Merkel befürchtet militärische Konflikte: „Dinge, die wir alle nicht wollen“
Im Koalitionsstreit über den Umgang mit Flüchtlingen ist kein Ende in Sicht. Merkel warnt sogar vor militärischen Auseinandersetzungen.
Wörtlich sagte die Kanzlerin am Montagabend: „Ich will jetzt nicht schwarzmalen. Aber es geht schneller als man denkt, dass aus Streit auch Handgreiflichkeiten werden und aus Handgreiflichkeiten dann auch Dinge entstehen, die wir alle nicht wollen.“ Der Umgang mit den Flüchtlingen sorgte innerhalb der großen Koalition am Dienstag weiter für Streit. Am Nachmittag ist dies auch Thema der Fraktionssitzungen.
Mit Spannung wird insbesondere die Sitzung der CDU/CSU-Fraktion erwartet. In der Union gibt es zunehmend Unmut über Merkels Kurs. Die Kanzlerin und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wollen sich in der Fraktionssitzung äußern. Zudem gibt es unmittelbar zuvor nun auch noch einen gemeinsamen Auftritt vor den Medien. Auch beim Koalitionspartner SPD wird in der Fraktion mit intensiven Diskussionen gerechnet.
Am Sonntag waren die Spitzen der Koalition nach einem Treffen im Kanzleramt ohne Einigung auseinandergegangen. Die Union verlangt sogenannte Transitzonen, wo die Flüchtlinge ohne konkrete Aussichten auf Asyl schnell abgefertigt werden können. Die SPD werden solche Bereiche jedoch als „riesige Haftzonen“ abgelehnt. Die Sozialdemokraten setzen dagegen auf „Einreisezentren“ zur Registrierung. Wer sich dort nicht erfassen lässt, dem sollen Leistungskürzungen und Nachteile im Asylverfahren drohen.
Kein Wahlkampfthema
Die Industrie forderte die Koalition auf, ihren Konflikt beizulegen. Der Präsident des Industrieverbandes BDI, Ulrich Grillo, sagte: „Es kann nicht sein, dass man Wahlkampf betreibt und sich über die Worte „Transitzonen“ oder „Einwanderungszentren“ streitet.“ Zentrale Herausforderung müsse stattdessen sein, möglichst viele Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Trotzdem wurde weiter gestritten. Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion, Christian von Stetten (CDU), sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die SPD hat die Realität in der Flüchtlingsfrage scheinbar völlig verloren und sich nicht einmal auf einen Minimalkompromiss verständigen können.“ Die Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos, Johanna Uekermann, warf der Union hingegen im rbb-Inforadio vor, die „Transitzonen“ seien in der Praxis nicht machbar.
Die Bundestags-Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, lehnte „Transitzonen“ im Fernsehsender n-tv ebenfalls ab: „Sie würden überhaupt kein Problem lösen. Ich finde es auch unglaublich, wie diese Koalition jetzt über Nebenkriegsschauplätze streitet, statt endlich sich Gedanken zu machen, wie sie den Bürgermeistern, den Landräten, die akute Probleme haben und die vor allem eines brauchen, natürlich auch mehr finanzielle Unterstützung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen