Merkel-Besuch in der Türkei: Schwurbeltango zum Abschied

Die Kanzlerin und Präsident Erdoğan umtänzeln auf ihrer letzten gemeinsamen PK jedes schwierige Thema. Man habe schließlich stets Lösungen gefunden.

Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan

War doch alles nicht so schlimm: Merkel und Erdoğan bei ihrer Abschieds-PK Foto: ap

ISTANBUL taz | Am Ende sah es so aus, als könnten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sich sogar gegenseitig etwas abgewinnen. Fast wehmütig äußerte sich Erdogan anlässlich ihres Abschiedsbesuches am Samstag in Istanbul und auch Merkel betonte, man hätte trotz aller Probleme doch auch immer Lösungen gefunden.

Angesichts der drohenden rot-grün-gelben Koalitionsregierung in Berlin verwies Erdoğan noch schnell auf die schlechten Erfahrungen mit Koalitionen und lobte seine autokratische One-Man-Show, was Merkel dann doch nicht unwidersprochen lassen mochte. Koalitionen seien anstrengend, aber „dennoch schön“. Im Übrigen versprach sie Erdoğan, dass auch die nächste Bundesregierung am „konstruktiven Dialog“ mit der Türkei festhalten würde. Erdoğan befürchtet dagegen wohl, bei der kommenden Koalition nicht mehr auf so viel Entgegenkommen wie bei Merkel rechnen zu können.

Es habe auch Erfolge gegeben

Kein Wort über die Nazi-Vergleiche und die unverhohlenen Aggressivität Erdoğans, wenn es, vor allem im Anschluss an den Putschversuch gegen ihn 2016, mal nicht so lief wie er sich das vorstellte. Schwamm drüber, muss ja, war schon immer Merkels persönliche Haltung gegenüber Erdoğan. Einzig der ARD-Kollege erinnerte in der Fragerunde daran, dass immer noch deutsche Staatsbürger, überwiegend solche mit türkischen oder kurdischen Wurzeln, in der Türkei wegen Meinungsäußerungen im Knast sitzen oder das Land nicht verlassen dürfen, da habe sich doch gar nichts verbessert, meinte der Kollege.

Nein, nein sagte Merkel, es habe auch Erfolge gegeben und man müsse eben immer weiter im Gespräch bleiben. Nach den türkischen politischen Gefangenen, insbesondere Kulturmäzen Osman Kavala und Ex-HDP-Vorsitzender Selahattin Demirtaș, deren Freilassung der europäische Menschenrechtsgerichtshof seit langem fordert, fragte da schon gar niemand mehr.

Stattdessen ging es um Merkels Lieblingsthema im Verhältnis zur Türkei, der Rolle des Landes als Auffangbecken für Geflüchtete. Da müsse und werde die EU die Türkei weiterhin finanziell unterstützen. Trotzdem stellte Erdoğan in seiner Entgegnung fest, dass „das Boot“ auch in der Türkei endgültig voll sei, und man keineswegs nun eine weitere Flüchtlingswelle aus Afghanistan aufnehmen werde.

Versöhnlicher Ausklang

Deshalb so Merkel, müsse man wohl oder übel Afghanistan weiter finanziell unterstützen, damit sich von dort kein Elendstreck in Bewegung setzt. Sie habe sich bei Erdoğan über die Gespräche mit den Taliban informiert, die just vor zwei Tagen mit einer hochrangigen Delegation in der Türkei waren. Intensiv hätten sich beide auch über Syrien ausgetauscht, sagte Merkel anschließend. Wohl auch, weil Erdoğan immer wieder darauf hinweist, dass nur die türkische Armee in Idlib, der letzten von Rebellen kontrollierten Provinz an der Grenze zur Türkei, dafür sorgt, dass die knapp 4 Millionen Menschen die dort ausharren, nicht vom Assad-Regime in Richtung Westen vertrieben werden.

Einem türkischen Kollegen blieb es vorbehalten, auch Erdoğans Lieblingsthema noch einmal aufs Tablett zu bringen: Islamphobie in Deutschland und Europa. Es ist das Thema, um Merkel in die Defensive zu bringen, die auch zu ihrem Abschied eingestehen musste, dass es leider immer wieder „hässliche rassistische Vorfälle“ gegeben habe. Doch auch bei diesem Thema gab es einen versöhnlichen Ausklang, wird doch bald aus der Kölner Zentralmoschee erstmals der muslimische Gebetsruf auch öffentlich zu hören sein.

Nach wenigen Stunden war Merkels Abschiedsbesuch im Sommerpalast des türkischen Präsidenten am Bosporus vorbei. Zuvor hatte sie sich noch beeindruckt von dem Gebäude gezeigt, dass ja „ein deutscher Geschäftsmann“ einmal hatte bauen lassen. Offenbar wusste sie nicht, dass dieser Herr Huber seinen Reichtum mit skrupellosen Waffengeschäften im Ersten Weltkrieg erworben hatte.

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