerrecht verlassen würde!

    • @fleischsalat:

      Traurig aber wahr.

  • Wiso erinner Merz mich heute so an Clint Eastwood...?

  • Es war klar, daß der politisch völlig unerfahrene Merz elefantig durch den Porzellanladen tapsen und Dinge von sich geben wird mit denen er selbst Verbündete verstört. Ich fürchte, da kommen noch wesentlich problematischere Sätze. Man kann einen Staat nicht führen wie Blackrock oder die CDU. Und nach außen so vertreten. Das hat er nicht verstanden.

    "Und was wäre gewonnen, wenn Merz gescholzt hätte?" Gegenfrage: Was wurde gewonnen, weil er gemerzt hat? Und was wäre verloren gewesen, wenn er diplomatisch vorgegangen wäre?

    • @Josef 123:

      …anschließe mich



      &



      Dilletantenstadel reloaded - merz & taz too •



      taz.de/picture/771...Gaza-Israel-1.jpeg



      Burschenschafter Schenkelklopfer Was sinn de Buure wiggers lustig



      & Däh



      “Wurde schon wenige Tage später von eben diesen beiden Partnern außen vor gelassen: „Außenkanzler“ Friedrich Merz“



      Das Tricky-Dicky Syndrom …würdens von dem n Gebrauchtwagen kaufen?! Sehnse •

    • @Josef 123:

      Der Man hat Blackrock nicht geführt der Saß im Aufsichtsrat, Aufsichtsräte sind ein Beliebtes weil einträgliches Hobby von Ex- Politikern.



      In dem Falle hat Blackrock richtig Glück gehabt daß sie nun den Kanzler der viert größten Volkswirtschaft stellen...🤔

  • Ihr Kommentar wurde grade von der Realität überholt, Merz möchte nun daß "Maß gehalten" wird.

    Für mich grenzt daß an Dadaismus... "Maßvolle Drecksarbeit"...erfrischend Klar...🤔

    • @Björn Eichholz:

      Dass Drecksarbeit gemacht werden muss heißt halt nicht, dass sie zur sinnlosen Schlächterei verkommen darf. Also muss man Maß halten. Wo ist da das Problem mit der Klarheit? Genau das predigen die gemäßigten Israelkritiker (also jene diesseits der "From the River to the Sea"-Fraktion) seit dem ersten Tag der Kämpfe in Gaza!

  • "... Merz hat sich vorgenommen, in verständlichen Worten über seine Politik zu sprechen. Und anders als seine politischen Versprechen scheint er dieses bisher zu halten. ..." Echt, ich habe jetzt noch nicht mitbekommen, dass er uns Normalbürgern mitgeteilt hat, dass diese Regierung gedenkt, uns wie die vorherigen, in Bezug auf Renten- und Krankenversicherung sowie Steuern behumsen wird.

  • Die Sprache des Kanzlers ist erstaunlich unterkomplex und es steht zu befürchten, dass seine kognitiven Handlungsspielräume auch nichts anderes zulassen. Würde diese Ausdrucksweise der Ansprache eines entsprechenden Gegenübers dienen, dann wäre dies völlig in Ordnung, aber doch nicht bei geopolitischen Fragestellungen.

    • @Jan Röser:

      …anschließe mich



      &



      Kerstin Augustin zum Zweiten!



      Wir dürfen also annehmen - daß er‘s in echt so ganz erfrischend meint! Wollnich



      “„Du hast wohl recht, ich finde nicht die Spur

      Von einem Geist, und alles ist Dressur."

      (Goethe – Faust I)

      Geklaut by 💫 🐑 08.06.2025, 13:36 Uhr ebenda