Merkels Rückzugserklärung und Seehofer: Pfiat di, Herr Minister!
Nach der Hessen-Wahl kündigt Angela Merkel ihren Rückzug vom CDU-Parteivorsitz an. Nun könnte Horst Seehofer alle überraschen.
Lieber Horst Seehofer,
Sie werden es mitbekommen haben (aber vielleicht auch nicht): Angela Merkel tritt zurück. Nein, nicht, was Sie jetzt denken. Für #MerkelMussWeg (als Twitter-Entrepreneur kennen Sie ja dieses kleine Hashtag-Kreuzerl, nicht wahr?) ist es noch zu früh. Kanzlerin will sie schon noch bleiben. Aber sicher ist, dass die Zonenwachtel beim CDU-Parteitag Anfang Dezember nicht noch einmal antritt. Dass es aus ist mit ihr und ihrer Partei. Basta!, wie der Schlawiner Salvini sagen würde.
Ist das nicht wundervoll? Der Terrier von Templin hört auf. Man könnte nun sagen: Sie, verehrter Horst Seehofer, haben damit ihr Ziel erreicht. Die Frau, mit der Sie bekanntlich „nicht arbeiten“ können, geht endlich nach Hause, Kartoffelsuppe kochen. Und die Medien, diese Hundsfotte, feiern sie dafür auch noch. Was soll man schon erwarten? „Ohne Beispiel ist ihr Stil“, rühmt die Hannoversche Allgemeine Merkel. Sie habe „modernisiert, aber auch beherrscht“, schreibt der Reutlinger Generalanzeiger. Und die Rheinische Post meint, Merkel bringe „mit ihrem Teilrückzug die CDU wieder in die Offensive“.
Nun folgende Frage: Wäre das nicht auch etwas für Sie? Möchten nicht auch Sie ein Leader sein, der die CSU – Ihre CSU! – wieder in die Offensive bringt? Wie wäre es zum Beispiel mit Rücktritt? Sie könnten es wie das Merkel machen. Aber natürlich besser: Sie bieten Ihren Komplettrücktritt an – CSU-Vorsitz und Bundesinnenministerium in einem Aufwasch. Und dann geht die Party aber ab in München und Berlin. Großes Ehrenwort.
Wie wäre es zum Beispiel heute? Oder morgen – mittwochs müssen Sie ja eh früh aufstehen, halb neun ist Kabinettssitzung. Sie könnten schweren Schrittes ins Kanzleramt zum allwöchentlichen Kasperltheater rüberstapfen, dort Merkel und ihre Vasallen mürrisch anschweigen. Und dann, wenn alle schon ihre Unterlagen zusammenraffen, sich räuspern und zu einer Erklärung ansetzen.
Sie könnten noch mal ausführen, was Ihnen alles angetan worden ist. Die üble Häme wegen Ihres an sich doch recht witzigen „69 Abschiebungen zum 69. Geburtstag“-Späßchens. Der Maaßen-Komplott gegen Sie und diesen ehrenwerten Mann. Das Megaministerium mit all den unübersichtlichen Ressorts; nicht ein fähiger Staatssekretär darunter. Sie könnten praktischerweise wiederholen, was Sie in der Bundespressekonferenz nach der Bayernwahl gesagt haben. Zum Beispiel diesen epischen Satz: „Ich bin ein potentieller Terrormensch.“ Oder, ganz groß: „Was soll ich noch Machtfragen stellen, können Sie mir das sagen? Ich werde siebzig, ich bin froh, wenn ich mich zu Hause durchsetze.“
Lieber Horst Seehofer, Sie wissen es, Ihre CSU weiß es: Die können Sie gar nicht rausschmeißen. Ihre Amtszeit als Parteivorsitzender währt noch ein Jahr. Sie sind also im Recht, und alle im Münchner Franz-Josef-Strauß-Haus haben auch ein bisserl Angst vor Ihnen. Nutzen Sie also das politische Momentum. Machen Sie's wie Mutti: Treten Sie zurück.
Ein herzliches Pfiat di!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen